Nazi-Eliteschule Die Napola auf dem heiligen Berg

St. Wendel · Arnold-Janssen-Gymnasiasten nehmen mit Dokumentarfilm zur NS-Zeit an bundesweitem Geschichtswettbewerb teil.

 Schüler des AJG (von links) Julia Kümmel, Marie Hagenbourger und Florian Hagenbourger setzen sich mit lokaler NS-Geschichte auseinander.

Schüler des AJG (von links) Julia Kümmel, Marie Hagenbourger und Florian Hagenbourger setzen sich mit lokaler NS-Geschichte auseinander.

Foto: SZ/J. Burgard

Den Landessieg beim Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten hat die Video-AG des St. Wendeler Arnold-Janssen-Gymnasiums schon in der Tasche und mischt nun auf Bundesebene mit. Florian Hagenbourger, Marie Hagenbourger und Julia Kümmel haben den außergewöhnlichen Film „Zwischen Christuskreuz und Hakenkreuz. Eine Spurensuche zur Napola-Zeit des St. Wendeler Missionshauses“ über die nationalsozialistische  Zeitepoche einer sogenannten Nationalpolitischen Erziehungsanstalt (kurz: Napola) hinter den Kirchenmauern produziert.

„Es war ziemlich schwierig, alte Fotos zu finden“, berichtet der Zwölftklässler Florian Hagenbourger. In Archiven und in der Chronik des Missionshauses hat das Filmertrio gestöbert, Briefwechsel des Ordens gesichtet und Kontakte zu Heimatforschern geknüpft, um so Zeitzeugen treffen zu können.

„Drei Monate an Vorarbeit haben wir hineingesteckt und insgesamt 190 Bild- und Textdokumente bearbeitet“, erklärt Julia Kümmel aus der zehnten Klasse.

Film ab: Die 1933 an die Macht gekommenen Nazis sahen von Beginn an in den konfessionellen Schulen die geistigen Feinde einer Jugenderziehung in ihrem Sinne. 1939 forderte die NSDAP-Gauleitung Saar-Pfalz von den Kommunalleitungen die „Beseitigung aller klösterlichen und sonstigen bekenntnismäßig geführten Schuleinrichtungen“. Gegen den Steyler Missionar Pater Backes erging Haftbefehl, 1940 wurde die Schule geschlossen, alle Kreuze abgehängt und 120 Missionshaus-Schüler in die St. Wendeler Oberschule überführt.

Ab dem 1. September 1941 bis in den März 1945 war die Schule eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt, eine Eliteschule zur Heranbildung des nationalsozialistischen Führungsnachwuchses. Zeitzeuge Edwin Kontes (84) aus Wadgassen war damals dabei. „Sechs Schüler sind in unserer Klasse ausgewählt worden und haben eine achttägige Aufnahmeprüfung machen müssen. Wir haben einen Arier-Nachweis über die Abstammung bis zu den Urgroßeltern nachweisen müssen“, erinnert sich Kontes 73 Jahre danach.

Etwa 50 Reichsmark hätten seine Eltern als Schulgeld zahlen müssen. „Es war für uns Schüler aus einem Kreis armer Leute eine große Sache in so eine Schule aufgenommen zu werden“, sagt Kontes. Wie bei der Mehrzahl anderer Napolas, waren auch SS-Angehörige in der Schulleitung der St. Wendeler Napola tätig. „Lehrer und Studienräte waren Zugführer“, konkretisiert Kontes. Ein Balkonsprung aus einer Höhe von fünf Metern in ein ausgebreitetes Tuch gehörte zur Mutprobe, der Keulen-Weitwurf bei Geländespielen, einer Art vormilitärischen Ausbildung, sollte den abgewandelten Wurf einer Handgranate darstellen.

Bei der St. Wendeler Bevölkerung, so der Oberthaler Heimatforscher Hermann Scheid, habe die Existenz der Napola wenig Reaktionen ausgelöst.

„Etwa 300 Schüler sind an die Napola gekommen, darunter ein paar aus der Region. 220 Namen sind uns davon bekannt. Ein Abitur wurde nicht abgelegt, aber es gab wenige Schüler, die wegen schlechter Leistung aus der Schule geworfen wurden“, erklärt Mitfilmmacherin Marie Hagenbourger.

Am 19. März 1945 besetzten die US-Amerikaner St. Wendel und bezogen bis zum Sommer mit zeitweilig 800 Mann die Anlage. Danach richtete bis Januar 1946 das französische Militär ihr Quartier im Missionshaus ein. Im April 1946 hob die französische Militärbehörde die Beschlagnahme auf und die Ordensgemeinschaft erhielt das Verfügungsrecht über die Anlage zurück, Mitbrüder und Schüler kehrten zurück.

„Die Missionare haben dann effizient aufgeräumt“, ergänzt Florian Hagenbourger. Zum 50. Jubiläumsjahr 1948 des Missionshauses sah auf dem heiligen Berg alles wieder anständig aus und es wurde ein schönes Fest gefeiert.

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