Marpingen Marpingen war auf „Johanna“ getrimmt

Marpingen · Vier Bronzemedaillen holte die Biathletin Johanna Recktenwald beim Para-Weltcup. In der Heimat wurde sie wie eine Weltmeisterin empfangen.

 Freunde, Verwandte und Nachbarn empfingen in Marpingen die vierfache Bronzemadaillengewinnerin Johanna Recktenwald.

Freunde, Verwandte und Nachbarn empfingen in Marpingen die vierfache Bronzemadaillengewinnerin Johanna Recktenwald.

Foto: Frank Faber

Am Donnerstag war die Straße Im Kimp in Marpingen total auf „Johanna“ getrimmt. Gehisste Deutschlandfahnen wehten mit dem Wind, mehr als 30 Menschen säumten im Dauerregen den Straßenrand, um Johanna Recktenwald einen triumphalen Empfang zu bereiten. Die 17-Jährige hatte beim Para-Weltcup im finnischen Vuokatti vier Bronzemedaillen im Biathlon und Langlauf abgeräumt. Verwandte, Bekannte, Freunde und die ganze Nachbarschaft, alle waren gespannt auf ihre Ankunft, doch die verschob sich um zwei Stunden. „Johannas Mutter hat gerade angerufen, der Flug von Helsinki nach Frankfurt/ Main hat Verspätung“, informierte Bärbel Zägel die Menschengruppe. Doch die wartete. Vertieft in Gespräche mit Kaffee und Glühwein, ungeduldig wie kleine Kinder am Heiligabend auf das Christkind. „Ihre Mutter holt Johanna um 14.36 Uhr am Bahnhof in St. Wendel ab“, vermeldete Zägel weiter. Fahnenträgerin Brigitte Frank bewegte sich darauf zum Anfang der Straße.

15.01 Uhr, endlich, es ist soweit: Mutter Anne Recktenwald bog mit Tochter Johanna in die Straße ein, und das Fahrzeug wurde von der vorauslaufenden Flaggenschwenkerin Frank bis zur Hausnummer 18 eskortiert. Gerade mit einem Bein aus dem Auto ausgestiegen, wurde  die Top-Sportlerin sofort umarmt, daraufhin gratulierte ihr eine Menschenschlange zum Erfolg, alle drückten ihr eine Rose in die Hand, und obendrein gab es Blumensträuße. „Damit habe ich nicht gerechnet, ich freue mich riesig“, sagte die sichtlich gerührte Para-Biathletin. Elf Tage hatte sie den Heimatort Marpingen verlassen und kehrte nun mit dem größten Erfolg in der noch jungen sportlichen Laufbahn zurück. Und das als Flachländerin in einer Wintersportart. „Das ist völlig exotisch, bei dem Schnee den wir hier haben“, meinte Karl-Heinz Wagner, Vorsitzender von den Lauftreff-Freunden Marpingen (LTF).

In Vuokatti nahm die Marpinger Gemeinschaftsschülerin an ihrem ersten Auslandsweltcup teil. „Bundestrainer Ralf Rombach war sehr zufrieden mit meiner Leistung. Ich habe die Norm für den C-Kader erfüllt und bin nun ein Teil der Nationalmannschaft“, berichtete Johanna. Bei Minustemperaturen bis teilweise 13 Grad landete sie über die zehn Kilometer Biathlonstrecke, beim Sechs-Kilometer-Verfolgerrennen, im Langlaufsprint sowie über die Kurzstrecke jeweils auf dem dritten Platz. Diese Leistung ist umso höher einzuordnen, da sie die Sportart auf dem flachen Land erst seit drei Jahren ausübt. Die Handicap-Biathletin mit einem Sehrest von nur drei Prozent geht mit einem Begleitläufer an den Start und auf die Scheiben schießt sie mit einem Akustik-Lasergewehr. „Je höher der Piepston, desto näher ist man am Ziel dran“, erklärte Johanna. Mit 19 von 20 möglichen Treffern setzte sie über die Zehn-Kilometer-Biathlonstrecke die Bestmarke im Schießen, den Sprint beendete sie gar ohne Fahrkarte.

„Jetzt freue ich mich jetzt auf die Zeit, um Weihnachten mit der Familie zu genießen“, sagte Johanna rückblickend auf den Wettkampfstress. Darauf scherzte ein Nachbar: „Kugeln braucht ihr keine an den Baum zu hängen, du hast ja genug Medaillen mitgebracht“. Im Januar will Johanna dann bei den Deutschen Meisterschaften in Isny/Allgäu gut abschneiden. „Bis dahin trainiere ich auf Skiroller, die simulieren das Skifahren ganz gut“, weiß sie.

Konditionell bereitet sich die Biathletin seit einem Jahr bei den Lauftreff-Freunden auf die Wettkämpfe im Schnee vor. „Ihr Training geschieht in Absprache mit Landestrainer Peter Steffens“, teilte der LTF-Vorsitzende Wagner mit. Mehrere Betreuer stelle die Laufgruppe für Johannas Übungseinheiten auf der Tartanbahn im Marpinger Stadion und über die Bahntrasse ab. „Sie ist in der Leistungsgruppe drin, die die zehn Kilometer in der Zeit von einer Stunde laufen“, so Wagner weiter. Nach einer halben Stunde endete „Im Kimp“ die herzliche Gratulationskur mit „ihrer Johanna“. Mama Anne schleppte noch die 1,85 Meter langen Skibretter in die Garage und Johanna verschwand mit der Familie im Haus.

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