Von Schattenseiten einer Epoche
Freisen · Hunderte Besucher strömten am vergangenen Wochenende auf den Mittelaltermarkt nach Freisen. 1500 Händler, Spielleute, Ritter und Adlige hatten ihr Lager aufgeschlagen und demonstrierten neben Musik und Tanz auch die dunkle Seite des Mittelalters.
Lordi heißt der Herold, der im Mittelalterlager von allen respektiert wird. "Auf dem Marktgelände ist die Stimmung fantastisch", freut sich Lordi. Einen Steinwurf von der Marktgasse entfernt sieht das schon anders aus. Die Typen vom Clan der Drachenreiter sind Heiden. Sie lieben es, Christen zu jagen, zu quälen und sie auszupeitschen. Ein Ritter aus England hat dem Freyvolk zu Hohenstaufen ein Huhn gestohlen. Für den Engländer hat das fatale Folgen. Er wird deswegen an den Pranger gestellt, vom Pöbel bespuckt und mit Dreck und faulem Obst beschmissen.
"Das Mittelalter hatte natürlich seine dunkle, finstere Seite", schildert der Hohenstaufer Rainer. Seine Gruppe stellt die grausamsten Foltergeräte zwischen 1200 und 1300 aus. "Es sind originale Nachbauten aus Museen", teilt Rainer mit. Im Angebot ist alles, was Schmerz, Pein und Qual bereitet. Eine junge Waldläuferin wird auf der Streckbank peinlich befragt. Der Henkersknecht verspürt Freude, wenn er einen Wilderer am Galgen den Strick um den Hals binden kann, allzu gerne setzt er Menschen die Daumenschrauben an, sperrt andere in den Schandkäfig ein. "Bei der Herstellung der Foltergeräte waren die Leute im Mittelalter sehr einfallsreich. Aus wenig haben sie viel gemacht", erklärt Rainer. Die Hohenstaufer gehen mit Verrätern hart ins Gericht, wenn überhaupt. Ohne den jungen Dieb angehört zu haben, wird ihm vom Henker mit der Axt der Kopf abgetrennt.
Mit der Japra (Wikingerschiff) ist die rauf- und sauflustige Wikingersippe Vädar Folk bis nach Freisen vorgedrungen. Gegenüber diesen wüsten Gestalten besteht die Badische Ritterschaft aus vornehmen Adelsleuten. Die Truppe zeigt zu Pferd eine imposante Ritter- und Feuershow. "Normalerweise hat das Pferd Angst vor dem Feuer. Wenn man aber den Instinkt des Pferdes ausschalten kann, ist das nicht mehr so schlimm. Das Vertrauen zwischen Pferd und Reiter ist dabei der entscheidende Punkt", erzählt Kati Field. Die Reiter galoppieren durch ein brennendes Tor, feuern bei vollem Tempo Brandpfeile ab oder reiten mitten durch lichterloh brennendes Stroh.
Bei Sonnenuntergang ziehen bis an die Zähne bewaffnete Söldner durch die Marktgasse, die für ein paar Taler jeden Auftrag annehmen. Dahinter trottet der durstige Bruder. "Ich bin ein frommer Mönch, der aus Strafe für andere Menschen das Bier brauen muss. Nun ist mein Humpen leer. Hoffentlich findet sich ein Edelmann, der ihn mir füllt", wünscht sich der Mönch. Beim Flickschuster bittet er vergeblich darum. "Ich muss selbst gucken, wie ich klar komme", entgegnet der Flickschuster. Bei den Handwerkern gehöre er zur untersten Stufe. "Ich repariere die Schuhe für die Ärmsten der Armen, da ist nicht viel zu verdienen", scherzt Michael Maucher aus Offenburg, der in seiner Rolle als Flickschuster historisches Schuhwerk herstellt. Zu vorgerückter Abendstunde will er nun zur Taverne vorgehen und seine eingenommenen Silberstücke in Wein und Weib umsetzen.
"Hier spielt die Musik", ruft Herold Lordi all die Leute herbei. Auf der Bühne wird musiziert, davor getanzt. "Alle Akteure kommen am Abend zum Trinkgelage zusammen und es wird gefeiert", weiß Lordi. Allmählich ziehen die Besucher von dannen. "Es hat sich in jedem Fall gelohnt hierher zu kommen, es war ein tolles Spektakel", meint Andreas Schneider aus Kirchheim-Bolanden. Veranstalter Matthias Broszeit ist auch zufrieden. "Wir hatten ein paar Marktstände mehr als im vorigen Jahr. Das ist doch in Ordnung", sagt er. In der Dunkelheit lodern im Naturwildpark die Lagerfeuer und bis in die frühen Morgenstunden wird gezecht.