30 Jahre Mauerfall Besonders oder schon normal?

Der 9. November. Ein besonderer Tag in der deutschen Geschichte. Stichwort Reichspogromnacht 1938. Außerdem markiert er den Beginn der ersten deutschen Republik 1918. Aus aktuellem Anlass, nämlich dem 30. Jahrestag, will ich mich heute aber auf ein anderes, wichtiges Ereignis beschränken: auf den Mauerfall.

 Mai_Melanie

Mai_Melanie

Foto: SZ/Robby Lorenz

Der 9. November 1989 war ein bedeutender Tag, der wohl den meisten im Gedächtnis geblieben ist. Noch heute weiß jeder, was er genau zu diesem Zeitpunkt gemacht hat. Oder etwa nicht? Gleiches gilt auch für negative Ereignisse, etwa als John F. Kennedy erschossen wurde. Oder als am 11. September 2001 Flugzeuge ins World Trade Center flogen.

30 Jahre Mauerfall. Das heißt auch: Wer heute in den 30ern oder gar jünger ist, für den gibt es nur ein vereintes Deutschland. Alles andere ist Geschichte. Da gibt es keine emotionalen Erinnerungen, keine Erlebnisse von der Zeit, wie es vorher war. Es ist einfach so. Und doch diskutieren wir heute, nach drei Jahrzehnten und einem Generationswechsel, noch über ungleiche Löhne in Ost und West, über unterschiedliches Wahl-Verhalten, über Ausgleichszahlungen.

Dabei klingt es oft so, als sei damals in der DDR alles schlecht gewesen. Was absolut nicht so war. Ok, es war schon so, dass ich als Kind Angst hatte, über die Grenze zu fahren. Davor, dass Grenzbeamte unser Auto auseinanderschrauben. Und noch mehr ängstigte mich, die Hauptdurchgangsstraße zu verlassen. Weil meine Eltern mir gesagt hatten, dass man das auf keinen Fall machen darf. Aber es gibt auch Positives: Ich erinnere mich beispielsweise an ein vollwertiges Mittagessen in Oranienburg für 83 Pfennig. Ich denke auch an ein Maniküre-Set, das mir mein Opa aus Ostberlin mitgebracht hat, als ich ein Kind war. Und das ich heute noch benutze. Und ich erinnere mich an das Päckchen, das jedes Jahr kurz vor Weihnachten von einer Verwandten aus Dresden kam: Darin war liebevoll verpackt leckerer Stollen.

Beide Seiten, Ost wie West, hatten also Gutes und Schlechtes zu bieten. Vielleicht sollten wir uns das heute vor Augen halten, wenn wir allzu schnell in typisch Ost und typisch West unterteilen. Dass sich ein Wessi auf ein Päckchen aus dem Osten freut, widerspricht schließlich auch jedem Klischee. Haben doch viele Westdeutsche zu DDR-Zeiten Pakete mit Kaffee und Pralinen in den Osten geschickt. Ein bisschen beneide ich die junge Generation, für die ein vereintes Deutschland Normalität ist. Keine Klischees mehr. Auf der anderen Seite bin ich froh, diesen bewegenden und besonderen Teil der Geschichte miterlebt zu haben.

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