Angebot Und plötzlich war Schluss im Demenz-Café

Oberkirchen · Der Worte zu wenig gewechselt: Ohne den St. Wendeler Landrat zu informieren, schließt das Deutsche Rote Kreuz die Cafés Vergissmeinnicht.

 Zusammensitzen, sich beschäftigen: Das Café Vergissmeinnicht hat den an Demenz erkrankten Menschen bei vier Treffs im Landkreis St. Wendel Abwechslung geboten.

Zusammensitzen, sich beschäftigen: Das Café Vergissmeinnicht hat den an Demenz erkrankten Menschen bei vier Treffs im Landkreis St. Wendel Abwechslung geboten.

Foto: dpa/Jens Büttner

„Erst gestern hat sie mich gefragt: ,Wann ist denn wieder das Café?’“, sagt Gerald Fasching. Seine Stimme klingt betrübt. Denn er musste seine an Demenz erkrankte Mutter enttäuschen. Sie kann den Treff nicht mehr besuchen.

Seit Januar war sie regelmäßig einmal in der Woche im Café Vergissmeinnicht des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Oberkirchen. „Es hat ihr gut gefallen“, sagt Gerald Fasching, der ebenfalls begeistert war von dem Angebot. Der Treff bedeutete einmal in der Woche Abwechslung für die Demenzkranken. „Sie haben gesungen, miteinander geredet. Das war toll.“ Und noch einen positiven Aspekt spricht Fasching an: „Die Angehörigen wurden entlastet.“

Damit ist jetzt Schluss. Wie Fasching berichtet, flatterte seiner Mutter Ende Februar ein Schreiben des DRK ins Haus (liegt der Redaktion vor). Darin stand, dass die Hilfsorganisation gezwungen sei, ihre Cafés Vergissmeinnicht im Landkreis St. Wendel zum März zu schließen. Drei solcher Treffs hat es bis zuletzt gegeben: in Namborn, Urexweiler und Oberkirchen. Dass diese so plötzlich als Betreuungsangebot wegfallen, hat nicht nur Betroffene wie Gerald Fasching überrascht, sondern auch den St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU): „Der Landesverband hat mich nicht persönlich und auch nicht mit notwendigem zeitlichen Vorlauf über die Schließung der Cafés Vergissmeinnicht im Landkreis St. Wendel informiert.“ Lediglich der zuständige Amtsleiter sei informiert worden, der sich sofort mit seinem Chef in Verbindung setzte. „Wir wurden über Nacht vor vollendete Tatsachen gestellt. Ein inakzeptabler Vorgang, der mich maßlos geärgert hat, zumal ich DRK-Kreisvorsitzender und Vizepräsident des Landesverbandes bin“, sagt Recktenwald. Dies habe er sowohl in einem Telefonat mit dem Landesgeschäftsführer als auch in der Präsidiumssitzung „mit aller Deutlichkeit“ zum Ausdruck gebracht.

Martin Rieger, seit Januar Geschäftsführer des DRK-Landesverbandes Saarland, bedauert im SZ-Gespräch, dass die Kommunikation so schlecht gelaufen sei. Dass die Cafés defizitär waren, das sei aber seit Jahren bekannt gewesen. Trotzdem hätte man von Seiten des Landesverbandes seiner Einschätzung nach bereits im Sommer 2017 konkret sagen müssen: „Wir haben ein Problem und können so nicht weitermachen.“ Das hätte sich Landrat Udo Recktenwald gewünscht. „Wenn die Cafés vom Träger nicht kostendeckend zu führen sind und darüber nachgedacht wird, das Angebot einzustellen, so hätte ich eine frühzeitige Einbindung erwartet, die uns als Landkreis ermöglicht, eine Alternative zu finden, die ein nahtloses Weiterführen des Angebotes ermöglicht.“

