Virtuelles Treffen St. Wendeler Netzwerk tagt im Netz

St. Wendel · Das Jahrestreffen des Netzwerks WND fand wegen der Corona-Krise virtuell statt. Serviert wurde Hintergründiges zur Pandemie und zur Ausnahmestellung des Raums Tholey-St. Wendel in der Weltgeschichte.

 „Die alte Idee des himmlischen Jerusalem nochmals neu aktualisiert“, hob Meinrad Maria Grewenig in seinem Vortrag für das Netzwerk WND die Bedeutung der Richter-Fenster in der Tholeyer Abteikirche hervor.

„Die alte Idee des himmlischen Jerusalem nochmals neu aktualisiert“, hob Meinrad Maria Grewenig in seinem Vortrag für das Netzwerk WND die Bedeutung der Richter-Fenster in der Tholeyer Abteikirche hervor.

Foto: B&K/Bonenberger / B&K

„Es war ein Versuch, und man darf ihn wohl als gelungen bezeichnen, da doch am Ende alle Beteiligten für eine Wiederholung dieser Art von Veranstaltung plädierten“, schreibt Klaus Brill. Der ehemalige Korrespondent der Süddeutschen Zeitung ist Mitglied des Netzwerks WND. In diesem finden Menschen aus dem St. Wendeler Land zusammen – solche, die seit Jahr und Tag hier Wurzeln geschlagen haben, solche, die es in aller Herren Länder verschlagen hat, und solche, die sich dem St. Wendeler Land verbunden fühlen. Allesamt eint sie, dass sie dieses Fleckchen Erde im Norden des Saarlandes mehr oder weniger als ihre Heimat bezeichnen.

„Zum ersten Mal hat das Netzwerk WND seine jährliche Zusammenkunft im virtuellen Raum abgehalten anstatt wie bisher in St. Wendel, Tholey oder am Bostalsee“, berichtet Brill. Knapp 20 Frauen und Männer hatten sich zugeschaltet, als Josef Alles, Sprecher des Initiativkreises, das virtuelle Treffen eröffnete. Die Beteiligten saßen nicht nur im Saarland hinter ihren Laptops und Computern am heimischen Schreibtisch, sondern auch in anderen Teilen Deutschlands, ja sogar in Basel und Brasilien.

„Dass das Treffen volle drei Stunden lang dauerte, war dem ehrgeizigen Programm dieses ersten Zoom-Meetings geschuldet“, berichtet Brill. Aus berufenem Munde habe es zunächst viel Hintergründiges über verschiedene Aspekte der Pandemie zu hören gegeben, die derzeit alle Gemüter bewegt.

Professor Anne Spang, seit 15 Jahren Inhaberin des Lehrstuhls für Biochemie und Zellbiologie am Bio-Zentrum der Universität Basel, erläuterte Übertragungs- und Wirkungsmechanismen von Covid-19. Man stelle sich vor: Wenn man ein Haar 1000 mal spaltet, erreicht man die Größe eines solchen Virus. In einem großen Speichel-Tröpfchen könnten sehr viele Viren enthalten sein. „Je lauter wir sprechen oder auch singen, desto mehr von diesen Tröpfchen schütten wir aus und desto dickere“, sagte die Forscherin, die aus Türkismühle stammt. Ihr Rat: Masken tragen, Hände waschen, Räume regelmäßig lüften, lautes Sprechen und Singen in geschlossenen Räumen vermeiden und gegen Grippe impfen lassen. Menschen mit hohem Blutdruck seien stärker gefährdet als andere.

Privatdozent Dr. Maximilian Linxweiler, Oberarzt an der Homburger Hals-Nasen-Ohren-Klinik und aus Werschweiler stammend, schilderte aus erster Hand die Maßnahmen und Erfahrungen der 30 Krankenhäuser und 20 Institute des saarländischen Universitätsklinikums, wo er einer der Corona-Beauftragten ist. Aufgrund strenger Hygiene-Standards habe sich von den 5000 Mitarbeitern des Komplexes kein einziger infiziert, sagte er. An einem bestimmten Medikament und an hochwertigem Mund-Nasen-Schutz habe zeitweilig aber Mangel geherrscht.

