"Beim Kindesschutz gibt es Risiken"

Kreis Neunkirchen. Joachim Brill ist Pragmatiker. Die Ziele, die er sich als Nachfolger von Volker Kümmel als Leiter des Kreisjugendamtes gesetzt hat, sind am Machbaren orientiert. Fast 30 Jahre Erfahrung in der Jugendarbeit - Brill ist seit 1980 beim Kreis Neunkirchen beschäftigt - prägen sein Denken und Handeln

Kreis Neunkirchen. Joachim Brill ist Pragmatiker. Die Ziele, die er sich als Nachfolger von Volker Kümmel als Leiter des Kreisjugendamtes gesetzt hat, sind am Machbaren orientiert. Fast 30 Jahre Erfahrung in der Jugendarbeit - Brill ist seit 1980 beim Kreis Neunkirchen beschäftigt - prägen sein Denken und Handeln."Helfen mit Risiko - das ist unser Job", bringt der 55-jährige Sozialarbeiter die Aufgabe für sich und seine 72 Mitarbeiter beim Kreisjugendamt auf einen Nenner. Den 100-prozentigen Kindesschutz gebe es nicht. "Es gibt immer wieder das Risiko, dass wir etwas nicht sehen, etwas falsch einschätzen oder eine falsche Entscheidung treffen", sagt Brill im SZ-Gespräch. Schließlich stehe nicht nur der Kindes-, sondern auch der Elternschutz im Fokus der täglichen Arbeit. So muss das Jugendamt einen Spagat meistern: Handelt es zu früh, wäre ein Kindesentzug vielleicht vermeidbar gewesen. Handelt es zu spät, ist das Kind im schlimmsten Fall tot.

Solch schwierige Entscheidungen müsse allerdings niemand allein treffen, es gebe immer das Vier-Augen-Prinzip und Krisengespräche in der Gruppe. Im günstigsten Fall kooperieren die Eltern in Krisensituationen mit dem Jugendamt, dann können sie mit einem breit gefächerten Unterstützungssystem rechnen. Das kann vom Entmüllen der Wohnung bis zum Anti-Aggressionstraining reichen.

900 Familien versorgt das Kreisjugendamt pro Jahr im Rahmen der Erziehungshilfe. Vorbeugende Arbeit, denn es werde alles versucht, um die Kinder in ihren Familien zu halten. 15 oder 16 Kinder würden pro Jahr in Obhut genommen, keine übermäßig hohe Zahl angesichts der sozialen Probleme. In vielen Bereichen übernehme das Jugendamt heute Verantwortung, aber man könne nicht alle Bereiche abdecken. Zumal man die Eltern nicht ganz aus ihrer Verantwortung entlassen dürfe. Brill befürchtet: "Trotz sinkender Geburtenzahlen wird auch in Zukunft eine erkleckliche Zahl an Familien fremde Hilfe benötigen." Als Vorzeigeprojekt bezeichnet er in diesem Zusammenhang die "Frühen Hilfen". Ein offensives Angebot, das von "Topleuten" im Kreis Neunkirchen gemanagt werde. Genauso viel verspricht er sich vom neuen Projekt "Aktiv in der Region - Jugend stärken", das den Übergang zwischen Schule und Beruf erleichtern soll. Eine wichtige Aufgabe übernehmen hier die Schoolworker. "Tue Gutes, und rede darüber", hat Joachim Brill als Motto für das Kreisjugendamt erkoren. Er habe ein hohes Interesse daran, dass die Jugendhilfe transparenter werde. Damit nicht nur die Bürgermeister wissen, wo die 30 Millionen Euro für die Jugendhilfe im Jahr gebraucht werden. Denn das Jugendamt "lebt" von der Kreisumlage der Kommunen, die bekanntermaßen jeden Cent drei Mal umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben können. Brill gibt jedoch zu bedenken:"Die von uns betreuten Menschen leben in den Kommunen. Und wir suchen sie nicht, sie finden uns."

Auf einen Blick

Das Kreisjugendamt ist montags bis freitags von 8.30 bis 12 Uhr und von 13.30 bis 15.30 Uhr in der Saarbrücker Straße 1 in Neunkirchen für die Bürger da. Telefon (06824) 906 73 00, E-Mail: jugendamtlandkreis-neunkirchen.de.

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