Jetzt spürt er wieder den Lebens-Atem

Marpingen · Auf der Flucht vor Krieg und Gewalt kommen dieser Tage zahlreiche Flüchtlinge im St. Wendeler Land an. Der Migrationsdienst der Caritas hat es überwiegend mit Menschen aus Syrien und Eritrea zu tun. In loser Folge beschäftigt sich diese SZ-Serie mit dem Schicksal der Flüchtlinge. Heute geht es um Muhammed Swed aus Damaskus.

 Muhammed Swed ist syrischer Journalist. Foto: Bohlander

Muhammed Swed ist syrischer Journalist. Foto: Bohlander

Foto: Bohlander

Bilder voller Grauen hat Muhammed Swed gesehen. Der syrische Journalist floh übers Mittelmeer nach Deutschland. Auf See hat er Schreckliches erlebt: Er wurde Zeuge, wie ein Boot mit Flüchtlingen versenkt wurde. Um ihn herum trieben Tote aus gesunkenen Booten. Zwei Wochen lang war er unterwegs - von Afrika nach Europa. 2000 Dollar kostete die Überfahrt. Nochmals 300 kamen für die Zugfahrt nach Deutschland hinzu.

"Dies ist ein starkes und freies Land", so Muhammed Swed, "hier gibt es Gesetze, die auch gut für Journalisten sind". Als Kritiker der Assad-Regierung hatte er die volle Härte des autoritären Regimes in Syrien kennengelernt. Sieben Tage musste er ins Gefängnis, weil er über Missstände berichtete. Zuvor wurde er über Monate täglich verhört. Dann gelang ihm die Flucht aus Damaskus , die ihn zuerst in den Libanon führte und von dort nach Ägypten. Das war 2012. Zwei Jahre verbrachte er in Ägypten, "ich kannte dort niemanden", berichtet er. Auch von dort musste er schließlich fliehen.

Seit etwa vier Monaten lebt er nun im Saarland, knapp 20 Tage im Flüchtlingslager in Lebach. Mittlerweile in Marpingen . Er ist inzwischen auch als Flüchtling anerkannt. "Viele kommen hierher, um noch Lebens-Atem zu spüren", erklärt er. Bei Telefonaten mit Zurückgebliebenen hört er im Hintergrund noch immer Bomben, die detonieren, Häuser und Menschen zerstören. "Das ist kein Krieg, das ist eine Revolution", fasst er seine Meinung über den politischen Zustand in seiner Heimat zusammen. Ein Syrien ohne Baschar al-Assad müsse das Ziel sein. Zu viele seien bereits für das Wort "Freiheit" gestorben.

Der 32-Jährige ist auf Reportagen spezialisiert, hat in seinem alten Leben für die Zeitung "Syria News" und für den Sender "Good Morning Syria" berichtet. Mit Berufskollegen arbeitete er an der Plattform saladingate.com, die noch immer betrieben wird. In Deutschland möchte er schnellstmöglich in die Schule gehen, weiter lernen, die deutsche Sprache etwa. Zurzeit verständigt er sich mit sehr gutem Englisch.

Als Ziel gibt er an, auf Master im Fach Journalismus studieren zu wollen. "Ich muss unparteiisch sein", sagt er. Auch wenn dies wegen der politischen Lage schwer sein dürfte. In Deutschland sei man als Flüchtling nicht immer gerne gesehen. Auf Vorbehalte reagiert er mit einer Gegenfrage: "Warum sollte man Leuten etwas antun, die vor Assad oder dem Islamischen Staat (IS) flüchten?"

Seine Verlobte hat er seit mehr als anderthalb Jahren nicht mehr gesehen, ein Teil seiner Familie ist noch in Damaskus . Seine Schwester lebt in der Türkei, ihr Mann sitzt dort im Gefängnis. Viel konnte Muhammed Swed auf seiner Flucht nicht mitnehmen. Einige seiner Artikel und viele Fotos konnte er jedoch retten. Fotos, die das Ausmaß des Krieges dokumentieren. "Ich wette, wenn die Menschen die Fotos sehen, müssen viele weinen", sagt er. Nichtsdestotrotz ist er sich sicher: "Ich glaube, es ist sehr wichtig, die schlimmen Dinge zu zeigen".

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