„Bildpost“ für tausende Temposünder

Neunkirchen · Ende April haben sechs stationäre Radarsäulen in Neunkirchen ihre Arbeit aufgenommen. Nach einem guten Vierteljahr hat die Stadt eine erste Blitzer-Bilanz gezogen. Die Überwachung scheint eine lukrative Sache zu sein.

 Bürgermeister Jörg Aumann bei der Vorstellung der stationären Radarsäulen im April. Foto: hi

Bürgermeister Jörg Aumann bei der Vorstellung der stationären Radarsäulen im April. Foto: hi

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Etwas mehr als 38 400 Temposünder haben die "eisernen Gustavs" überfüh rt. So viele Geschwindigkeitsüberschreitungen sind nach Mitteilung der Stadtpressestelle vom 28. April bis zum 31. Juli von den stationären Radaranlagen erfasst worden.

Die Stadt hat, wie in der SZ ausführlich berichtet, an drei Stellen - an der Westspange, in der Bliesstraße und in der Ottweilerstraße - von der Firma Jenoptik Radarsäulen jeweils in beiden Fahrtrichtungen installieren lassen. Die vorerst auf vier Jahre angelegte Zusammenarbeit läuft als PPP (Privat-Public-Partnership)-Modell. Der Stadt entstehen kaum Kosten, weil Jenoptik die Radargeräte stellt und wartet sowie eine Auswertung für das städtische Ordnungsamt vornimmt. Dafür kassiert die Firma 5,50 Euro pro geblitztem Verkehrsteilnehmer, der Rest der Verwarnungsgelder fließt an die Stadt. Das waren bisher immerhin 440 000 Euro. "Das ist eine Menge Geld, über das wir uns nicht freuen", behauptet Bürgermeister Jörg Aumann . Und kündigt an: "Dieses Geld wird insbesondere für mehr Sicherheit und Ordnung in Neunkirchen eingesetzt!"

Die allermeisten der Temposünder (96,4 Prozent) kamen laut städtischer Statistik mi t einem Verwarnungsgeld - meist 15 Euro - davon. Zwei Drittel von ihnen blieben im Bereich bis zu 60 Kilometern pro Stunde. Bei 1400 besonders schnellen Fahrern - über 70 km/h - war ein Bußgeldverfahren fällig, das vom Landesverwaltungsamt in St. Ingbert betrieben wird. Die Radarfallen knipsen ab 59 km/h, wobei auf dem "Knöllchen"-Bescheid durchaus 56 km/h stehen kann, weil drei km/h Gerätetoleranz abgezogen werden.

Der "Gewöhnungseffekt" der Anlage ist ablesbar: Fielen in der ersten Betriebswoche noch 6420 Autofahrer den Laserstrahlen bzw. Kontaktschwellen zum Opfer, waren es in der letzten Maiwoche noch 2240. Im ausgewerteten Vierteljahreszeitraum wurden die weitaus meisten Zuschnellfahrer, nämlich 21 800 an der Westspange erwischt. Rund 7650 waren es in der Bliesstraße. An diesen Stellen hielt sich die Zahl der "Delinquenten" in beiden Richtungen in etwa die Waage. Im Bereich der Blitzer am Ortsausgang Wiebelskirchen (Ottweilerstraße) fuhren allerdings nur 7,3 Prozent der gut 9000 Erwischten stadteinwärts zu schnell, der große Rest stadtauswärts.

Laut Stadt wurden im Schnitt täglich insgesamt 432 Geschwindigkeitsüberschreitungen an den sechs stationären Säulen registriert. Bevor diese Anlagen gestanden hätten, seien es bei verdeckten Messungen ein Vielfaches gewesen. Einen Rückgang von 95 Prozent haben die städtischen Verantwortlichen errechnet. Bürgermeister Aumann kommentiert: "Wir haben unser Ziel erreicht. Gerade an der Westspange, wo vorher 100 Autofahrer in der Stunde zu schnell gefahren sind, werden jetzt stündlich nur noch zehn geblitzt." In der Blies- und der Ottweilerstraße sei "eine erhebliche Verbesserung der Wohnqualität" erreicht worden, die überwachten Straßenabschnitte seien "sehr viel sicherer" geworden. Die Rathausverantwortlichen wehren sich üblicherweise vehement gegen den Ausdruck "Abkassieren". Doch bei hochgerechneten 1,7 bis 1,8 Millionen Euro, die die stationären Radarfallen jährlich in die Stadtkasse spülen, liegt diese Bezeichnung nicht allzu fern. Die Summe wird aufgebracht von Autofahrern, die an den städtischen Ausfallstraßen etwas zu früh aufs Gaspedal oder etwas zu spät aufs Bremspedal treten und in der großen Mehrzahl marginal über den "Tempozapfen hauen". An den drei Straßen, an denen die sechs Radarsäulen stehen, hat die Auswertung des Landespolizeipräsidiums zwischen Anfang 2011 und Herbst 2013 knapp 4100 Unfälle erfasst, das waren 4,3 Prozent aller Unfälle in Neunkirchen . Die vier Unfallhäufungspunkte, die die Polizei fürs vergangene Jahr aufgelistet hat, liegen außerhalb der Radarsäulen.

Und wenn der Bürgermeister einen Raserrückgang von 95 Prozent gegenüber den zuvor verdeckten Messungen verkündet, dann streut er der Öffentlichkeit Sand in die Augen und beleidigt die Intelligenz der Autofahrer. Es ist das Wesen unangekündigter Kontrollen, dass sie die Autofahrer überraschen. Die sich andererseits auf festinstallierte Radarfallen schnell einstellen und das Tempolimit dort korrekt einhalten. Während die Bleifüßler etwa in der Nähe von Schulen und Kindergärten meist unbehelligt bleiben.

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