2006 startete das DRK Saarland mit den Cafés Vergissmeinnicht. Jetzt sind sie im Landkreis St. Wendel wie auch im Landkreis Merzig-Wadern Geschichte. „Es tut mir leid für die Menschen, die dort hingegangen sind und auch für die Angehörigen“, sagt Rieger. Er wisse aus eigener Erfahrung, wie es ist, wenn die Eltern an Demenz erkranken. Daher sei dem Landesverband die Entscheidung, die Cafés zu schließen, nicht leicht gefallen. Und das abrupte Ende bedauere er am meisten. Doch es hätte sich ein zeitlicher Druck aufgebaut, bis Ende Februar entscheiden zu müssen. Zu diesem Stichtag lief der bisherige Förderungsbescheid aus. Außerdem hätten sich die Rahmenbedingungen verändert.

Das Projekt Demenz-Café sei anfangs von der Annahme ausgegangen, dass 15 bis 20 Personen daran teilnehmen. Doch zuletzt seien immer weniger Besucher gekommen. Stammgäste seien verstorben, trotz Werbung nur wenig neue Teilnehmer nachgerückt. Der Jahresschnitt in Oberkirchen lag beispielsweise bei 5,6 Besuchern. Vielleicht, so vermutet Rieger, seien die Zahlen auch deshalb gesunken, weil es eine Änderung bei der so genannten monatlichen Entlastungshilfe von 125 Euro gab. Während dieses Geld früher für niedrigschwellige Angebote wie ein Demenz-Café verwendet werden musste, können Klienten heute damit auch Hilfe im Haushalt finanzieren.

Aber nicht nur die Teilnehmer seien weniger geworden, auch der Stamm der Ehrenamtler. Sowohl was die Betreuung der Demenzkranken als auch die Fahrdienste betraf. In der Regel gab es pro Café eine Fachkraft, die von Ehrenamtlern unterstützt wurde. Wie Rieger erläutert, muss ein Personalschlüssel von 1 zu 1,5 erfüllt werden, das bedeutet, dass es zwei Betreuer für drei Teilnehmer braucht.

Die Café-Fachkraft des DRK hatte einen 450-Euro-Job. Nachdem ein Pflegemindestlohn von 10,25 Euro pro Stunde eingeführt wurde, mussten entsprechend die Arbeitsstunden angepasst werden. Alles Gründe, die der Landesgeschäftsführer nennt, weshalb das Betreiben der Cafés immer schwieriger wurde.

Insgesamt flossen jährlich etwa 39 000 bis 40 000 Euro in die drei Cafés Vergissmeinnicht im St. Wendeler Land. Diese Kosten bezuschusste der Landkreis St. Wendel mit 7000 Euro. Die gleiche Summe kam vom Bundesversicherungsamt. In den zurückliegenden drei Jahren investierte der DRK-Landesverband zwischen 10 000 bis 15 000 Euro im Jahr in die Demenz-Treffs.

Gerald Fasching weiß, dass er keinen Anspruch auf Angebote wie das Café Vergissmeinnicht hat. Doch er bedauere schlichtweg die Art und Weise, wie es zu Ende gegangen ist. Möglicherweise kann er seiner Mutter eines Tages, wenn sie nochmal nach dem Café fragt, eine andere Antwort geben als heute. Denn der St. Wendeler Landrat hält das Angebot nach eigener Aussage für sehr wichtig, hat die Cafés selbst schon besucht. „Wir arbeiten nun mit Hochdruck daran, einen geeigneten Träger zu finden, um das wichtige Angebot weiterführen zu können“, sagt Recktenwald.

Martin Rieger hat zugesagt, die Erfahrungen des DRK-Landesverbandes mit dem Team im Landratsamt teilen zu wollen. Es würde ihn freuen, wenn ein Alternativmodell zustande käme.

Beratung zu Alternativangeboten beim Landkreis St. Wendel, Amt für soziale Angelegenheiten, Amtsleiter: Klaus Lauck, Telefon: (0 68 51) 8 01 52 01, E-Mail: Seniorenbuero@lkwnd.de.

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