Segelflugplatz in Marpingen Lauter Streit über leise Motoren

Marpingen · Das Segelfluggelände in Marpingen soll zum Sonderlandeplatz hochgestuft werden. Doch dieses Vorhaben stößt nicht bei allen auf Begeisterung.

 Im vergangenen Jahr gab es auf dem Segelflugplatz in Marpingen – bei dem es sich um das Landesleistungszentrum der Segelflieger  handelt – insgesamt 4710 Flugbewegungen, davon 311 Landungen mit Motorflugzeugen.

Im vergangenen Jahr gab es auf dem Segelflugplatz in Marpingen – bei dem es sich um das Landesleistungszentrum der Segelflieger handelt – insgesamt 4710 Flugbewegungen, davon 311 Landungen mit Motorflugzeugen.

Foto: Bonenberger

Es ist still auf dem Marpinger Segelfluggelände. Seit Wochen heben dort keine Piloten mehr ab. Statt den Himmel zu erobern, ruhen ihre Flugzeuge in Transportboxen. Zuerst war es die Winterpause, nun ist es die Corona-Krise, die den Flugplatz lahmlegt. Doch die Ruhe trügt. Denn es ist ein Streit entfacht. Der Grund dafür: Der Aero-Club Saar möchte das Segelfluggelände zu einem Sonderlandeplatz hochstufen lassen und hat dafür einen entsprechenden Antrag beim Wirtschaftsministerium eingereicht.

Aber was bedeutet das? Wozu ist ein Sonderlandeplatz gut? Und warum benötigen die Piloten den überhaupt? Das erklärt Peter Schmitt, Vizepräsident des Aero-Clubs Saar: „Der Marpinger Flugplatz ist momentan als Segelfluggelände zugelassen.“ Auf dem dürfen Segelflugzeuge sowie eigenstartfähige Motorsegler starten und landen. Aber auch Schleppflugzeuge, sprich Motormaschinen mit Schleppvorrichtung, haben die Berechtigung, auf dem Platz abzuheben – solange sie genutzt werden, um ein Segelflugzeug in die Luft ziehen.

„Wenn ein Pilot mit einem Motorflugzeug hingegen etwa zu einem Schnupperflug aufbrechen will, benötigt er eine Sondergenehmigung. Das Gleiche gilt auch für Ultraleichtflugzeuge“, erläutert Schmitt weiter. Bisher hat die saarländische Luftfahrtbehörde diese Erlaubnis immer erteilt. Allerdings muss der Aero-Club sie alle zwei Jahre neu beantragen. „Auf dieses Prozedere würden wir gerne verzichten. Deshalb wollen wir das Gelände zu einem Sonderlandeplatz umwidmen“, sagt der Vizepräsident. Er gibt dabei auch zu bedenken, dass der Flugplatz in Sachen Tourismus zunehmend an Bedeutung gewinne. So hätten Besucher des Center-Parcs am Bostalsee beispielsweise bereits seit einiger Zeit die Möglichkeit, Schnupperflüge zu buchen.

Segelflugplatz in Marpingen: Lauter Streit über leise Motoren
Foto: SZ/Müller, Astrid

Aus Gründen des Umwelt- und Lärmschutzes sind mit der Genehmigung zum Sonderlandeplatz aber auch einige Einschränkungen verknüpft. So ist bereits in dem Antrag festgelegt, dass in Marpingen nur Motorflugzeuge bis maximal zwei Tonnen zugelassen sind. Ausbildungsflüge dürfen zwar starten, ihre Übungen aber nicht über dem St. Wendeler Land abhalten. „Dazu müssen sie Richtung Saarlouis oder Rheinland-Pfalz fliegen“, erklärt Schmitt. Alle Maschinen, die nicht in Marpingen stationiert sind, brauchen auch weiterhin eine Sondergenehmigung. Gleichzeitig ist die Anzahl der Landungen von fremden Maschinen auf fünf pro Tag begrenzt. Zu guter Letzt wird mit einer Genehmigung als Sonderlandeplatz die Zahl der Landungen von Motorflugzeugen auf 600 pro Jahr (inklusive der Fremdlandungen) begrenzt. „Momentan gibt es keine Beschränkung“, stellt Schmitt klar und präsentiert die Flugzahlen.

Diese beweisen, dass auch in der Vergangenheit bereits 300 bis 600 Motorflugzeuge pro Jahr auf dem Marpinger Gelände gelandet sind. So gab es im Jahr 2019 insgesamt 4710 Flugbewegungen, davon 311 Landungen mit Motorflugzeugen. Im Jahr 2018 waren es 4014 Flugbewegungen, davon 542 Landungen mit Motorflugzeugen. Schmitt betont: „Durch eine Hochstufung zum Sonderlandeplatz wird sich hinsichtlich des Flugbetriebes also kaum etwas ändern.“

