Organspende Organspende: Ein Leben auf der Warteliste

Marpingen · 97 Menschen hoffen derzeit im Saarland auf ein Spenderorgan. Ina Schafbuch ist eine von ihnen. Die Marpingerin braucht eine neue Niere.

 Seit 18 Monaten schließt sich Ina Schafbuch jeden Abend an die Dialyse-Maschine an.

Seit 18 Monaten schließt sich Ina Schafbuch jeden Abend an die Dialyse-Maschine an.

Foto: B&K/Bonenberger/

Die Maschine neben ihrem Bett ist eine treue Gefährtin. Wenn sie abends den Betrieb aufnimmt, begrüßt sie Ina Schafbuch. In schwarzen Lettern erscheint der Schriftzug „Guten Tag“ auf dem Bildschirm. Die Marpingerin wartet einen Augenblick, hängt einen Beutel mit durchsichtiger Flüssigkeit an  den Infusionsständer, befestigt daran einen Schlauch und schließt den Adapter an. Jeder Handgriff sitzt. Das muss er auch. Denn das Leben der Nierenkranken hängt davon ab.

Seit 18 Monaten reinigt sie ihr Blut zuhause mittels einer sogenannten Peritonealdialyse. „Ich bin froh, dass ich nicht drei Mal pro Woche in ein Dialyse-Zentrum fahren muss. Das wäre der Horror für mich“, sagt sie. Die Heimbehandlung ermögliche es ihr, ein relativ normales Leben zu führen. So kann Schafbuch weiterhin in ihrem Optik-Laden arbeiten, Freunde treffen und Tennis spielen. „Beim Sport gehe ich zwar nicht mehr an meine Grenzen, aber Spaß habe ich trotzdem“, erzählt sie. Der vollgepackte Alltag helfe, die Krankheit zu vergessen. Er mache das Warten auf ein Spenderorgan erträglicher.

Im Saarland teilen 97 Menschen ein ähnliches Schicksal. Bundesweit hoffen sogar mehr als 10 000 Patienten auf Ersatzorgane. Doch die sind Mangelware. Erst kürzlich hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) Alarm geschlagen. Nur 797 Spender waren es im vergangen Jahr, 60 weniger als 2016 und 403 weniger als 2011. Schätzungen zufolge sterben jeden Tag drei Patienten, weil für sie nicht rechtzeitig ein passendes Organ verfügbar ist. Die Ursache dafür sieht Schafbuch in erster Linie in der Politik. „Man kommt sich so vergessen vor. Niemand fühlt sich für das Thema verantwortlich“, sagt sie. Selbstmitleid klingt nicht mit. Schafbuch ist vielmehr wütend darüber, dass nur 35 Prozent der Bundesbürger einen Organspendeausweis besitzen.

Sie fordert daher, endlich das Transplantationsgesetz in Deutschland zu ändern und die Widerspruchsregelung einzuführen. Wer sich nicht ausdrücklich dagegen entscheidet, wäre dann automatisch ein potenzieller Organspender. Diese Regelung gilt beispielsweise in Spanien. Dort warten Nierenkranke etwa 24 Monate auf ein Organ. In Deutschland sind es im Schnitt sechs bis acht Jahre.

Schafbuch befürchtet, dass sie sich fast doppelt so lange gedulden muss. „Die Ärzte sagen das nicht. Aber ich weiß es“, erklärt sie. Da ihr Zustand stabil ist, steht sie auf der Organspenderliste nicht sonderlich weit oben. Außerdem ist die Nachfrage nach Nieren in der Bundesrepublik mit 8000 Patienten besonders hoch. „Darüber mache ich mir schon Sorgen.“ Die 59-Jährige befürchtet, irgendwann aufgrund des Alters nicht mehr fit genug für eine Operation zu sein. „Aber man darf sich da nicht hineinsteigern“, beendet Schafbuch diese Gedanken. Sie will ihr Leben genießen. Kraft gibt ihr dabei vor allem die Familie. Ihr Mann und die beiden Kinder sind für sie ein unverzichtbarer Rettungsanker. An dem sie sich schon oft festgeklammert hat. Nicht nur zu Beginn der Krankheit.

Die trat vor 22 Jahren auf. Während der Schwangerschaft. „Mein Blutdruck ist immer wieder in die Höhe geschossen“, erinnert sich Schafbuch an die ersten Symptome. Nach der Geburt ihrer Tochter erlitt sie eine Vergiftung, ihre Nieren versagten. Zwei Tage lang schwebte die frisch gebackene Mutter in Lebensgefahr. Spezialisten in der Homburger Uniklinik behandelten die Krankheit mit blutdrucksenkenden Mitteln. Obwohl eine Niere gar nicht mehr arbeitete und die Leistung der zweiten stark eingeschränkt war, blieb Schafbuch die Dialyse zunächst erspart.

Im Jahr 2016 verschlechterte sich ihr Zustand jedoch dramatisch. Die Ärzte rieten zur Lebendspende. „Mein Mann hat sich sofort dazu bereiterklärt“, sagt die Marpingerin. Die ersten Tests lieferten durchweg positive Ergebnisse. Einer Transplantation schien nichts im Wege zu stehen. Erst die letzte Untersuchung ergab dann allerdings: Die Niere ist ungeeignet.

Wenig später erlitt Schafbuch einen heftigen Krampfanfall. Im September desselben Jahres mussten die Ärzte sie daher erstmals an die Peritonealdialyse anschließen. Sie nutzt das Bauchfell als körpereigenen Filter, um das Blut zu reinigen. Patienten können diese Behandlung selbstständig zuhause ausführen. Schafbuch hat einen Katheter im Bauchraum, über den die Dialyse-Lösung in ihren Körper fließt. Während sie schläft, ist sie an die Maschine angeschlossen. Diese steuert den Wechsel der Dialyse-Lösung, übernimmt Messungen und dokumentiert alles auf einer Chipkarte. Die wertet der Arzt später aus.

Etwa sieben Jahre lang kann Schafbuch diese Art der Dialyse nutzen. Länger hält das Bauchfell der Belastung in der Regel nicht Stand. Was, wenn sich in dieser Zeit kein passendes Organ findet? „Dann muss ich zur Blutwäsche in ein Dialyse-Zentrum“, antwortet Schafbuch, ohne zu zögern. „Außerdem habe ich dann immer noch die Option einer Lebendspende.“ Fest steht, dass ihr Sohn oder ihre Tochter dafür in Frage kommen. Beide würden es tun. Doch Schafbuch gibt die Hoffnung auf eine passende Spenderniere nicht auf. Noch habe sie schließlich ein paar Jahre Zeit.

Dass ihr Leben momentan von der Maschine in ihrem Schlafzimmer abhängt, verdrängt die 59-Jährige. „Das darf man sich nicht vor Augen führen, sonst wird man verrückt.“ Sie versucht, die Blutwäsche als etwas ganz Gewöhnliches zu sehen. Ein Ritual wie Zähneputzen. Die Maschine gehört mittlerweile einfach dazu. Wie eine treue Gefährtin begleitet sie Schafbuch Tag für Tag auf dem langen Weg  in ein neues Leben.

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