Derzeit werden nach Linxweilers Darstellung am Uni-Klinikum zwei Studien durchgeführt. Die eine soll an 5000 Testpersonen den Grad der Durchseuchung und damit auch den Anteil unentdeckter Infektionen in der Bevölkerung ermitteln. Im zweiten Fall geht es um die Frage, wann bei welchen Patienten ein schwerer und wann ein milder Verlauf der Infektion zu erwarten ist. Die Zukunft sollte man sich nach Meinung des Mediziners nicht in rosigen Farben malen. „Wir werden das Corona-Virus nicht loswerden“, sagte er, „es wird heimisch werden im Saarland.“

Mit den gesellschaftlichen Folgen der Pandemie befasste sich sein Onkel Richard Linxweiler, Designer, Professor für Marketing und Kommunikation an der Fachhochschule Pforzheim und ebenfalls aus Werschweiler stammend. Gestützt auf Analysen des Zukunftsinstituts in Frankfurt am Main, stellte er mit Blick auf die Schließung etlicher EU-Grenzen im Frühjahr heraus, die Gesellschaft habe sich im Angesicht der Krise wieder eindeutig als Nation definiert, allerdings sei die Nation „in regionale Hochrisiko-Zonen zerfallen“. Gleichzeitig habe eine Abkehr von der globalen Weltgemeinschaft stattgefunden, die Global Cities seien „die nervösesten Orte der Welt“ geworden. Dies gehe einher mit einem Rückzug ins Private und einer Aufwertung des ländlichen Raumes, wo mittlerweile hochprofessionell an vielen Orten unter anderem qualitativ hochwertige kulturelle Angebote gemacht würden.

Nicht auf die Aktualitäten, sondern ganz im Gegenteil auf das ewig Dauernde war ein Vortrag mit dem Titel „St. Wendeler Land – Weltklasse seit 2000 Jahren“ ausgerichtet. Der Autor Meinrad Maria Grewenig ist weithin bekannt als Kunsthistoriker und Kulturmanager, viele Jahre war er Generaldirektor und Geschäftsführer des Weltkulturerbes Völklinger Hütte. Dass er in Selbach aufgewachsen ist, wissen indes nur Eingeweihte. Es erklärt aber seine besondere Zuwendung zu der nach seiner Darstellung großartigen Vergangenheit des Schaumberger und St. Wendeler Landes.

Grewenig begann seinen Überblick mit einem Hinweis auf den zwischen Selbach und Theley gelegenen Fuchshübel, jenes keltische Fürstengrab, in dem schon Ende des 19. Jahrhunderts kostbare Ringe entdeckt wurden. In der Nähe kreuzten sich beim Vicus im Wareswald zwei wichtige Römerstraßen (Metz-Mainz und Trier-Straßburg). Den Rang der Abtei Tholey, die dank ihrer Ersterwähnung im Jahre 634 nach Christus. als ältestes urkundlich bezeugtes Kloster auf deutschem Boden gilt, unterstreicht nach Grewenigs Ausführungen nicht nur deren prachtvolle gotische Kirche, sondern auch die Tatsache, dass kein Geringerer als der heilige Mauritius ihr Patron ist.

Als weiteren bedeutenden Heiligen nannte Grewenig den St. Wendeler Stadtpatron Wendelinus, der 555 in Irland geboren und laut Legende 612 in Tholey als Abt gestorben sei. Einer seiner Schüler, Abt Paulus, sei später Bischof von Verdun geworden. Mit Tholey verbunden sei ferner ein leibhaftiger Kurfürst, nämlich der Trierer Erzbischof Kuno, der 1066 an der Mosel erschlagen und in der Abtei beerdigt wurde. Seine und andere sterbliche Überreste von Heiligen hätten Tholey im Mittelalter zu „einem der reliquien-reichsten Orte in Europa“ gemacht.

Den weiteren Gang durch die Epochen, der auch die materiellen Verluste in der Zeit der Französischen Revolution streifte, beendete der Kunsthistoriker mit einer Würdigung jenes Kunstwerks, das in diesen Tagen den Namen Tholeys in alle Welt hinausgetragen hat: der kürzlich enthüllten Glasfenster im Chorraum der Abtei, die der renommierte Künstler Gerhard Richter gestaltet hat. Dieser habe „die alte Idee des himmlischen Jerusalem nochmals neu aktualisiert“, sagte Grewenig.

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