Als wir noch bayerisch waren

Homburg/Limbach · Im Saarpfalz-Kreis haben sich bis zum heutigen Tag in vielen Städten und Gemeinden noch zahlreiche Zeugnisse, Traditionen und Verbindungen aus der geschichtsträchtigen pfalz-bayerischen Epoche erhalten.

Das Konterfei des Prinzregenten Luitpold, aus Stein gehauen, schmückt die Fassade einer Jugendstilvilla in Homburg, am einstigen Rathaus der saarpfälzischen Kreisstadt prangt bis heute in bunten Farben ein Zollgrenzschild, das stolz auf die lange Zugehörigkeit der Region zum Königreich Bayern verweist. Voller Selbstbewusstsein stellt der kleine Weiler "Bayrischer Kohlhof" seine einstige Zughörigkeit schon mit dem Ortsschild demonstrativ zur Schau. In Blieskastel, dem ländlich-barocken Städtchen im Bliesgau, ehrt eine monumentale Säule den bayerischen König Max I. Joseph als den "Vater des Vaterlandes", und in Erfweiler -Ehlingen erinnert ein "Wittelsbacher-Denkmal" aus dem Jahr 1880 an das 700. Jubiläum der Adelsfamilie, deren Wurzeln in der Saarpfalz zu suchen sind. Im "Wittelsbacher Jahr 2013", das aktuell in zahlreichen Ausstellungen und Veranstaltungen speziell im Raum Speyer-Mannheim gefeiert wird, spielt der pfalz-bayerische Teil des heutigen Saarlandes trotz dieser Zusammenhänge indes keine sonderliche Rolle.

In etwa vier Fünftel preußisch war zwar das Territorium des Montanreviers, das 1919 entsprechend den Bestimmungen des Versailler Vertrages als "Saargebiet" konstruiert worden war. Das restliche Fünftel hingegen gehörte zuvor zur Rheinpfalz" und war dergestalt über mehr als ein Jahrhundert hinweg Teil des Königreichs Bayern.

Teil von Pfalz-Zweibrücken

Als "Saarpfalz-Kreis" haben sich in dieser Region zahlreiche Zeugnisse, Traditionen und Verbindungen aus der pfalz-bayerischen Epoche bis heute erhalten. Dass der Landstrich inzwischen längst nicht mehr wahrnehmbare Grenze mit der französischen Region hat, der bayerischen Krone untertan wurde, lag vornehmlich daran, dass ein Großteil vor der Französischen Revolution zum Herzogtum Pfalz-Zweibrücken gehörte. Dessen letzter Landesherr Karl II. August ließ sich, angesichts seiner Verwandtschaftsverhältnisse des Erbes der bayerischen Kurfürstenwürde gewiss, bei Homburg mit "Schloss Karlsberg" mit überaus verschwenderischem Prunk eine Landresidenz im Stil der Zeit bauen.

Franzosen kamen

Homburg und eine Hand voll Dörfer in seiner Umgebung gehörten zu Pfalz-Zweibrücken, ebenso einige wenige Orte des Bliesgaus. Der nördliche Teil der heutigen Saarpfalz, insbesondere die Ortschaften am Höcherberg, unterstanden dem Fürstentum Nassau-Saarbrücken, während die meisten Weiler des Bliesgaus den Grafen von der Leyen gehörten: Die Französische Revolution machte diesen Herrschaften freilich 1792/93 ein Ende, Paläste und Schlösser wurden dem Erdboden gleichgemacht. Es dauerte bis 1798, bis unter napoleonischer Herrschaft auf dem linksrheinischen, nunmehr von Frankreich verwalteten Gebiet die revolutionären Errungenschaften institutionalisiert wurden, die eine bislang ungekannte Rechtssicherheit schufen und Adelsprivilegien wie Feudalrechte rigoros abschafften. Nach dem Untergang Napoleons, ab 1814, kurzzeitig unter österreichischer Verwaltung, wurde der "Rheinkreis", einschließlich der Saarpfalz infolge des Wiener Kongresses mit dem Münchner Vertrag vom 1816 Teil von Bayern; dessen König Maximilian I. Joseph war der Bruder des früheren Zweibrücker Herzogs Karl II. August. Die Ära, die nun anbrach, sollte für die Region neue Impulse in wirtschaftlicher, kultureller und politischer Hinsicht bringen. Und Blieskastel war eine der ersten Gemeinden der bayerischen Pfalz, die ihre besondere Dankbarkeit dem Königshaus gegenüber in Gestalt eines exponiert stehenden Denkmals zum Ausdruck brachte. Im Jahre 1823 ließ die Stadt an der "Saargemünder Chaussée" unweit der damaligen Ziegelei eine stattliche Säule zu Ehren des Monarchen in München aufstellen. Geboren hatte die Idee der Gutsbesitzer und langjährige Bürgermeister Peter Hoffmann, der als glühender Verehrer Maximilians I. galt.

