St. Martin und die Narren
Homburg. Es kommt nicht so oft vor, dass sich St. Martin in der Homburger Redaktion unserer Zeitung die Ehre gibt. Genau genommen ist es eine St. Martina. Kerstin Gros wird in diesem Jahr beim Martinsumzug in der Innenstadt den Heiligen geben. Die 35-Jährige macht das zum ersten Mal - übrigens mit ihrer eigenen Stute Sweet Benito Dream
Homburg. Es kommt nicht so oft vor, dass sich St. Martin in der Homburger Redaktion unserer Zeitung die Ehre gibt. Genau genommen ist es eine St. Martina. Kerstin Gros wird in diesem Jahr beim Martinsumzug in der Innenstadt den Heiligen geben. Die 35-Jährige macht das zum ersten Mal - übrigens mit ihrer eigenen Stute Sweet Benito Dream. "Es ist für mich eine Ehre, dass ich das machen darf", sagt sie. Ihre Feuerprobe hat sie hinter sich - in Erbach. "Aufregend und aufwühlend war das, und das Pferd hat richtig gut mitgemacht."
Doch heute, am berühmten 11. 11., steht nicht nur der Martinstag auf dem Kalender, sondern auch der Start in die neue Fastnachtssession - eine Tatsache, die für viele befremdlich ist: närrisches Treiben hier und besinnliche Stimmung mit dem hehren Gedanken des Teilens da. Dabei hat beides viel mehr miteinander zu tun, als man denkt. Auch Ansgar Hoffmann ist in die Redaktion gekommen, er vereint die vermeintlichen Gegensätze sozusagen in seiner Person: Er ist Pastoralreferent, hat sich früher oft mit Martinsfeiern befasst, ist Religionslehrer und steht bei der Homburger Narrenzunft seit knapp zehn Jahren in der Bütt. "Das ist kein Widerspruch, sondern eben eine Parallele, die da ist", sagt er über die Gleichzeitigkeit an diesem Tag. Zumal beides ohnehin einen katholischen Ursprung hat. Die hohe Phase des Karnevals war da, um noch einmal "richtig draufzuhauen, bevor die Fastenzeit kommt", die Zeit, in der man dem Fleisch "lebe wohl" sagen muss. Und die Geschichte um Martin von Tours, der seinen Mantel mit einem Bettler teilte, ist ohnehin Legende.
Der 11. November stand allerdings einst am Beginn einer 40-tägigen Fastenzeit vor Weihnachten, war ein Tag, an dem noch viel gegessen wurde, erläutert Hoffmann. Im 19. Jahrhundert habe man dann diesen Tag als Sessionseröffnung vorgeschaltet, dazu habe sicher auch das Schnapszahl-Datum, die närrische Zahl elf, beigetragen. Eigentlich, so Hoffmann, beginne die Fastnacht nach dem Dreikönigstag. "Deswegen ist es auch so, dass nach der Sessionseröffnung nichts passiert, es ruht alles sofort danach wieder."
Er selbst wird zwar beim Start der HNZ in die tollen Tage dabei sein, doch "im Moment habe ich persönlich keine karnevalistischen Gefühle", wobei Klamauk ohnehin nicht seine Sache ist, er gehe mehr Richtung politisches Kabarett. Nach dem einleitenden närrischen Paukenschlag heute, "war es das erst einmal". Nun stünden der Trauermonat November, dann die Advents- und Weihnachtszeit im Mittelpunkt.
Kerstin Gros hat mit der Fastnacht nichts zu tun, "weder vom Glauben noch bei Festen oder Feierlichkeiten".
Zur St. Martins-Darstellerin wurde sie vor allem deswegen, weil sie seit langem reitet und ihr Pferd dafür besonders geeignet ist. "Da hat mich der Vorsitzende des Reit- und Fahrvereins Homburg angesprochen", nachdem das Pferd des langjährigen Homburger St. Martins in Rente gegangen war.
Wichtig sei auch das Martinsspiel, der Laternenumzug allein sage ohne den Hintergrund nichts aus, betont Ansgar Hoffmann. St. Martin sei eine gute Figur, um Kindern das Motiv des Teilens plastisch zu vermitteln. Neben dieser klassischen Szene ranken sich noch mehr Geschichten um den Heiligen, etwa die der Gänse, die ihn verrieten, als er sich im Stall versteckte, da er nicht Bischof werden wollte. Noch eine ganz andere Tradition gehört zum Martinstag. Er war der Tag, an dem Steuern fällig waren, die oft in Naturalien bezahlt wurden. Das, sagt Kerstin Gros, hat Spuren bis heute: "Wenn man bei einem alten Bauern eine Koppel pachtet, dann wird die an St. Martin bezahlt."
Wer mitlaufen möchte: Martinsumzug, heute um 17.15 Uhr vom Christian-Weber-Platz zum historischen Marktplatz