Jetzt ist mir jeder Sitzplatz sicher

Ich freue mich über alle Maßen auf 2016. Kaum in Worte zu fassen. Es kann einfach nur besser kommen. Einfach alles: mehr Höflichkeit, mehr Respekt, mehr Hilfe. So jedenfalls deute ich jene Vorboten, welche mir dieser Tage kurz vor Jahreswechsel in einem hiesigen Geschäft zuteil wurden.Eine Verkäuferin um die 20, emsig beschäftigt, Waren in Regale zu räumen, findet trotz ihrer immensen Arbeit Zeit, mich zu bedienen.

Nachdem ich eine Weile hinter ihr stand. Schweigend beobachtete, wie sie sich plagte, viel zu viele Schachteln in ein zum Bersten bepacktes Regal zu pressen, während ein um die andere Kartonage seitwärts zu Boden platschte. Ich tat so, als wollte ich sie bloß nicht stören. Mit trippelndem Fuße. Und räuspernden Zwischentönen. Trotz meiner Unauffälligkeit wurde sie auf mich aufmerksam. Muss mich hinterrücks gespürt haben. Sie drehte sich in gebückter Haltung um, warf mir einen recht genervten Blick zu, der sich allmählich zu einem Schulbuch-Lächeln formte. Um, weiterhin kniend, resolut nach meinem Begehr zu fragen. Meinen Wunsch geäußert, griff sie zum Mobiltelefon in ihrer Kitteltasche. Ich war in der falschen Abteilung gestrandet, wie sie mir mit einem oscarreifen Augenrollen unmissverständlich klarmachte. Und nun auch ihrem Kollegen am anderen Ende der Leitung. In einer Lautstärke, die in dem überschaubaren Laden das Telefon obsolet erscheinen ließ. Dem Mitarbeiter - ich entdeckte ihn nur wenige Meter weiter an einem Bedienpult - schmetterte die Dame akzentuiert entgegen: "Hier steht ein alter Mann und braucht etwas!" Der 45-Jährige - ich! - runzelte die ohnehin ob des fortgeschrittenen Alters in argen Falten liegende Stirn. Um stante pede positiv zu schlussfolgern: Kommendes Jahr wird alles besser. Denn mir, dem gebrechlich alten Kerl, werden die Menschen unaufgefordert in einem besetzten Bus mitleidig ihren Platz räumen. Welch traumhafte Aussichten.

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