Fahrräder für Ungarn bestimmt

Urexweiler. Es ist spät geworden im Jahr 2008. Der Sommer hat sich davongestohlen und die Menschen im Land auf buntem Laub, das derzeit selbst von Birnbäumen herabrieselt, sitzen lassen - Herbst in Deutschland. Traditionell ist das die Zeit, in der die Urexweiler Ungarnfahrer eines ihrer drei jährlichen "Hilfspakete" auf Reisen schicken

 Die Ungarnfahrer an ihrem Lastwagen: Werner Scheid und Lothar König (unten, von links) und Tobias Fuchs, Peter Schmitt und Ulli Schorr (oben, von links). Foto: Thorsten Grim

Die Ungarnfahrer an ihrem Lastwagen: Werner Scheid und Lothar König (unten, von links) und Tobias Fuchs, Peter Schmitt und Ulli Schorr (oben, von links). Foto: Thorsten Grim

Urexweiler. Es ist spät geworden im Jahr 2008. Der Sommer hat sich davongestohlen und die Menschen im Land auf buntem Laub, das derzeit selbst von Birnbäumen herabrieselt, sitzen lassen - Herbst in Deutschland. Traditionell ist das die Zeit, in der die Urexweiler Ungarnfahrer eines ihrer drei jährlichen "Hilfspakete" auf Reisen schicken. Für Siegbert Klemm, quasi Chef-Organisator der Paket-Verschickung, bedeutet das gesteigerte Geschäftigkeit. Doch nicht im Moment, denn vor wenigen Augenblicken meldete sich der Fahrer des Lastkraftwagens, der die Waren nach Ungarn befördert. "Der Lkw wird sich leider etwas verspäten", erklärt Sig. Unter diesem Namen ist der Schnauzbart-Träger in seinem Heimatort, den er ironisch und doch liebevoll als "Bad Urexweiler" bezeichnet, bekannt. Der Sattelzug kommt später, weil das Abladen in Frankreich länger dauerte als geplant. Paris ist das eigentliche Ziel des 40-Tonners. Auf dem Rückweg macht er in Urexweiler Station und nimmt, statt leer zurückzufahren, die Hilfsgüter mit. Aber nicht für Gotteslohn - 1600 Euro kostet eine Ungarnfahrt. "Größtenteils finanziert über Spendengelder", erklärt Klemm. Mehr als 60 Fahrten waren es bisher. 1990 war das Jahr, in dem die erste Ungarnfahrt rollte. Klemm wird sie nie vergessen, denn damit verbindet er ein trauriges Ereignis. Und einen Namen: Paul Ottenbreit. "Paul war mein Freund. Und er war es, der das Ganze damals vorangetrieben hat. In den Achtzigern waren wir ein paar Mal am Plattensee in Urlaub, und Paul, der öfter im Hinterland unterwegs war, hat immer gesagt: Da sieht es aus, wie in Saarbrücken nach dem Zweiten Weltkrieg. Sig, da müssen wir helfen", erinnert sich der 68-Jährige an die Worte seines Freundes. "Als er die erste Hilfsfahrt schließlich komplett organisiert hatte, und es eine Woche später losgehen sollte, fiel Paul von einer Leiter und war tot", erzählt Klemm mit leiser Stimme, und seine Augen bekommen einen feuchten Glanz. "Ich habe ihm dann am Grab versprochen, dass ich seine Idee weiterführen werde, so lange ich kann." 18 Jahre sind es bislang geworden, "und fünf Jahre werde ich wohl noch weitermachen", schätzt der Urexweiler. "Aber das habe ich vor zehn Jahren auch schon gesagt."Zuneigung ungebrochen Ein bisschen Stolz empfindet Klemm, wenn er sieht, was sich inzwischen aus den Ungarnfahrten entwickelt hat. Denn seit 1999 ist das Ziel der Hilfsfahrten, das Städtchen Simontornya, Partnerstadt der Gemeinde Marpingen. Und trotz der 1200 Kilometer, die zwischen den beiden Partnern liegen, ist ihre gegenseitige Zuneigung ungebrochen. Dann ein Anruf: Der Lkw ist da. Vor "Müllersch Haus" hat der Fahrer den Sattelzug geparkt. Dort, neben dem Gasthaus Zapp, ist das Lager der Ungarnfahrer. "Das hat uns die Gemeinde überlassen. Überhaupt unterstützen uns Bürgermeister Werner Laub und Ortsvorsteherin Margret Geiger, wo sie nur können", sagt Klemm, der sich beim Foto-Termin schüchtern zeigt: "Ich will nicht auf das Bild, fotografier lieber die Leute, die etwas arbeiten." Und das sind die, die den Laster beladen. Fahrräder sind derzeit der Renner, Medikamente, Gehhilfen oder Kleider Standard. Insgesamt 25 Tonnen Hilfsgüter werden dieses Mal nach Simontornya geschickt. tog

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