Interview mit Rettungsschwimmerin „Viele Badegäste überschätzen sich“

Regionalverband/St. Wendel · Eine Rettungsschwimmerin erklärt, wie sich Menschen unbewusst in Gefahr bringen und warum viele Unfälle vermeidbar wären.

 Die Rettungsschwimmer der DLRG überwachen die Badegäste am Strandbad in Gonnesweiler.

Die Rettungsschwimmer der DLRG überwachen die Badegäste am Strandbad in Gonnesweiler.

Foto: Evelyn Schneider

Bundesweit ertrinken jedes Jahr hunderte Menschen. Oftmals stufen sie ihre Schwimmfähigkeit nicht richtig ein und unterschätzen die Gefahren im Wasser. Auch am Bostalsee haben es die Mitglieder der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft (DLRG) immer wieder mit leichtsinnigen und übermütigen Badegästen zu tun. Kathrin Angnes, Sprecherin des DLRG-Landesverbandes, zieht eine erste Saisonbilanz und gibt Tipps für mehr Sicherheit im Wasser.

Frau Angnes, diesen Monat sind in Deutschland schon mehrere Menschen ertrunken. Warum gibt es in letzter Zeit so viele Badeunfälle?

Kathrin Angnes In den vergangenen Wochen ist tolles Wetter. Das lockt viele Menschen in die Bäder und an die Seen. Hinzu kommt, dass immer mehr Menschen nicht richtig schwimmen können.

Woran liegt das?

Angnes Es werden immer wieder Schwimmbäder geschlossen. Viele Grundschulen haben daher keine Möglichkeit mehr, Schwimmunterricht anzubieten. Außerdem führen die Schließungen dazu, dass die Menschen weniger schwimmen gehen. Es ist heutzutage nicht ungewöhnlich, dass Kinder, die eingeschult werden, noch kein Schwimmbad von innen gesehen haben.

Wann und wie sollten Kinder denn das Schwimmen lernen?

Angnes Das funktioniert am besten ab dem fünften Lebensjahr. Kinder, die frühzeitig ans Wasser gewöhnt werden, sind meist früher in der Lage, sich an der Wasseroberfläche zu halten. Daher ist es wichtig, dass Eltern mit ihrem Nachwuchs möglichst oft ins Schwimmbad gehen.

Ab wann bezeichnen Sie eine Person als einen sicheren Schwimmer?

Angnes Wenn derjenige das Schwimmabzeichen in Bronze hat.

Was muss man dafür können?

Angnes Kinder müssen 200 Meter in höchstens 15 Minuten schwimmen. Zwei Meter tief nach einem Ring tauchen und zum Schluss noch vom Ein-Meter-Brett springen. Und sie müssen die Baderegeln kennen.

Die DLRG-Statistik zeigt, dass besonders viele Flüchtlinge in Badeunfälle verwickelt sind.

Angnes Viele Flüchtlinge sehen die Gefahr gar nicht und springen völlig bedenkenlos ins Wasser. Dabei schaffen sie es gerade mal, sich krampfhaft an der Wasseroberfläche zu halten. Viele überschätzen sich. Das ist aber nicht nur ein Problem von Flüchtlingen.

Sind Badegäste zu leichtsinnig?

Angnes Ja, aber interessanterweise betrifft das nicht nur die Jüngeren. Oft sind es auch Senioren, die sich überschätzen und unüberlegt handeln. Ein Beispiel: Ein älterer Mann möchte, wie jedes Jahr im Urlaub, den See schwimmend durchqueren. Beim x-ten Mal geht es leider schief.

Wie verlief die Badesaison bisher am Bostalsee?

Angnes Insgesamt hat die DLRG dort in diesem Jahr 6500 Stunden Wachdienst geleistet. In der Zeit kam es zu 128 leichten Erste-Hilfe-Fällen. Es ereigneten sich sechs Unfälle, bei denen der Rettungsdienst gerufen werden musste. Außerdem haben die Rettungsschwimmer am See bereits 56 Mal Wassersportler unterstützt. Sechs Mal mussten sie Schwimmern zur Hilfe kommen. Zwei davon haben sie aus Lebensgefahr gerettet. Hinzu kommt noch das Unglück mit dem gekenterten Solarkatamaran. Hier waren 38 Personen betroffen, davon elf Kinder.

