Jubiläumsfeier für eine Glocke

Selbach. Treppen führen nicht in den Turm der viele hundert Jahre alten Kathreinenkapelle in Selbach. Die Wohnstube und die Schlafstube, in der einst Eremiten ihre Bleibe hatten, sowie der Glockenstuhl mit der Anthoniusglocke sind nur über Leitern zu erreichen. Die stellte Ortsvorsteher Alois Wilhelm vor einigen Tagen an, um in "höhere Regionen" steigen zu können

 Alois Wilhelm. Foto: SZ

Alois Wilhelm. Foto: SZ

Selbach. Treppen führen nicht in den Turm der viele hundert Jahre alten Kathreinenkapelle in Selbach. Die Wohnstube und die Schlafstube, in der einst Eremiten ihre Bleibe hatten, sowie der Glockenstuhl mit der Anthoniusglocke sind nur über Leitern zu erreichen. Die stellte Ortsvorsteher Alois Wilhelm vor einigen Tagen an, um in "höhere Regionen" steigen zu können. Helfer reichten ihm Kabel und Lampen hoch. Anlass war der Besuch des Nohfelder Bürgermeisters Andreas Veit, des Historikers Johannes Naumann und des stellvertretenden Vorsitzenden des Heimat- und Verkehrsvereins Selbach, Werner Backes. Sie stiegen über die Leitern bis fast unter die Laterne des Turms, um der uralten Anthoniusglocke einen Besuch abzustatten. Die betagte Dame, die unter dem geschweiften Pyramidendach aufgehängt ist und nur noch selten läutet, wird nämlich in einigen Monaten 500 Jahre alt und soll deshalb einmal so richtig gefeiert werden. Die Glocke stammt von dem Glockengießermeister Diderich Wolf aus Prüm-Weinsfeld. Der Selbacher Lehnsherr Adam von Sötern (1462 - 1520) bestellte sie 1509 bei ihm für die Kathreinenkapelle. Der Historiker Meinrad Maria Grewenig schreibt über die Glocke: "Der halbmannshohe Glockenkörper kündet mit seiner strengen Form und den gliedernden Profilierungsringen bereits die Renaissance an. Die Minuskelinschrift am oberen Rand weist in die Gothik zurück." Diese Inschrift lautet: "anthoni heis ich diderich wolf von proeme goeis mich anno MCCCCCIX". Die Glocke ist dem heiligen Antonius, dem Patron der Haustiere und dem Nothelfer bei Feuersbrünsten, geweiht und zählt zu den ältesten Läutwerken im weiten Umkreis. Im Saarland ist die Glocke das einzige bekannte Werk des Prümer Meisters. Die Besucher im Glockenturm, dem ältesten Teil des Kirchleins, umgab ein Hauch von vielen hundert Jahren Geschichte. Über ausgelegte Bretter konnten sie rund um den Glockenstuhl gehen und das gute alte Stück von allen Seiten betrachten. "Die Aufhängung der Glocke muss erneuert werden", sagte Ortsvorsteher Alois Wilhelm. "Sie ist nicht mehr in Ordnung. Das sieht man daran, dass der Klöppel schief hängt." Beeindruckt waren die Besucher auch von der Wohnstube in der ersten Etage des Turmes und dem darüber liegenden Schlafraum, in denen früher Eremiten ihre Zeit verbrachten. Von 1764 bis 1773 wohnte hier Bruder Sebastian Jensen aus der Abtei Tholey und von 1814 bis 1840 Bruder Johann. Die beiden Stuben, in denen noch ein Wandkamin zu sehen ist, sollen gesäubert und während des Jubiläumsfestes der Glocke für Besucher zugänglich gemacht werden. Für die Kapelle ist ein neuer Außenanstrich geplant. Der Selbacher Ortsrat hat sich schon mit dem Festprogramm beschäftigt. Demnach wird die Anthoniusglocke in der Silvesternacht geläutet. Vom 1. Januar bis 31. Dezember soll sie dann jeden Tag - wie in früherer Zeit - morgens, mittags und abends zu den Gebetszeiten erklingen.Das Läuten geschieht natürlich noch von Hand vom Vorraum der Kapelle aus. Die eigentlichen Glockenfesttage werden vom 9. bis 20. Juni gefeiert. Verbunden mit ihnen ist auch eine Bilderausstellung des Heimat- und Verkehrsvereins unter dem Titel "Fotoreise durch das 20. Jahrhundert". Im Laufe des Jahres sollen auch Wochentagsmessen und Abendandachten in der Kathreinenkapelle gefeiert werden. Ortsvorsteher Alois Wilhelm misst dem Glockenjubiläum eine große Bedeutung bei: "Die Kathreinenkapelle ist überall bekannt. Aber die Anthoniusglocke ist kaum noch im Bewusstsein der Menschen. Vielen wissen gar nicht mehr, dass dort oben im Turm ein echter historischer Schatz hängt." gtr

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