Zu Besuch im Dorfmuseum Niederlinxweiler Als die Kühe noch Maulkörbe trugen

Niederlinxweiler · Im Dorfmuseum in Niederlinxweiler stößt der Besucher auf zahlreiche Überbleibsel längst vergangener Zeiten.

 Der Webstuhl ist die letzte Station, die der nun bereits gesponnene Flachs nehmen muss, um ein Tuch zu werden. Anschließend wird nur noch genäht.

Der Webstuhl ist die letzte Station, die der nun bereits gesponnene Flachs nehmen muss, um ein Tuch zu werden. Anschließend wird nur noch genäht.

Foto: Thorsten Grim

Eine schmiedeeiserne Tür verwehrt den Zugang zum Dachgeschoss der alten Volks- und späteren Grundschule. Nur wenige Menschen haben den passenden Schlüssel dazu. Und es soll ja auch nicht jeder einfach hineinspazieren können. Denn hinter der Tür werden die Schätze der Niederlinxweiler Dorfgemeinschaft aufbewahrt. Dabei handelt es sich jedoch nicht um besonders geldwerte Objekte. Vielmehr sind es Erinnerungsstücke –  und daher auf ihre Art eben doch wertvoll. Es sind Überbleibsel längst vergangener Zeiten. Beispielsweise hat landwirtschaftliches Klein-Gerät im Niederlinxweiler Dorfmuseum unter der Schräge des Daches seine letzte Ruhestätte gefunden. Sensen sind da etwa zu sehen und eine Egge – ein Gerät zum Bearbeiten des Ackerbodens. Gezogen wurde sie von Pferden oder Hornvieh. „Und das hier ist ein Maulkorb für Kühe“, berichtet Hartmut Schiffler und zeigt auf etwas, das wie eine Art Drahtsieb ausschaut. Waren Kühe früher etwa bissiger als heute, dass ihnen damals Maulkörbe übergestreift werden mussten? Nein, sagt der Museumsleiter und erklärt. „Die Maulkörbe hat man den Kühen angezogen, damit sie während der Arbeit auf dem Feld oder vor einem Karren nicht einfach stehen blieben um zu fressen.“

Eine weitere Kuriosität ist der  „Puddelschebber“. Das ist ein Blecheimer, der am Ende eines langen Stabes befestigt ist. „Früher gab es in den normalen Bauernhäusern ja keine Toiletten mit Wasserspülung, da ging man hinters Haus, wo das Häuschen mit dem Plumpsklo stand“, erzählt Schiffler. Statt durch Wasserkraft hinweggespült zu werden, sammelten sich die menschlichen Hinterlassenschaften in einer Grube an. Und die musste ab und an geleert werden – mit einem Puddelschebber.

Von der Puddel zur Jauche: Das älteste Stück im Niederlinxweiler Dorfmuseum ist eine gusseiserne Ofenplatte aus Neunkircher Fabrikation. Hergestellt im Jahr 1661, landete sie spätestens im 20. Jahrhundert als Abdeckplatte auf einer Jauchegrube, wo sie viele Jahrzehnte ihren Dienst verrichtet. Vermutlich deshalb ist die Oberfläche der Platte dermaßen korrodiert, dass kaum mehr was darauf zu erkennen ist.

Weiter hinten im Verbindungsgang finden sich dann alte Handwerkszeuge, wie sie Schreiner und Schmied früher verwendet haben – und es zum Teil vielleicht auch heute noch tun. Die große Zentrifugal-Standbohrmaschine gehört eher nicht dazu – sieht allerdings skurril aus.

Noch eine Nische weiter ist Musik drin. Bilddokumente und Notenmaterial aus der Gründerzeit des Niederlinxweiler Musikvereins (1887) finden sich hier ebenso, wie Musikinstrumente: eine Basstrommel, Hörner, eine Klarinette, eine Flöte sowie eine Tuba – allesamt ausrangiert.

