Auf Spurensuche im Gedankendschungel

Bosen · In ihrem Bosener Manifest hat sich die Arbeitsgemeinschaft für rhein- und moselfränkische Mundart – Bosener Gruppe – zum Ziel gesetzt, die Mundarten der Region in ihrer Schönheit darzustellen. Als Konsequenz hieraus soll die Regionalsprache als Möglichkeit einer anspruchsvollen literarischen Gestaltungsform präsentiert werden. Dazu wird einmal im Monat ein Text interpretiert.

Foto: Klee

Das Gedicht "Semeliere" der in Wadern lebenden Autorin Karin Klee ist Mundarttext des Monats Februar, darauf hat sich das Kolloquium der Bosener Gruppe auf seiner letzten Tagung verständigt. Dieser Text wurde ausgewählt, so erklärt Peter Eckert, Autor und Sprecher der Bosener Gruppe, da er ein geglücktes Beispiel dafür ist, wie man über unwegsame Gedankenpfade dank der Sprache zu einem Rastplatz der Einsichten gelangen kann.

Zu dem ausgesuchten Text schreibt Peter Eckert: Schon die Überschrift hat es in sich: "Semeliere." Schief läge, wer da nur an standardsprachliches "Simulieren" im üblichen Sinn dächte. Denn es geht nicht ums Vortäuschen, das der Duden als erste Bedeutung nennt. Etwas näher käme die zweite Definition, die wirklichkeitsgetreue modellhafte Nachahmung von Sachverhalten und Vorgängen zu Übungs- beziehungsweise Erkenntniszwecken. Wer aber hätte das gedacht: Der Duden nennt auch die - im Text zunächst gemeinte - dritte, wenn auch als "veraltend, noch landschaftlich" bezeichnete Bedeutung, also Grübeln oder Nachsinnen, wie man es hierzulande mit diesem Wort ausdrückt.

In der Tat grüblerisch erscheint dieser Text, getragen von Skepsis gegenüber eigenem und fremdem Erkenntnisvermögen und - nicht nur vorgetäuschter - Ratlosigkeit angesichts der Unfähigkeit, wohlbedachtes eigenes Wollen in sinnvolles Tun umzusetzen.

Dass Botschaften, ob Gedicht oder Gebet, ohne Widerhall beim angesprochenen Gegenüber bleiben, wird modellhaft dargestellt an ausgewählten Adressaten: ein Gott, der nicht spricht, ein Mensch, der nicht hört, ein Tier, das nicht versteht, und man selbst am Ende des Holzweges.

Tröstliches lässt sich daraus nur indirekt ableiten. Ob lyrisches Ich oder die Autorin persönlich: Solange das Schreiben nicht versiegt, scheint außer Resignation doch auch ein Funke Hoffnung zu bleiben.

Auch für Karin Klee, die in diesem Text wieder beweist, wie sie es - mit dem rechten Blick für Menschen und Situationen - vermag, mit wenigen Strichen Wesentliches zu skizzieren.

Meinung:

Semeliere

Von Karin Klee

E Gedischt es

wie we'mä beät

Zou me Hergott

der kä Wijerter fönd

Zou me Mensche

der ne meh hijere ma

Zou me Deijr

dat net kapiere ka

Zou sisch sälwä

we'mä net weirä wäß

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort