Marpinger Organist berichtet von seinen Erfahrungen Corona macht der Kirchenmusik zu schaffen

Marpingen/Trier · Regionalkantor Sebastian Benetello berichtet, wie in Marpingen die Messen pandemiegerecht musikalisch gestaltet werden.

 Regionalkantor Sebastian Benetello ist  Organist und Chorleiter von Maria Himmelfahrt in Marpingen.

Regionalkantor Sebastian Benetello ist  Organist und Chorleiter von Maria Himmelfahrt in Marpingen.

Foto: Andreas Diegler

Seit mehr als 30 Jahren singt Sabine Müller im Kirchenchor in Marpingen. Dass die Corona-Pandemie Chorproben unmöglich machen, trifft die 47-Jährige sehr: „Das gemeinsame Singen fehlt mir massiv. Ich spiele auch noch Querflöte im Orchester, das nun auch nicht mehr proben kann. Da sind mir auf einen Schlag die Hobbys weggebrochen“, sagt Müller. Wie ihr gehe es vielen Chorfreunden, die neben der Musik auch das soziale Miteinander als Gruppe vermissten. „Zu einzelnen Personen habe ich seit Corona nur noch sporadisch Kontakt, das fehlt enorm.“

Zum Glück muss die Marpingerin jedoch nicht vollständig auf das Singen verzichten, denn seit ihrer Ausbildung zur Kantorin beim Bistum Trier ist sie jeden zweiten Sonntag bei der Gestaltung der Gottesdienste aktiv. „Bis zu fünf Personen können einen Gottesdienst musikalisch gestalten“, sagt Regionalkantor Sebastian Benetello, der zugleich Organist und Chorleiter von Maria Himmelfahrt in Marpingen ist. Diesen kleinen Spielraum nutzten seine Kollegen und er so kreativ wie möglich: Durch Instrumentalisten und Gesangssolisten bis hin zu kleinen Scholen, die sie an der Orgel begleiten. Der Einsatz in der Schola verlange den Sängern viel ab: „Sie sitzen in der Kirche mit Abstand zueinander, es ist kein akustischer Kontakt zu den Mitsängern möglich“, nennt Benetello eine große Hürde.

 Auch der Chorgesang und damit die Geselligkeit leidet unter der Pandemie.

Auch der Chorgesang und damit die Geselligkeit leidet unter der Pandemie.

Foto: picture alliance / dpa/Angelika Warmuth

In der Krise habe der Stellenwert des Kantorengesangs zugenommen, sagt der Leiter der Bischöflichen Kirchenmusikschule Trier, Matthias Balzer: „Hat man davor diese Art der Gottesdienstgestaltung als etwas verstaubt betrachtet und galt der Gottesdienst nur dann als ,besonders‘, wenn Chor und Orchester aufgetreten sind, wissen die Leute den Kantorengesang nun sehr zu schätzen.“ Doch durch die Coronakrise sei die kirchenmusikalische Ausbildung fast ganz zusammengebrochen. „Wir versuchen, die Leute noch zur Prüfung zu bringen, aber es ist fraglich, wann wieder Gesangsunterricht möglich sein wird“, sagt Balzer. Die Zahl der Neuanmeldungen liege nur noch bei einem Drittel der Vorjahre.

Balzers Einschätzung nach gehen die Kirchenchöre unterschiedlich mit der Situation um. Digitale Proben gebe es nur wenige, da das synchrone Singen über Videoplattformen technisch nicht möglich sei. Aber manche nutzten die Möglichkeit zur Kontaktpflege. Als nach dem ersten harten Lockdown Gottesdienste und auch Chorproben unter Auflagen möglich waren, plante Regionalkantor Benetello die Proben gemäß dem Schutzkonzept. Er teilte den Chor in sechs Einzelgruppen mit maximal zehn Personen, es gab Einbahnregeln und Lüftungspausen, die Sänger saßen auf Abstand und jedes Mal am gleichen Platz. „Es wäre schwierig für die Sänger gewesen, aber trotzdem wäre es gelungen“, ist der 35-Jährige überzeugt.

Doch diese Pläne seien wieder „ziemlich schnell vom Tisch“ gewesen, gerade dann, als auch der Gemeindegesang zunächst stark eingeschränkt, dann komplett verboten wurde. Von der Möglichkeit, online zu proben, sei er nicht überzeugt: „Für das, was es soll, nämlich zum Einstudieren der Chorliteratur, bringt es zu wenig“, sagt Benetello. „Es ist auch nicht barrierefrei“, gibt er zu bedenken. Das betreffe nicht nur die älteren Chormitglieder ohne Internetanschluss, auch bei Jüngeren sei das Netz oft nicht stark genug. Keine Möglichkeit zu proben, bedeutete im vergangenen Jahr auch das Aus für die geplante Aufführung des Mozart Requiems.

Rund 24 000 Menschen seien allein im Bistum Trier ehrenamtlich in Chören oder als Instrumentalisten engagiert, sagt Matthias Balzer. Sei schon vor Corona die Anzahl der aktiven Chorsänger rückläufig gewesen, werde die Pandemie diese Entwicklung beschleunigen, glauben Balzer und Benetello. Beide schätzen, dass rund 20 Prozent der Chöre die Krise nicht überleben werden. „Da wird uns ganz massiv etwas wegbröckeln“, sagt Balzer. Und Benetello gibt zu bedenken: „Beim Singen gilt: Wer rastet, der rostet. Singen ist Muskeltraining. Wer über einen langen Zeitraum nicht singt, dem fällt der Wiedereinstieg schwerer. Das betrifft insbesondere ältere Menschen, deren Muskeln altersbedingt erschlaffen.“

Doch gebe es Hilfen vom Bundesmusikverband Chor und Orchester, dem Dachverband der Amateurmusik in Deutschland, der die Interessen von 14 Millionen Menschen vertritt, die in ihrer Freizeit musizieren. „Dort gibt es das Projekt Neustart Amateurmusik, für das sich Chöre um professionelle und finanzielle Unterstützung bewerben können, wie der Probenbeginn nach über einem Jahr Pause wieder anlaufen kann“, erklärt Balzer. So bekommen die teilnehmenden Chöre einen Berater zur Seite gestellt, der bei der Analyse hilft, welche Projekte sich noch sinnvoll mit den vorhandenen Sängern umsetzen lassen und wie Hygienekonzepte für die Proben aussehen können.

zur Ausbildung zum Kantor gibt es unter der Telefonnummer (06 51) 7 10 55 08. Bewerbung für das Projekt „Neustart“ im Internet:

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