Gesangslegende zieht sich zurück

Oberkirchen · Nach einer unglaublichen Zeit von 77 Jahren ist Chorsänger Cornel Schirra auf eigenen Wunsch in den Ruhestand gegangen. Mit viel Wehmut hat der Männergesangverein 1908 Oberkirchen den 94-jährigen Senior während seiner finalen Probe verabschiedet.

 Der 94-jährige Cornel Schirra bei seiner letzten Probe. Foto: Brill

Der 94-jährige Cornel Schirra bei seiner letzten Probe. Foto: Brill

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Herbert Brill, der Vorsitzende des Männergesangvereins (MGV) 1908 Oberkirchen , hat es im Dezember als Erster erfahren. In einem Vier-Augen-Gespräch teilte ihm Cornel Schirra mit, dass er Anfang des Jahres auf eigenen Wunsch mit dem Singen aufhören will. "Das muss man erst einmal verdauen", sagt Brill. Sagenhafte 77 Jahre ist Schirras Tenorstimme im Männerchor erklungen. "Und dann verliert der Verein plötzlich seinen legendären Sänger ", betont der Sänger-Chef.

Schon seit seiner Kindheit gehörte der 94-Jährige dem Männerchor an. Das Singen hat er in der Schule gelernt und ist seinerzeit gemeinsam mit acht Schulkameraden dem Klangkörper in seinem Heimatdorf beigetreten. Er erlernte das Bäckerhandwerk und musste in den Krieg ziehen, in dem seine Schulkollegen gefallen sind. Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft stand er sofort wieder mit dem Oberkircher Männerchor auf der Bühne.

Nur wenn er krank war, hat er eine Probe versäumt. Der Gesang in der Gemeinschaft hat ihm immer sehr viel Freude bereitet, jeden Auftritt hat er als besonderes Ereignis bezeichnet. Anlässlich der 105-Jahr-Feier des MGV war Schirra für seine 75-jährige Sängerlaufbahn ausgezeichnet worden. "Er bricht alle Rekorde und ist inzwischen eine Gesangslegende", stellte der Vorsitzende des Kreischorverbandes, Matthias Nickels, damals in seiner Laudatio heraus.

Ende Januar hat sich Senior Schirra letztmals auf den Fußweg zur Probe ins Pfarrheim aufgemacht. "Wir hatten für ihn eine vereinsinterne Abschiedsfeier vorbereitet", schildert Brill. Wie seit Jahrzehnten hielt Schirra ein Glas Wein in seiner Hand, und der Chor dankte ihm mit dem "Deutschen Sängergruß" und "Mein Volkslied", einem seiner Lieblingslieder. Brill zählte in seiner Rede verschiedene Stationen des scheidenden Sängers auf und ließ einige gemeinsam erlebte Anekdoten Revue passieren. Zehn Jahre hat er im MGV-Vorstand mitgearbeitet und das Amt des Schriftführers bekleidet. Im Auftrag des Chors übergab ihm Schirra die Entlassungsurkunde und ein Abschiedsgeschenk. "Ich bin immer gerne zum Gesangverein gegangen und es fällt mir schwer, dass ich jetzt aufhöre", sagt Schirra. Ihm zu Ehren stimmte der Chor die Werke "Ave Maria no morro" und "Die Seen im Land der Berge" an.

Nachdem sich Schirra in den Ruhestand verabschiedet hat, stehen Chorleiter Christoph Schnur die Stimmen von 28 Sängern zur Verfügung. "Es wäre schön, wenn ein paar 50-Jährige uns verstärken würden", so Brill. Aber einen Sänger wie Schirra, so ergänzt er, der 77 Jahre einem Chor die Treue hält, den werde man wohl nicht mehr so schnell finden.

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