Die Gastronomen im Kreis Wenn Gäste sich nicht an Verabredungen halten

Immer öfter kommt es vor, dass Gäste ihre Tischreservierungen kurzfristig absagen oder einfach nicht erscheinen. Auch die Gastronomen im Landkreis St. Wendel kennen das Problem.

 Miriam Hubertus von Hotellerie Hubertus in Tholey weiß, dass die meisten Gäste sich nicht vorstellen können, was mit einer Reservierung alles verknüpft ist.

Miriam Hubertus von Hotellerie Hubertus in Tholey weiß, dass die meisten Gäste sich nicht vorstellen können, was mit einer Reservierung alles verknüpft ist.

Foto: Martin Trappen

St. Wendel Sie sagen zehn Minuten vorher ab oder tauchen einfach nicht auf – Restaurant-Gäste sind bei Tischreservierungen immer weniger zuverlässig. Das kommt die Inhaber teuer zu stehen: Kann ein Tisch nicht neu besetzt werden, büßt das Restaurant nicht nur Umsätze ein, es kommen auch unnötige Kosten auf sie zu. Das veranlasst so manchen, drastische Maßnahmen zu ergreifen: Der saarländische Drei-Sterne-Koch Christian Bau verlangt seit Kurzem von Gästen seines Restaurants in Nennig bei Reservierungen an Wochenenden und an Feiertagen eine Zahlung von 200 Euro per Vorkasse.

Auch Gastronomen im Landkreis St. Wendel kennen das Problem, unter ihnen Miriam Hubertus von der Hotellerie Hubertus in Tholey. Zu dem Hotelbetrieb gehört auch Gastronomie: die Restaurants Palazzo und Hubertus sowie die Marktstube. „Jeder verlorene Tisch ist für uns mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen verbunden. Besonders an Feiertagen, wenn wir Leute vertrösten müssen, weil alles schon reserviert ist. Dann ist es besonders ärgerlich, wenn am Ende Tische leer bleiben.“ Wenn sie die Leute dann anrufe und frage, ob sie noch kommen, oder sie darauf hinweise, dass eine solch kurzfristige Absage nicht in Ordnung sei, stoße sie oft auf Unverständnis. „Die Menschen sind sich dann keiner Schuld bewusst. Dabei gibt es manche, die reservieren zum Beispiel für einen Sonn- oder Feiertag Tische in drei verschiedenen Restaurants, damit sie sich dann an dem Tag für eines entscheiden können. Den anderen beiden sagen sie dann ganz urplötzlich ab.“

Die Situation habe sich mit der Zeit verschlimmert, sagt Miriam Hubertus. Dagegen etwas unternehmen, könne sie kaum. „Die Leute mit einer Vorauszahlung zu belasten, bringt nur Ärger und ist auch nicht gut für das Image des Hauses“, meint sie. „Man kann nur immer wieder versuchen, den Leuten klarzumachen: Hey, da ist jemand, der richtet sich drauf ein und der will ja auch von was leben.“

Erfahrungen mit Gästen, die plötzlich oder gar nicht absagen, hat auch Christian Ludeke, Inhaber des Restaurants Felsenmühle in St. Wendel, gemacht. „Im Dezember – das ist für uns immer der Monat mit dem meisten Betrieb – hatten wir rund 50 Gäste, die einen Tisch reserviert hatten und einfach nicht gekommen sind“, erzählt Ludeke. Auch habe es einige Stornierungen gegeben, einige davon sehr kurzfristig. „Einmal hatten wir eine Reservierung für einen Tisch für 20 Leute, gekommen sind am Ende neun, von denen nur einer etwas zu Essen bestellt hat.“ Auch Ludeke betont: „Ich habe dann unnötige Kosten, die ich hätte vermeiden können, wenn ich rechtzeitig Bescheid gewusst hätte.“

„Für spezielle Tage und Events, bei denen ein Tisch für einen Gast den ganzen Abend lang vorgesehen ist, müssen die Gäste in Vorkasse treten“, erzählt der Felsenmühle-Inhaber. „Bei Veranstaltungen wie Geburtstagsfeiern fragen wir schon eine Woche vorher nach der Personenzahl und die kann dann nicht mehr geändert werden“, sagt der Gastronom. „Auf diese Anzahl richten wir uns ein und für die werde auch bezahlt.“ Manche Restaurant-Inhaber würden schon darüber nachdenken, für jeden nicht erschienen Gast eine Pauschale in Rechnung zu stellen, erzählt Ludeke. In den USA sei diese Vorgehensweise bereits Gang und Gäbe. „So weit will ich noch nicht gehen. Aber wenn sich der gegenwärtige Trend fortsetzt, kann es sein, dass man sich irgendwann dazu genötigt sieht“, räumt er ein.