Was sind die typischen Einsätze?

Angnes In Not geratenen Schwimmern zu helfen, ist nur ein kleiner Teil unserer Arbeit. Oft kleben wir Pflaster auf aufgeschürfte Knie, behandeln Wespenstiche oder helfen dabei, Personen zu finden, die im Getümmel verloren gegangen sind.

Wo passieren die meisten Unfälle?

Angnes An Gewässern, an denen es keine Aufsicht gibt und die Leute trotzdem baden gehen.

Wie soll man sich verhalten, wenn man im Wasser in Schwierigkeiten gerät?

Angnes Zuerst einmal sollte man versuchen, Ruhe zu bewahren und auf sich aufmerksam zu machen. Wenn man beispielsweise zu weit rausgeschwommen ist und müde wird, sollte man sich auf den Rücken legen und kurz Pause machen. Dabei kann man nach Booten oder der DLRG Ausschau halten.

Wie erkenne ich vom Ufer aus, ob jemand in Schwierigkeiten ist?

Angnes Wenn man am Ufer steht und sieht, dass jemand weiter draußen schwimmt, sollte man denjenigen im Auge behalten. Dann sieht man ja, wie er sich verhält und ob er zwischendurch hin und wieder untertaucht. In dem Fall sollte man rechtzeitig Alarm schlagen. Wenn Menschen im tiefen Wasser in Not geraten, haben sie selten noch genug Kraft, um Hilfe zu rufen oder die Arme hochzureißen und zu winken.

Baderegeln sollen solchen Notsituationen vorbeugen. Können Sie die wichtigsten aufzählen?

Angnes Man sollte wegen den unberechenbaren Strömungen nie in Flüssen baden. Für sonstige Gewässer gilt: Nur an ausgewiesenen und bewachten Stellen schwimmen gehen. Bevor man ins Wasser  springt, sollte man sich abkühlen. Wenn man kein sicherer Schwimmer ist, sollte man nur bis zum Bauch ins Wasser gehen. Ganz wichtig ist auch, dass Luftmatratzen, Schwimmringe und Schwimmflügel keine vertrauenswürdigen Hilfen sind. Eltern sollten ihre Kinder immer beaufsichtigen und mit ihnen ins Wasser gehen. Es reicht nicht, am Rand herumzustehen und ab und zu mal einen Blick auf den Nachwuchs zu werfen. Zudem sollte man das Wetter im Auge behalten und das Wasser verlassen, wenn ein Gewitter aufzieht.

Würden sich alle Badegäste an diese Regeln halten, wie viele Unfälle könnten dann vermieden werden?

Angnes Passieren kann immer etwas. Aber ich denke, wenn jeder die Baderegeln kennen und sich daran halten würde, könnte die Zahl der Unfälle deutlich reduziert werden.

Im Jahr 2017 sind bundesweit 310 Männer und 83 Frauen ertrunken. Wie erklären Sie sich das?

Angnes Männer sind einfach risikofreudiger. Frauen gehen vorsichtiger an die Sache heran.

Das Saarland gilt laut Statistik als eines der sichersten Bade-Bundesländer. Woran liegt das?

Angnes Daran, dass das Saarland das kleinste Bundesland ist und wir nur zwei Badeseen haben. Die geringe Zahl der tödlichen Badeunglücke hat nichts damit zu tun, dass die Gewässer bei uns besser bewacht werden als in anderen Bundesländern oder die Menschen hier besser schwimmen können.

 Kathrin Angnes

Kathrin Angnes

Tun die Kommunen genug für die Sicherheit der Badegäste?

Angnes An den Seen und Freibädern sind wir gut aufgestellt. Da sind immer Rettungsschwimmer der DLRG vor Ort. In den Freibädern unterstützen sie oft die Mitarbeiter der Gemeinden. Aber es ist wichtig, dass die Kinder wieder besser schwimmen lernen. Daher sollten sich die Kommunen für den Bau und Erhalt von Schwimmbädern einsetzen.

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