Weg nach Saargemünd

Die "Bürger Blieskastels" brachten damit aber nicht allein ihren Dank für die fünf Jahre zuvor erlassene bayerische Verfassung zum Ausdruck. In dieser waren dem neuen linksrheinischen Territorium Bayerns Sonderrechte zugesichert worden - die sogenannten "Rheinischen Institutionen" garantierten der Pfalz die weitere Geltung demokratischer Errungenschaften aus der napoleonischen Zeit. Nicht minder dankbar war Blieskastel freilich auch für den Bau der "neuen Chaussée" ins lothringische Saargemünd. Dieser Verkehrsweg stellte eine der wenigen "Kunststraßen" jener Zeit in der Region dar und hatte eine nicht zu unterschätzende Verbesserung der regionalen Infrastruktur zur Folge. Schneller und mit viel weniger Erschütterungen sei der neue Weg dank Bayern und seinem König Max I. Joseph zu benutzen, heißt es zeitgenössisch. Sämtliche Gestehungskosten für diese Verbindung, die von Homburg ausgehend bei Blieskastel auf einem flutsicheren Damm das oft überschwemmte Tal der Blies und den Fluss obendrein mit einer ebenfalls hochwassersicheren Brücke querte, waren aus der bayerischen Staatskasse bezahlt worden. Anlässlich der feierlichen Indienststellung der Straße wurde die Maximilianssäule als sichtbares Zeichen der Dankbarkeit eingeweiht.

Am ursprünglichen Standort blieb das Denkmal über 140 Jahren stehen. Erst am 2. August 1966 wurde es aus Gründen der Verkehrssicherheit an ihren heutigen Standort in der Haarnadelkurve der Tiergartenstraße transloziert. In der Ausstellung im Historischen Museum in Speyer, in der ein eigenes Kapitel speziell den Denkmälern für König Max I. Joseph gewidmet, fehlt das Blieskasteler Denkmal bezeichnenderweise. Die Verfassung war später indes das Fundament für heftigste Konflikte. Der erste "Landcommissär" (Landrat) von Homburg, Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789 - 1845), avancierte zu einem der schärfsten Kritiker von Ludwig I., dem Nachfolger Maximilians auf dem Münchner Thron. Besang er seinen Landesherrn bei dessen Rheinreise 1829 noch in höchsten Tönen, so kritisierte er die Politik seines Dienstherrn im Jahr darauf öffentlich in der Erstausgabe seiner Zeitschrift "Rheinbayern" und forderte auch die Achtung und Einhaltung der Verfassung. Deswegen postwendend aus dem Amt geschasst, intensivierte Siebenpfeiffer seine journalistische Arbeit; Homburg und Zweibrücken wurden zum "Bethlehem der Freiheit", wie Heinrich Heine kommentierte. Johann Georg August Wirth, bisher als Redakteur in München, siedelte zum Jahreswechsel 1831/32 nach Homburg über, um hier, im pulsierenden Zentrum der liberalen Bewegung in Deutschland, seine "Deutsche Tribüne" herauszugeben. Sie entwickelte sich zum Sprachrohr der demokratisch gesinnten Opposition gegen den bayerischen Herrscher.

Hambacher Fest vorbereitet

In Homburg und Zweibrücken wurde schließlich auch das "Hambacher Fest" vorbereitet; die Kundgebung auf dem Schloss über Neustadt an der Haardt wurde mit polizeilich geschätzten 30 000 Teilnehmern (der demokratisch gesinnte "Preßverein" als Organisator sprach von 60 000) die größte Demonstration für Freiheit und nationale Einheit im deutschen Vormärz. Dieser Höhepunkt der Entwicklung bildete freilich auch das Ende; die Wortführer, allen voran Siebenpfeiffer und Wirth, wurden verhaftet, angeklagt. Sie wie viele andere flohen ins Exil nach Frankreich, in die Schweiz. In der Speyerer Ausstellung wird Siebenpfeiffer übrigens irrigerweise als "Verwaltungsbeamter" in Zweibrücker aufgeführt. Die saarpfälzisch-bayerische Bindung beendete erst der Untergang des wilhelminischen Kaiserreichs infolge der Katastrophe des 1. Weltkrieges. Nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages 1919 wurde das "Saargebiet" neu konstruiert. Die Saarpfalz wurde von der Pfalz abgetrennt und dem "preußischen" Land zugeschlagen. Dennoch gelang es nicht, alle historischen Stränge zu zerschlagen: Die ehedem bayerischen Landesteile sind etwa bis heute Bestandteile des Bistums Speyer oder der protestantischen Landeskirche der Pfalz. Die alten Traditionen sind also nach vor wie lebendig.

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