Dann geht es in die einzelnen Ausstellungsräume des 1986 eröffneten Dorfmuseums. Auffällig sind zunächst einmal die vielen Schautafeln mit unzähligen Fotos aus früheren Zeiten. Zu sehen sind Dorfansichten, Vereinsportaits, Bilder von Familienfeiern und vom alltäglichen Leben der bäuerlichen Vorfahren. Um Museumsbesuchern möglichst viel Diksussions-
stoff zu bieten, sind die Info-Täfelchen zu den jeweiligen Fotografien nur spärlich beschrieben. Aber der Museumsleiter weiß bei fast jedem Bild, wer darauf abgebildet ist und wann und wo es aufgenommen wurde. Überhaupt ist es Schiffler selbst, der einen Besuch im Museum erst richtig spannend macht, hat er doch zu allem und jedem eine kleine Geschichte parat. So weiß er zu berichten, dass Niederlinxweiler zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein beliebtes Ausflugsziel war – sogar Menschen aus Saarbrücken und Umgebung zog es in den kleinen Ort an der Blies. Und warum, zu sehen gab es ja eher wenig? „Aber Niederlinxweiler hatte einige gute Wirtshäuser“, weiß Schiffler. Zahlreiche Ansichtskarten aus Niederlinxweiler an die Daheimgebliebenen belegen das.

Apropos Wirtshäuser, auch einen Bierverlag gab es einst in Niederlinxweiler. Dort wurde das damals beliebte Becker-Bier vertrieben – für Privathaushalte in eigenen Flaschen. „Das Bier wurde in Fässern angeliefert und vom Bierverlag Willi Kirsch vor Ort in Flaschen abgefüllt und verkauft“, berichtet Heimatforscher Schiffler.

Verkauft könnten sich die Menschen in Linxweiler auch 871 gefühlt haben – damals gab es übrigens noch kein Nieder- oder Ober-. Jedenfalls wurde der Ort in jenem Jahr erstmals urkundlich erwähnt. Und zwar in einer Donationsurkunde, ausgestellt vom Bischof Adventius von Metz an das Benediktinerinnen-Kloster Neumünster. Die Urkunde besagt, dass Linxweiler ab diesem Zeitpunkt zu den Ländereien des Klosters gehört. Das Kloster stand oberhalb des heutigen Ottweiler Krankenhauses. Eine Kopie der Urkunde hängt im Niederlinxweiler Dorfmuseum, dessen Gründer – federführend waren hierbei 1986 Heinrich Raßier, sein Enkel Michael Landau und der damalige Ortsvorsteher Roland Stifken – sich der Dokumentation der Heimatgeschichte in Text und Bild verschrieben hatten. Und das ist bis heute der Hauptschwerpunkt.

Darüber hinaus gibt es aber auch zahlreiche handfeste Gegenstände und Ausstellungsstücke. Neben den oben beschriebenen findet sich hier beispielsweise die Dauerausstellung „Vom Flachs zum Leinen“. Gezeigt wird der gesamte Werdegang über 20 Stationen von der Feldpflanze bis zum fertigen Tuch. Zu sehen sind unter anderem Breche und Schwingbock, Hechel und Spinnrad, Haspel und Webstuhl. Die Ausstellung hat der Heimatforscher Heinrich Schwingel dem Museum überlassen.

Eine weitere Dauerausstellung heißt „Von der Milch zur Butter“. Auch hier ist sämtliches Gerät vorhanden und funktioniert noch. Das gilt auch für die Abteilung Maße und Gewichte – wenngleich die Gewichte bereits Jahre nicht mehr geeicht wurden. Aber man weiß hinterher, was ursprünglich „ein gerüttelt Maß“ war und wieso das „Maß auch mal gestrichen voll“ sein kann.

Geöffnet hat das Dorfmuseum in Niederlinxweiler nur nach Absprache. Ansprechpartner hierfür sind Hartmut Schiffler, erreichbar unter der Tel. (0 68 51) 45 36, und Anita Schmidt, Tel. (0 68 51) 8 19 72.

Alle Serienteile zu den Museen im Saarland finden sich im Internet:

 Die Instrumente sind da, doch wo ist die Kapelle? Der Musikverein Niederlinxweiler wurde 1887 gegründet und ist nach wie vor aktiv – allerdings mit neuerem Gerät.

