Alte Glocke mit vielen Geheimnissen

Selbach. Zurzeit läutet sie zwar nicht, weil der Glockenstuhl repariert werden muss. Aber den Selbachern ist sie genauso vertraut wie die Kathreinen-Kapelle selbst, in dessen Turm sie hängt: die 500 Jahre alte Antonius-Glocke, die zu den ältesten Glocken im Saarland gehört

Selbach. Zurzeit läutet sie zwar nicht, weil der Glockenstuhl repariert werden muss. Aber den Selbachern ist sie genauso vertraut wie die Kathreinen-Kapelle selbst, in dessen Turm sie hängt: die 500 Jahre alte Antonius-Glocke, die zu den ältesten Glocken im Saarland gehört. "Sie ist ein richtiges Geburtstagskind, weil sie einen Namen hat und geweiht ist", stellte der Historiker Johannes Naumann am Freitag in seinem Vortrag im Dorfgemeinschaftshaus fest. Dorthin war der fünfte Nohfelder Geschichtsabend gelegt worden, auch im Hinblick auf die Fotoausstellung des Heimat- und Verkehrsvereins.Der Redner "stieg" mit seinen rund 100 Zuhörern Schritt für Schritt in den vermutlich spätromanischen Turm der Kapelle, dessen erstes Obergeschoss einst als Eremitenwohnung diente. Auch wenn die Jahrhunderte nicht spurlos an der Behausung vorüber gegangen seien: "Sie war nicht ärmlich", hat Johannes Naumann an der noch vorhandenen Einrichtung herausgefunden. Das zweite Stockwerk sei wohl die Schlafstube des Eremiten gewesen. Unmittelbar darüber im Turmhelm hängt das Geburtstagskind mit Namen Antonius. Die Jahresringforschung habe, so Naumann ergeben, dass der Glockenstuhl ganz sicher aus dem Jahre 1759 stammt.Ungewöhnliche InschriftDie Inschrift der Glocke verrät nur einen Teil ihrer uralten Geschichte. Sie lautet: "anthonius heis ich, dietrich wolf von proeme goeis mich, anno MCCCCCIV". Mit "proeme" war das Eifelstädtchen Prüm gemeint. "Die Glocke stellt sich also vor und nennt ihren Meister, nicht den Stifter", sagte Johannes Naumann und wertete das als eine Besonderheit. Der Glockengießer Wolf sei seinerzeit im Trierer Land ein berühmter Mann gewesen. 1491 ist erstmals in Prüm eine von ihm gegossene Glocke erwähnt. Die letzte, die nachgewiesen ist, stammt von 1553. Der Referent zeigte in Bildern auch weitere Glocken, die von dem Meister Wolf hergestellt wurden: nämlich die in Niederemmel, in Thalfang und in Berglicht. Zweimal entging die Antonius-Glocke der Beschlagnahme zu Kriegszwecken. Sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg wurde sie als "geschichtlich wertvoll" eingestuft und durfte im Turm hängenbleiben. Johannes Naumann ging auch der Frage nach, warum die Glocke den Mönchsvater Antonius als Patron habe, nicht aber die heilige Katharina, die Patronin der Kapelle. Er sieht einen Zusammenhang mit dem "höllischen Antoniusfeuer". Das war eine im Mittelalter aufgetretene epidemische Krankheit, von der die Menschen als Folge einer Vergiftung mit Mutterkorn betroffen waren und sich ansteckten, als sie Brot aßen. Gebete zum heiligen Antonius sollten von der Krankheit befreien.Bis heute gebe die Antonius-Glocke nicht alle ihre Geheimnisse preis. Auch nicht, seit wann sie sich in Selbach befindet, ob sie eigens für die Kapelle gegossen worden ist oder ob sie vielleicht aus einer anderen Kirche stammt, die, als sie ein neues Geläut bekam, den "Antonius" weitergereicht hat. "Darüber ließ sich leider keine Spur finden", gestand Johannes Naumann. "Fest steht aber, dass Selbach ein Kleinod an Sakralkunst besitzt." gtr

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