Plötzliche Absagen kennen auch Christiane und Olaf Bank vom Restaurant Zum Blauen Fuchs in Steinberg-Deckenhardt. „Das passiert zwar nicht jeden Tag, aber zwei- bis dreimal die Woche kommt es schon vor, dass jemand zum Beispiel für 18.30 Uhr reserviert hat und dann um 18.20 Uhr anruft, er sei krank“, erzählt Christiane Bank. Wenn man die Kunden dann darauf anspreche, dass solche kurzfristigen Absagen nicht in Ordnung seien, stoße man meist auf Unverständnis. „Den Leuten ist nicht klar, was das alles für den Gastronom bedeutet“, sagt Inhaber Olaf Bank. „Wenn wir an einem Abend mit vielen Gästen rechnen, bitten wir zusätzliche Aushilfen ins Restaurant, die wir dann bezahlen müssen – ob die Gäste kommen, oder nicht“, erläutert Bank.

Doch das Problem reiche noch weiter: „An der Gastronomie hängen so viele andere Betriebe dran: Bäcker, Metzger, Getränkelieferanten, Wäscherei, Malerbetriebe und so weiter.“ Wenn Gäste kurzfristig absagten oder einfach nicht kämen, obwohl sie einen Tisch reserviert hätten, schadeten sie auch allen anderen Betrieben. „Die Menschen müssen sich klarmachen, dass sie einen Vertrag eingehen, wenn sie einen Tisch reservieren“, betont Olaf Bank. „Ich bin seit 36 Jahren im Geschäft, und ich kann sehen, dass es schlimmer wird“, beobachtet Olaf Bank. Wenn sich das Verhalten der meisten Leute nicht ändere, befürchtet der Gastronom, dass es auch die wenigen Restaurants, die auf dem Land noch verblieben sind, in zehn Jahren nicht mehr geben wird.

Nicht ganz so viele schlechte Erfahrungen haben Thomas Nickels und Sigrune Essenpreis vom Landgasthof Paulus in Sitzerath gemacht. „Wir sind hier in der siebten Generation und daher im Ort und in der Region sehr bekannt“, verrät Nickels. „Wir haben viele Stammgäste, die wir auch persönlich kennen“, sagt seine Ehefrau Sigrune Essenpreis. „Wenn die einen Tisch reservieren, können wir davon ausgehen, dass sie auch kommen. Und wenn irgendetwas dazwischenkommt, dann können wir uns darauf verlassen, dass sie uns Bescheid geben. Es kommt so gut wie nicht vor, dass uns Gäste, die wir persönlich kennen, so im Stich lassen“, sagt Essenpreis. Doch es gebe auch Ausnahmen: „Jetzt an Silvester war es zum Beispiel so, dass zwei Personen, die wir sogar kennen, einfach nicht gekommen sind. Die können bei uns jetzt keinen Tisch mehr reservieren. So einfach ist das“, sagt Essenpreis.

Um die Reservierungen so zu handhaben, wie es Christian Bau in seinem Restaurant in Nennig tut, bräuchte man einen zusätzlichen Mitarbeiter, der nur die Reservierungen managt, erläutern die Sitzerather Gastronomen. Das geht Nickels und Essenpreis zu weit. „Das wollen wir einfach gar nicht. Das passt auch nicht zu unserem Selbstbild“, sagt Essenpreis. Als Gastgeber wollten sie nicht von vorneherein misstrauisch sein, sondern den Gästen Vertrauen schenken. „Und dieses Vertrauen bekommen wir in der Regel auch zurück.“ Die beiden gestehen jedoch ein, dass sie das Vorgehen des Nenniger Sterne-Kochs nachvollziehen können. „In dem Restaurant haben sie nur wenige Tische und auch einen ganz anderen Pro-Kopf-Umsatz als wir“, sagt Essenpreis. „An seiner Stelle würde ich es genauso machen.“ Thomas Nickels freut auch, dass Christian Bau das Thema bundesweit ins Gespräch gebracht hat. „Dem Gast muss klar werden, dass es eine Frage des Anstands ist, eine Reservierung einzuhalten.“