Die Instrumente sind da, doch wo ist die Kapelle? Der Musikverein Niederlinxweiler wurde 1887 gegründet und ist nach wie vor aktiv – allerdings mit neuerem Gerät.

Foto: Thorsten Grim
 Museumsleiter Hartmut Schiffler zeigt, wie mit dem Heu-Rupfer das auf dem Scheunenboden gelagerte Heu gelockert und heruntergerupft wurde.

Museumsleiter Hartmut Schiffler zeigt, wie mit dem Heu-Rupfer das auf dem Scheunenboden gelagerte Heu gelockert und heruntergerupft wurde.

Foto: Thorsten Grim
 Landwirtschaftliches Gerät wird ebenfalls im Dorfmuseum Niederlinxweiler gezeigt. An einer der unteren Sprossen der Leiter hängt ein Kuh-Maulkorb.

Landwirtschaftliches Gerät wird ebenfalls im Dorfmuseum Niederlinxweiler gezeigt. An einer der unteren Sprossen der Leiter hängt ein Kuh-Maulkorb.

Foto: Thorsten Grim
 Eine Spulhaspel. Die Haspel ist ein technisches Hilfsmittel zum Auf- und Abwickeln von langgestreckten Materialien wie Garn. Foto: Thorsten Grim  Mit diesen Werkzeugen haben früher die Niederlinxweiler Schlosser, Schmiede und Schreibner gearbeitet. Ein besonderers Exemplar ist die Fliehkraft-Bohrmaschine links im Bild. Foto: Thorsten Grim

Eine Spulhaspel. Die Haspel ist ein technisches Hilfsmittel zum Auf- und Abwickeln von langgestreckten Materialien wie Garn. Foto: Thorsten Grim Mit diesen Werkzeugen haben früher die Niederlinxweiler Schlosser, Schmiede und Schreibner gearbeitet. Ein besonderers Exemplar ist die Fliehkraft-Bohrmaschine links im Bild. Foto: Thorsten Grim

Foto: Thorsten Grim
 Schautafeln mit Fotos, Urkunden, Dokumenten und Postkarten. Auf Heimatgeschichte in Text und Bild liegt der Schwerpunkt im Dorfmuseum.

Schautafeln mit Fotos, Urkunden, Dokumenten und Postkarten. Auf Heimatgeschichte in Text und Bild liegt der Schwerpunkt im Dorfmuseum.

Foto: Thorsten Grim
 Schifflers Stellvertreterin Anita Schmidt zeigt die Flaschen, in die der Bierverleger Willi Kirsch das früher sehr beliebte Becker-Bier abfüllte.

Schifflers Stellvertreterin Anita Schmidt zeigt die Flaschen, in die der Bierverleger Willi Kirsch das früher sehr beliebte Becker-Bier abfüllte.

Foto: Thorsten Grim
 Links: Eine Spulhaspel ist ein technisches Hilfsmittel zum Auf- und Abwickeln von langgestreckten Materialien wie Garn. Mitte: Über 20 Stationen geht die Dauerausstellung „Vom Flachs bis zum Hemd“. Rechts: Mit diesen Werkzeugen haben früher die Niederlinxweiler Schlosser, Schmiede und Schreiner gearbeitet. Ein besonderers Exemplar ist die Fliehkraft-Bohrmaschine links im Bild.

Links: Eine Spulhaspel ist ein technisches Hilfsmittel zum Auf- und Abwickeln von langgestreckten Materialien wie Garn. Mitte: Über 20 Stationen geht die Dauerausstellung „Vom Flachs bis zum Hemd“. Rechts: Mit diesen Werkzeugen haben früher die Niederlinxweiler Schlosser, Schmiede und Schreiner gearbeitet. Ein besonderers Exemplar ist die Fliehkraft-Bohrmaschine links im Bild.

Foto: Thorsten Grim
 Eine Spulhaspel. Die Haspel ist ein technisches Hilfsmittel zum Auf- und Abwickeln von langgestreckten Materialien wie Garn. Foto: Thorsten Grim

Eine Spulhaspel. Die Haspel ist ein technisches Hilfsmittel zum Auf- und Abwickeln von langgestreckten Materialien wie Garn. Foto: Thorsten Grim

Foto: Thorsten Grim
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