Die Orgel ist sein Orchester

St. Wendel. Als Schüler des weltbekannten innovativen Orgelspezialisten Jean Guillou rührte Étienne Walhain in seinen Darbietungen an die Grenzen der Finger- und Fußfertigkeit und vor allem der möglichen Klangkombinationen mit Werken von Johann Sebastian Bach, Robert Schumann, César Franck und Sergej Prokofiev

St. Wendel. Als Schüler des weltbekannten innovativen Orgelspezialisten Jean Guillou rührte Étienne Walhain in seinen Darbietungen an die Grenzen der Finger- und Fußfertigkeit und vor allem der möglichen Klangkombinationen mit Werken von Johann Sebastian Bach, Robert Schumann, César Franck und Sergej Prokofiev. Er begann mit Bachs Fantasie und Fuge in g-Moll, gliederte die Fantasie durch passenden Wechsel der Registrierung und nahm sich dabei einiges an agogischer Freiheit; temperamentvoll ließ er die Sechzehntel der Fuge rollen. Entsprechend gestaltete er auch Präludium und Fuge in D-Dur in einer makellosen Geschwindigkeit, die wahrscheinlich Bach selbst erfreut hätte, weil er mit ähnlichen Mitteln Konkurrenten besiegte, während sie für die deutsche Tradition und Praxis des Bach-Spiels zumindest etwas gewöhnungsbedürftig ist. Sehr authentisch dagegen wirkte die Interpretation von César Francks Choral in a-Moll durch die beiden Ebenen von imposantem Toccataspiel und entrücktem Choral, feinsinnig entwickelte sich auch das crescendierende romantische Solo des zweiten Themas. Die "Vier Skizzen" von Robert Schumann sind für Pedalklavier geschrieben und naturgemäß für die Darstellung auf der Orgel sehr geeignet, die ihnen die sinfonische Dimension verleiht. Walhain gab ihnen die geforderte rhythmische Prägnanz und setzte ideenreich Zungenstimmen ein; das Vivace in f und das Allegretto in Des beeindruckten besonders durch die Perfektion des Spiels. In eine ganz andere Welt führte das Schlussstück, Prokofievs Toccata für Klavier op. 11 in der Bearbeitung durch Jean Guillou. In die wirbelnde Chromatik mischte sich effektvoll ein Chor der Zungenstimmen, und ein durch seine Plötzlichkeit überraschender Schluss schien die Zuhörer zu irritieren, bevor sie begeistert Beifall klatschten und sich an der Zugabe aus Tschaikowskis Ballett "Der Nussknacker" erfreuten. Was sie nicht hatten sehen können: Walhain hatte alles auswendig gespielt. Nach seinem Konzert in St.Wendel - er betonte, dass er den generell guten Zustand deutscher Orgeln sehr schätze - machte er sich unverzüglich auf den Rückweg nach Tournai, um am nächsten Morgen wieder seinem liturgischen Dienst nachzukommen. Margarete Stitz

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