Die Erfahrungen der anderen Gastronomen im Landkreis teilt auch Sterne-Koch Alexander Kunz, der in Bliesen das Restaurant Kunz betreibt. „Es kommt immer mal wieder vor, dass Gäste ihre Tischreservierung kurzfristig absagen oder gar nicht ins Restaurant kommen“, erzählt Kunz. Auch er habe beobachtet, dass so etwas inzwischen immer häufiger vorkomme, und nennt auch einen Grund dafür: „Die Zeiten haben sich geändert, die Welt dreht sich immer schneller.“ Daher würde schneller reserviert und schneller wieder abgesagt, meint der Sterne-Koch. In seinem Restaurant bemühe man sich daher, mit den Kunden in Kontakt zu bleiben und möglichst noch einmal nachzufragen, ob Gäste auch tatsächlich mit so vielen Leuten wie angekündigt kommen.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Maximilan Maas, Geschäftsführer des Café Le Journal in St. Wendel. „Wir arbeiten vor allem mit Sensibilisierung“, erzählt Maas. „Wir sagen: Kommunikation statt Sanktion. Wir kontaktieren mittwochs und donnerstags alle, die Tische für zehn Personen und mehr fürs Wochenende reserviert haben. Das hat sehr geholfen, in dem Telefongespräch geben die Leute dann oft an, dass sie jetzt doch mit weniger Personen oder zu einer anderen Uhrzeit kommen“, erklärt Maas. „Trotzdem ist es frustrierend, denn man fragt sich: Hätten die uns was gesagt, wenn wir sie nicht angerufen hätten?“

Dennoch komme es vor, dass vor allem an Feiertagen Gäste mit deutlich weniger Personen ins Lokal kämen, als ausgemacht. „Mich stört vor allem, dass viele den sozialen Aspekt nich sehen: Vor allem abends und an Wochenenden müssen viele Gäste warten und vertröstet werden, während andere sich mehr Plätze freihalten, als sie eigentlich brauchen“, sagt der Le-Journal-Inhaber. Bei Bestellungen für größere Tische werde daher am Telefon dennoch gesagt, dass pro fehlender Person zehn Euro berechnet werden müssten. Bisher sei das dank der verbesserten Kommunikation aber nicht nötig gewesen. „Ich bin entsetzt, dass es überhaupt so weit gekommen ist. Früher wäre so etwas undenkbar gewesen. Lange Zeit war es eher so, dass wir vergessen haben, einen Tisch freizuhalten, jetzt ist es gerade umgekehrt.“

 Sigrune Essenpreis und Thomas Nickels vom Landgasthof Paulus in Sitzerath schätzen ihre vielen Stammgäste.

Sigrune Essenpreis und Thomas Nickels vom Landgasthof Paulus in Sitzerath schätzen ihre vielen Stammgäste.

Foto: Landgasthof Paulus & Der Laden/David Kliewer
 Christian Ludeke, Inhaber der Felsenmühle in St. Wendel, bittet seine Gäste für spezielle Events bei der Reservierung zur Vorkasse.

Christian Ludeke, Inhaber der Felsenmühle in St. Wendel, bittet seine Gäste für spezielle Events bei der Reservierung zur Vorkasse.

Foto: Martin Trappen
 Le-Journal-Inhaber Maximilian Maas glaubt an „Kommunikation statt Sanktion“.

Le-Journal-Inhaber Maximilian Maas glaubt an „Kommunikation statt Sanktion“.

Foto: Martin Trappen
 Sternekoch Alexander Kunz.

Sternekoch Alexander Kunz.

Foto: Viktor Enns

Was sich besonders verändert habe, sei, dass immer spontaner, immer kurzfristiger reserviert werde. „Es kommt vor, dass Gäste um 7 Uhr anrufen und sagen, wir kommen um halb acht mit zehn Mann“, weiß Maas zu erzählen. Er beobachte ein solches Laisser-Faire-Verhalten der Gäste, dass sich der Le-Journal-Inhaber vorstellen kann, Reservierungen über kurz oder lang ganz abzuschaffen. „Wir können uns vorstellen, nur noch Tische für zehn Personen und mehr zu reservieren, auch an Feiertagen“, sagt Maas. „Selbst an den Weihnachtsfeiertagen gehen bei uns Anrufe von Gästen ein, die noch am selben Tag bei uns essen wollen. Dabei würde man meinen, Weihnachten wäre nichts Spontanes.“ Auch den Kunden scheinen Reservierungen immer weniger wichtig zu werden. „Die Menschen planen immer weniger voraus, entscheiden immer spontaner“, sagt Maas.

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