St. Wendel dreht die Zeit zurück

St. Wendel. Wenn die Teilnehmer des St. Wendeler Ritterturniers vom 31. August bis 2. September zwischen den Wettkämpfen verschnaufen, sollten die Zuschauer die Pausen nutzen, das zeitgenössische Lager zu besuchen. Dort können sie Akteure in historischen Gewändern, alte Ausrüstungen oder Handwerker bei der Arbeit erleben

 Die Brettener Artillerie 1504 kommt in historischen Gewändern nach St. Wendel. Fotos: Heiko P. Wacker

Die Brettener Artillerie 1504 kommt in historischen Gewändern nach St. Wendel. Fotos: Heiko P. Wacker

St. Wendel. Wenn die Teilnehmer des St. Wendeler Ritterturniers vom 31. August bis 2. September zwischen den Wettkämpfen verschnaufen, sollten die Zuschauer die Pausen nutzen, das zeitgenössische Lager zu besuchen. Dort können sie Akteure in historischen Gewändern, alte Ausrüstungen oder Handwerker bei der Arbeit erleben. Aus ganz Europa sollen zudem verschiedene Gruppen anreisen, um für das richtige Flair im Lager zu sorgen, und zwar so, wie es um das Jahr 1512 gang und gäbe war. Denn damals besuchte Kaiser Maximilian I. St. Wendel. Daran soll das Turnier erinnern.Authentische Musik, Söldnergruppen, Fahnenschwenker - sie alle werden den Übergang von der Spätgotik zur Frührenaissance mit ihrer Präsenz dem Besucher verdeutlichen. So, als ob für drei Tage das 16. Jahrhundert in der Stadt Einzug hält.

Eine der Gruppen, die vertreten sein wird, ist die Brettener Artillerie 1504. Die etwa 40 Mitglieder fanden sich 2005 zusammen. "Wir sind ganz normale Menschen, die das lebendige Darstellen von Geschichte reizt", beschreibt Schriftführer Heiko Wacker seinen Verein. Der historische Hintergrund: 1504 wurde die baden-württembergische Stadt Bretten im Landshuter Erbfolgekrieg belagert. Jährlich erinnert das Brettener Peter-und-Paul-Stadtfest daran. Einwohner kleiden sich in zeitgenössische Gewänder, Söldner ziehen herum, Kanonen schießen. Die Brettener Artillerie 1504 verfügt nämlich über fünf authentische Kanonen, mit dreien wird sie nach St. Wendel kommen. Wacker: "Die Kanonen wurden zum Teil unter Verwendung von Industriestahl und mit einem Aufwand von vielen 100 Stunden gefertigt. Teilweise wurden auch ausgemusterte Militärgüter verwendet." Ein Geschütz sei aus einer Panzerabwehrkanone aus dem Zweiten Weltkrieg gebaut worden, ein anderes aus dem Geschützrohr eines T34-Panzers. Auch ein Bordgeschütz eines Militärflugzeugs fand schon Verwendung. "Und eine neue Bestimmung in sehr viel friedlicherem Zusammenhang", kommentiert Wacker. Wichtig sei es dem Verein, dass das Kriegsgerät der Zeit um 1504 entspreche. Dazu gehören auch selbst genähte Kleidung und eigens angefertigte Rüstungsteile, um wie zeitgenössische Söldner auszusehen.

Die Gruppe verstehe sich als lebendiges Museum, dass die Funktion und Bedienung frühneuzeitlicher Geschütztechnik begreifbar und erlebbar machen wolle. Der promovierte Historiker Wacker: "Es ist eine hässliche Sache, die wir darstellen, jedoch Teil unserer Geschichte. Aber keine Sorge, wir werden sehr friedlich bleiben." Das Kanonendonnern ließe sich mit keinem Kinofilm oder Computerspiel vergleichen. "Wenn die Geschütze feuern, dann hört, sieht, riecht und spürt man es. Ein Geschichtserlebnis für alle Sinne sozusagen", beschreibt Wacker.

 Gleich mehrere Kanonen sind im Besitz der Brettener Artillerie.

Gleich mehrere Kanonen sind im Besitz der Brettener Artillerie.

 Ein Fachmann beim Kanonenstopfen.

Ein Fachmann beim Kanonenstopfen.

Viele Mitglieder seien schon mal im Saarland gewesen, auch Wacker hat für seine Doktorarbeit einige Tage in Saarbrücken geforscht. Jedoch wird die Brettener Artillerie das erste Mal an Blies und Saar vertreten sein. Wacker: "Wir freuen uns auf das Fest, zumal St. Wendel ja im Herbst 1522 durch Franz von Sickingen belagert und beschossen wurde. Damit haben wir ja einen direkten zeitlichen Bezug zu unserem Jahr 1504."

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