Die Angst vor dem Verkehrsinfarkt

Namborn. Zum ersten Mal sind die Pläne für eine Biogas-Großanlage zwischen Pinsweiler und Eisweiler (wir berichteten) öffentlich vorgestellt worden. Projektmanager Sebastian Nolte vom luxemburgischen Energieversorger und vorgesehenen Investor, Enovos, nannte während der Namborner Gemeinderatssitzung erste Details der auf zehn Millionen Euro geschätzten Investition

 So ähnlich wie diese in Einbeck/Niedersachsen könnte die Biogas-Großanlage in Namborn einmal aussehen. Foto: E.on

So ähnlich wie diese in Einbeck/Niedersachsen könnte die Biogas-Großanlage in Namborn einmal aussehen. Foto: E.on

Namborn. Zum ersten Mal sind die Pläne für eine Biogas-Großanlage zwischen Pinsweiler und Eisweiler (wir berichteten) öffentlich vorgestellt worden. Projektmanager Sebastian Nolte vom luxemburgischen Energieversorger und vorgesehenen Investor, Enovos, nannte während der Namborner Gemeinderatssitzung erste Details der auf zehn Millionen Euro geschätzten Investition. Es handelte sich um grundsätzliche Informationen zum Bau und zur Funktionsweise: eine Anlage, die aus Gras, Getreide und Mais Biogas herstellen soll, das der Qualität des Erdgases entspreche. Bis zu 2000 Haushalte könnten so mit Energie versorgt werden. Zwei unterschiedlich große Varianten liegen im Modell vor, wovon die tatsächliche Versorgungskapazität abhänge, berichtete Nolte. Vier Arbeitsplätze entstünden vor Ort, weitere in der Landwirtschaft, die als Rohstoff-Zulieferer beauftragt werde. Eine ähnliche Anlage entstehe bald nach erheblichem Widerstand aus der Bevölkerung in Merzig-Fitten auf dem Gelände einer ehemaligen Deponie. Bei Blieskastel stehe ein drittes Projekt im Saarland an. Die Namborner Projektgesellschaft, die von den beiden Energieversorgern Enovos und E.on gegründet werden soll, habe ihren Sitz vor Ort. Das bedeute laut Nolte, dass die Gemeinde von den Gewerbesteuern profitiere, wie SPD-Fraktionsvorsitzender Michael Schummer wissen wollte. Ängste von Anwohnern Ein Bauantrag für Namborn liege noch nicht vor. Ein Entschluss, das bisher ausschließlich landwirtschaftlich genutzte Gelände für Industrie zuzulassen, um den Anlagenbau zu ermöglichen, stehe ebenso noch aus. Nolte: "Je nachdem wie schnell das Genehmigungsverfahren läuft, könnte die Anlage schon Ende 2011, aber auch erst 2012 in Betrieb gehen", hieß es auf Anfrage von Volker Scholl (Die Linke). Interesse an dem neuen Projekt zeigten auch Anwohner. Das war hauptsächlich von Ängsten vor Geruchsbelästigungen und noch mehr Straßenverkehr auf der B 41 im direkten Umfeld zur möglichen Biogas-Anlage gekennzeichnet. Gabi Schneider-Lüder aus Pinsweiler: "Wir leben in unmittelbarer Nähe der schon jetzt stark belasteten B 41." Tägliche AnlieferungenWas käme auf die Bürger zu, wenn die Anlage steht? Enovos-Fachmann Nolte rechnete vor: 47 000 Tonnen so genannter Biomasse benötige die Anlage pro Jahr. "Das sind 20 Tonnen pro Fahrzeug, macht im Durchschnitt 40 Fahrzeuge pro Tag." Gleichzeitig ergänzte er, dass die Anlieferzeiten zwischen sechs und 22 Uhr festgelegt werden sollten. Gemeinderatsmitglied Ole Franke (CDU) fragte nach Stoßzeiten während der Erntesaison, ob es währenddessen zu zusätzlichen Transporten kommen könnte. Nolte ohne Umschweife: "Gerade in Erntezeiten können es durchaus 100 Fahrzeuge pro Tag sein." Benedikt Haupenthal, Fraktionschef der Freien Liste Namborn (FLN), erkundigte sich, was mit den Pflanzenresten wird, die nach der Gasproduktion übrig bleiben. Landwirt Karl-Josef Marx, dem das für den Bau vorgesehene Grundstück gehört, sicherte zu: "Wer liefert, holt auch wieder ab. Das steht so im Vertrag."In diesem Zusammenhang stellte sich Wolfgang Lüder die Frage nach der Geruchsbelästigung. Laut Projektmanager Sebastian Nolte werde es sicherlich auch mal riechen, wenn einmal am Tag die Silage für den Abtransport geöffnet werde. Aber das seien keine Geruchsbelästigungen, die die eines landwirtschaftlichen Betriebes überträfen. Bürgerversammlung geplantBürgermeister Theo Staub (SPD) kündigte unabhängig von dieser ersten Inforunde eine Bürgerversammlung an. Währenddessen könnte die Standortfrage eine Rolle spielen. Die hatte nämlich Gabi Schneider-Lüder kritisiert: "Wurden wirklich andere Flächen geprüft? Was spricht eigentlich dafür, dass sie in eine idyllische Landschaft kommt?" Meinung

Bitte kein zweites Merzig

Von SZ-RedakteurMatthias Zimmermann Die Entscheidung von Karl-Josef Marx ist absolut nachzuvollziehen: Der Landwirt bangt um seine Existenz, nachdem die Erlöse für Milch und Getreide ins Bodenlose gefallen sind. Da wäre er ein schlechter Geschäftsmann, wenn er nicht nach neuen, sicheren Einnahmequellen die Hand ausstreckt. Die scheinen für ihn durch eine Bioerdgas-Großanlage gegeben: Vertraglich abgemachte Abnahmemengen bieten ihm und vielen weiteren Kollegen aus der Region eine existenzielle Sicherheit. Trotzdem muss die Skepsis der Anrainer gegenüber einer möglichen Großanlage ernst genommen werden. Denn eines ist bereits klar: Auf die Pinsweiler und Eisweiler Bürger kommt nochmals mehr Verkehr zu, als sie heute schon auf der viel befahrenen B 41 ertragen müssen. Denn die Anbaufläche in direkter Nachbarschaft zur Biogas-Anlage reicht beileibe nicht aus, um sie ausreichend mit Rohstoffen für die Gasproduktion zu füttern. Bauern müssen aus dem Großraum die Biomasse herbeikarren, zum überwiegenden Teil über die B 41. Hier herrscht sicherlich noch erheblicher Planungsbedarf, um die Situation für die Anwohner nicht unerträglich werden zu lassen. Die Investoren Enovos und E.on sollten aus den Erfahrungen in Merzig-Fitten gelernt haben, wo die Pläne für eine ähnliche Anlage durch den Widerstand aus der Bevölkerung ins Stocken geraten waren. Nach der ersten Informationsrunde jetzt im Gemeinderat muss rasch die betroffene Bevölkerung in die weiteren Pläne eingebunden werden. Ein zweites Merzig darf es nicht geben.

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