Jagdrecht Wohin geht’s mit der Jagd?

Alsweiler · Alsweiler Modell ist nach Ansicht der Obersten Jagdbehörde nicht rechtskonform.

 Ob die Form der Jagdausübung in der Gemarkung Alsweiler korrekt ist, muss wohl das Verwaltungsgericht entscheiden.

Ob die Form der Jagdausübung in der Gemarkung Alsweiler korrekt ist, muss wohl das Verwaltungsgericht entscheiden.

Foto: dpa/Jens Büttner

Treffen sich zwei Jäger – beide tot. Ganz so scharf schießen die Alsweiler Waidmännern nicht. Aber seit Wochen und Monaten liefern sie sich hitzige Wortgefechte über einen tiefen Graben hinweg. Auf der einen Seite in Stellung gegangen ist Nikolaus Jung, seit April vergangenen Jahres Vorsteher der Alsweiler Jagdgenossenschaft. Auf der anderen Seite steht sein Vorgänger. Und dazwischen – beziehungsweise auf der einen oder anderen Seite: die Alsweiler Jagdgenossen, die Jäger selbst, die Untere Jagdbehörde sowie die Oberste Jagdbehörde, angesiedelt im Saarbrücker Ministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz.

Vor rund fünfzehn Jahre beschloss die Alsweiler Jagdgenossenschaft, von der klassischen Verpachtung des Jagdausübungsrechts im gemeinschaftlichen Jagdbezirk abzurücken. Stattdessen sollten künftig angestellte Jäger dieses Recht wahrnehmen. Hierbei berief man sich auf Paragraf 10 Absatz 2 des Bundesjagdgesetzes. Dort steht: „Die Jagdgenossenschaft kann die Jagd für eigene Rechnung durch angestellte Jäger ausüben lassen.“ Die beim Landkreis St. Wendel angesiedelte Untere Jagdbehörde hatte mit dem Alsweiler Modell keine Probleme und gab der Umstrukturierung grünes Licht.

Die Ampel auf Rot stellte im vergangenen Jahr die Oberste Jagdbehörde in Saarbrücken. Zuvor an sie herangetreten waren drei Alsweiler Jagdgenossen, nachdem sie wohl mehrfach die Untere Jagdbehörde auf die ihrer Ansicht nach nicht rechtskonforme Jagd hingewiesen hatten. Auch dem neuen Jagdvorsteher Jung erscheint das Alsweiler Konstrukt nicht korrekt. Er wirft seinem Amtsvorgänger Gestaltungsmissbrauch vor.

Welches Problem die Oberste Behörde mit dem Alsweiler Modell hat, erklärt Hubertus Lehnhausen, Referatsleiter für Waldwirtschaft und Jagd. Zunächst erläutert er: Wenn ein Grundstück größer als 75 Hektar ist, ist das ein Eigenjagdbezirk und der Besitzer darf dort das Eigenjagdrecht ausüben. Die meisten Flächen sind jedoch kleiner als 75 Hektar. Diese Flächen werden innerhalb einer bestimmten Gemarkung zusammengefasst und die Eigentümer werden zu einer Eigentümergemeinschaft – der Jagdgenossenschaft. „Und da hängt was dran“, erklärt Lehnhausen. Denn das eigentliche Jagdrecht, das Landbesitzer haben, hat einen Wert. „Da gibt es Geld für.“ Deshalb sei der Regelfall, dass ein gemeinschaftlicher Jagdbezirk verpachtet wird. Anteilig der Größe seines Grundstücks steht dem einzelnen Jagdgenossen ein Teil der Pacht zu – meist Cent-Beträge.

Pflichten haben die Jagdgenossen auch. Wenn etwa ein Bauer, der ja selbst Mitglied der Jagdgenossenschaft ist, einen Wildschaden erleidet, hat die Genossenschaft dafür aufzukommen. „Das Gesetz regelt, dass der Schaden eines Genossen auf alle umgelegt wird“, erläutert Lehnhausen. Die Pflicht zur Wildschadensregulierung übertragen aber nahezu alle Jagdgenossenschaften an den Pächter. Nun haben sich im Saarland in den vergangenen Jahren die Wildschweinbestände fast explosionsartig vermehrt. Mancherorts derart, dass sich kaum mehr ein Pächter findet. Eben weil der für die durch Wild verursachten Schäden finanziell geradestehen muss. Das war laut dem früheren Alsweiler Jagdvorsteher der Grund, warum man seinerzeit weg vom Pacht-Modell wollte.