Das sehen jedoch nicht alle so. Die Mitglieder des Tholeyer Gemeinderates haben in ihrer jüngsten Sitzung einstimmig rechtliche Bedenken gegen die beantragte Genehmigung zum Sonderlandeplatz geäußert. In einem Antrag forderte die CDU-Fraktion, die Zulässigkeit des Verfahrens nach Paragraf acht der Luftverkehrsordnung zu prüfen – mit einem Planfeststellungsverfahren. Dieses wird in der Regel bei größeren Infrastruktur-Vorhaben angewandt, die eine Vielzahl von öffentlichen und privaten Interessen berühren. Es befasst sich unter anderem mit deren Einordnung in die Fläche und Umwelt. Das Wirtschaftsministerium hat sich aber für ein weniger aufwändiges Genehmigungsverfahren nach Paragraf sechs der Luftverkehrsordnung entschieden, an das eben kein Planfeststellungverfahren geknüpft ist. Auf Nachfrage der SZ wollte ein Ministerium-Sprecher dazu „aufgrund des noch laufenden Verfahrens“ keine weiteren Auskünfte erteilen.

Hinsichtlich der vom Tholeyer Rat ebenfalls geforderten Umweltverträglichkeitsprüfung gibt es jedoch bereits eine Entscheidung. Diese wurde im Amtsblatt des Saarlandes veröffentlicht. In der Ausgabe vom 16. Januar heißt es: „Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr hat die allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls für das Änderungsvorhaben (. . .) durchgeführt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass durch das Änderungsvorhaben keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten sind.“ Werde das Gelände zum Sonderlandeplatz hochgestuft, entstünden dadurch keine zusätzlichen Umweltverschmutzungen oder Belästigungen durch Fluglärm über den bisher genehmigten Umfang hinaus. „Von der Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung konnte (. . .) daher abgesehen werden.“

Die Mitglieder des Tholeyer Gemeinderates befürchten dennoch, dass der Sonderlandeplatz einen höheren Lärmpegel mit sich bringen wird. Die CDU-Fraktion nimmt in ihrem Antrag Bezug auf ein Schalltechnisches Gutachten, das auch der Saarbrücker Zeitung vorliegt. Darin zu finden, ist eine Karte mit markierten Orten. Für diese haben Gutachter den Dauerschallpegel berechnet, der die Lärmbelastung bei einer Hochstufung zum Sonderlandeplatz prognostiziert. „Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass das Gebiet der Gemeinde Tholey in die Karte keine Aufnahme gefunden hat, obwohl die Schlepprouten in der Praxis im Wesentlichen über das Gebiet der Gemeinde Tholey geführt werden“, heißt es vonseiten der Christdemokraten.

In der Tat sind in dem Gutachten überwiegend Werte von Orten in Marpingen aufgelistet, die wohlgemerkt alle unter dem Orientierungswert liegen. Ein Beispiel. Für „Hinter der Kirche 54“ haben die Gutachter den höchsten Dauerschallpegel errechnet. An Sonn- und Feiertagen seien hier 53 dB(A) zu erwarten, das entspricht in etwa einem Radio auf Zimmerlautstärke. Zum Vergleich: Der Orientierungswert liegt bei 60 dB(A), was der Lautstärke eines Rasenmähers entspricht. Für den Ortsrand Tholey kamen die Experten im gleichen Zeitraum auf einen Wert von 42 dB(A), hier liegt der Orientierungswert bei 55 dB(A).

Und warum haben die Experten nicht noch weitere Plätze in Tholey in ihr Gutachten aufgenommen? Das wird deutlich, wenn man sich die im Dokument angegeben Flugrouten betrachtet. Die führen demnach nämlich – entgegen der Behauptung der Christdemokraten – nicht über die Gemeinde Tholey (siehe Infografik). Dennoch erklärt die CDU-Fraktion: „Die Erfahrung der Vergangenheit hat gezeigt, dass die im technischen Gutachten angegebenen Schlepprouten beziehungsweise die Platzrunden selbst von den bisher ortskundigen Piloten nicht immer eingehalten werden.“

Der Vizepräsident schüttelt über solche Aussagen nur den Kopf. Er kann nicht nachvollziehen, warum die Tholeyer Kommunalpolitiker dem Aero-Club Steine in den Weg legen möchten. Schmitt verweist auf den Marpinger Gemeinderat. Denn auch dessen Mitglieder haben sich bereits mit dem Thema auseinandergesetzt. Sie äußerten keine Bedenken gegen die Hochstufung zum Sonderlandeplatz (einstimmig, eine Enthaltung), obwohl die Motorflug- und Segelflug-Platzrunden offiziell über Marpingen liegen.

Dieses Ergebnis und noch eine weitere Tatsache stimmen Schmitt immerhin etwas zuversichtlich. Er erklärt: „Letztendlich entscheidet die Abteilung Verkehr (Referat Luftfahrt) des Wirtschaftsministeriums über die Genehmigung. Die Gemeinden haben lediglich ein Anhörungsrecht.“ Der Vizepräsident gibt daher die Hoffnung nicht auf, dass der Antrag bis Mitte September durch sein wird. Dann soll die zweite Auflage der Veranstaltung „Oldtimer Luft trifft Oldtimer Straße“ stattfinden. „Es wäre ganz toll, wenn wir gleichzeitig auch die Einweihung des Sonderlandeplatzes feiern könnten“, malt sich Schmitt ein positives Ende aus.

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