Barocke Todesseligkeit, große Hymnen und ein sanftes "Kyrie"

Tholey. Auf mehr als sechzig Sängerinnen und Sänger war die bekannte Schaumberger Kantorei angewachsen, als sie unter Kantor Joachim Oehm (Kyllburg) die Arbeit am Requiem von John Rutter begann, und das Ergebnis hat jede Mühe gelohnt

Tholey. Auf mehr als sechzig Sängerinnen und Sänger war die bekannte Schaumberger Kantorei angewachsen, als sie unter Kantor Joachim Oehm (Kyllburg) die Arbeit am Requiem von John Rutter begann, und das Ergebnis hat jede Mühe gelohnt. Eine große Schar Zuhörer füllte die Tholeyer Abteikirche und war tief beeindruckt von einer vielseitigen und spannungsreichen Musik, deren tröstende Intention der Chor überzeugend vermittelte. Am Anfang stand die große Hymne "Hör, mein Bitten, Herr" von Felix Mendelssohn-Bartholdy, von der Solosopranistin Ursula Thies, die mit ihrer großen und flexiblen Stimme maßgeblichen Anteil am Gelingen des Konzerts hatte, im intensiven Dialog mit dem Chor gesungen. Ausgeglichen besetzt, war er ihr ein ebenbürtiger Partner, wenn er die dramatischen Momente des Werkes gestaltete, aber auch dann, wenn einfühlsame Begleitung gefragt war. Dezent wirkte auch Norbert Trierweiler an der großen Orgel mit: Dank elektronischer Bildübertragung war die Verständigung mit dem Dirigenten problemlos. Die ganze Bandbreite des barocken Pietismus kostete Ursula Thies in Johann Sebastian Bachs Lied "Komm, süßer Tod" aus, das sie sehr getragen und vorzüglich phrasiert zum Orgelarrangement von Sigfrid Karg-Elert vortrug. Solche Todesseligkeit ist dem 20. Jahrhundert fremd: John Rutter schrieb 1985 sein Requiem, in dem er ausgewählte Teile der lateinischen Totenmesse um englischsprachige Bibeltexte, wie man sie aus dem Brahms-Requiem kennt, erweiterte; bezeichnenderweise ist von der Vision des Jüngsten Gericht im "Dies irae" ("Tag des Zornes") nur der letzte Vers, "Pie Jesu Domine" als fromme Bitte geblieben. Sehr reizvoll war die von Rutter geschaffene Fassung für kleines Instrumentarium in der farbenreichen Kombination von Flöte (Sabine Vermeersch), Oboe (Robert Stoos), Violoncello (Sonja Lehrke), Pauke (Klaus Berlingen), Harfe (Ute Blaumer) und Orgel. Programmatisch setzte das Cello in tiefer Lage ein, bevor der Chor sein "Requiem aeternam" begann, zum "ewigen Licht" schimmerten Harfenakkorde auf. Der Gesang steigerte sich zum "Exaudi orationem meam" ("Erhöre mein Gebet") und hängte das "Kyrie", das sich wie die gesamte Melodik des Werkes weitgehend an der Sprachmelodie orientiert, als leisen Schluss an. Die tiefe Lage des Cellos prägte auch den folgenden Psalm "Aus der Tiefe rufe ich". Im Gegensatz standen die sanften Töne von Flöte und Oboe, die das Sopransolo "Pie Jesu" ("Milder Jesus") vorbereiteten, eine Meisterleistung von Ursula Thies, die auch bei den großen Intervallen ihre Stimme ausdrucksstark zu führen verstand. Ähnlich engelartig waren die Soprane und Tenöre des Chors beim "Sanctus" zu vernehmen; Glockenspiel und Harfe kennzeichneten die himmlische Entrückung. In das "Agnus Dei" waren Bibelworte zu Vergänglichkeit und Auferstehung eingeschoben. Während hier wie später bei "Lux aeterna" die Flöte mit Auferstehung assoziiert wurde, gab die Oboe dem Psalm "Der Herr ist mein Hirte" die eigene Atmosphäre. Alle Qualitäten des Chores und der Solisten vereinigte der Schlusssatz "Lux aeterna luceat eis" ("Das ewige Licht leuchte ihnen") mit schönen Kantilenen. Nicht von ungefähr hatte das Requiem sechs Monate nach seinem Erscheinen allein in Amerika über 500 Aufführungen erlebt, und das nicht durch Konzessionen an den aktuellen Musikkonsum, sondern durch seinen geistlichen Charakter.

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