Dieses Ansinnen ist nach Ansicht Lehnhausens legitim, aber nicht korrekt umgesetzt worden. Zudem: Sollte eine Jagdgenossenschaft von der Verpachtung keinen Gebrauch machen, dann muss sie einen angestellten Jäger haben. Der übernimmt einige der Pflichten, die ein jagdausübungsberechtigter Pächter hat. „Der angestellte Jäger, den Alsweiler hat, ist in unseren Augen aber kein angestellter Jäger.“ Warum? „Juristisch ist es so, dass ein Angestellter dann ein Angestellter ist, wenn er auf Weisung tätig wird“, erklärt Tim Otto, der als Jurist für die Rechtsangelegenheiten der Abteilung Lehnhausens zuständig ist. Das bedeute, dass ihm, anders als einem Pächter, gesagt werden muss: gehe dahin, jage zu der Zeit, schieße so und so viel Wild ab. „Und er muss aufs Kilo genau mit dem Jagdgenossenschaftsvorstand als Vertreter aller Jagdgenossen abrechnen.“ Das komme aus dem Eigentumsrecht. „Wenn Du Früchte von Deinem Eigentum erzielst, hier also auf der Gemarkung der Genossenschaft erlegtes Wild, dann muss das genau ausgerechnet werden, damit nachher jeder Jagdgenosse auf seinen Anteil kommt.“ Das jedoch habe sich bei den Verträgen der Jagdgenossenschaft Alsweiler, „die wir uns genau angesehen haben, nicht bewahrheitet.“

Da werde zwar formal erklärt, dass es einen angestellten Jäger gibt. Aber in den Verträgen stehe nicht drin, dass dieser ein gewisses Entgelt bekomme oder wann, wo und in welchem Zeitraum er was zu schießen habe. „Sondern da steht drin, er kann irgendwie schießen und dann zahlt er irgendeine Abgabe. Das ist unserer Auffassung nach eine Auslegung, die nicht rechtskonform ist.“ Vielmehr entspreche das einer Pacht.

Ganz abgesehen davon, dass ein Jäger, so er denn angestellt ist, sich in einem sozialversicherungspflichtigen Verhältnis befindet und der Arbeitgeber – in diesem Fall also die Jagdgenossenschaft – verpflichtet wäre, für diesen Abgaben und Versicherungen zu bezahlen. Eine Entlohnung über Wildbret gehe nicht. „Denn das Wildbret gehört der Jagdgenossenschaft, die das auch vermarktet und den Angestellten bezahlt“, erläutert Otto die rechtliche Situation. Auch dass in Alsweiler mit Begehungsscheinen gearbeitet werde, „ist in dieser Konstellation nicht zulässig“. Weil eben die Kontrolle fehle, wie viel Wild wann und wo von wem geschossen wurde. Somit könne mit dem Jagdvorsteher nicht korrekt abgerechnet werden. Ein Begehungsschein oder Jagderlaubnisschein erlaubt es dem Jäger, in einem Gebiet die Jagd selbständig und ohne Begleitung durchzuführen. 

Die Oberste Jagdbehörde hat die Untere Jagdbehörde auf diese rechtlichen Probleme hingewiesen, mit der Bitte, die Hintergründe in eigener Zuständigkeit als Aufsicht aufzuklären – woran die Oberste Jagdbehörde mangels Zuständigkeit gehindert ist –, und bei Bedarf einen entsprechenden Bescheid zu erlassen. Die Untere Jagdbehörde hat den Brief der Obersten Jagdbehörde an die Jagdgenossenschaft weitergeleitet mit der Verfügung, „für rechtmäßige Zustände zu sorgen“. Dagegen legten die Alsweiler Jagdgenossen Widerspruch ein.

Die Widerspruchsbehörde des Landkreises hat dem Widerspruch stattgegeben und die gewählte Jagdausübung für rechtmäßig erklärt. Dagegen hat die Oberste Jagdbehörde beim Verwaltungsgericht des Saarlandes eine Aufsichtsklage eingereicht. „Wir hoffen allerdings derzeit, dass sich die Jagdgenossenschaft Alsweiler freiwillig zu einem rechtskonformen System der Jagdnutzung durchringen kann, womit die Klage obsolet würde“, teilt dazu Ministeriumssprecherin Sabine Schorr der SZ mit.

Rechtskonform, darauf weist Lehnhausen nochmal hin, heißt nicht automatisch zurück zum Pachtsystem. Auch das System mit angestelltem Jäger sei möglich – wenn es rechtskonform ausgeübt werde. Doch es bestehen aus oben ausgeführten Gründen wohl erhebliche Zweifel, dass die Alsweiler Jagdgenossen das hinbekommen. Wie geht es nun weiter? Jagdvorsteher Jung möchte zurück zum Pachtmodell. Beschlossen werden soll das auf der für den heutigen Freitagabend angesetzten außerordentlichen Genossenschaftsversammlung in der Alsweiler Cafeteria (18 Uhr). Doch da werden die Jäger vermutlich nicht mitspielen. Das hat der frühere Jagdvorsteher, selbst Jäger, gegenüber der SZ bereits angekündigt. Zudem scheint das Tischtuch zwischen Vorstandsmannschaft und dem aktuellen Jagdvorsteher endgültig zerschnitten zu sein scheint, wie SZ-Recherchen ergeben haben.

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