Sprachfaule Saarländer?

Saarbrücken. Graad selääds, grimmelwiedisch oder grammätschele: Im Saarland gibt es viele kuriose Wörter. Dass das Rheinfränkische und das Moselfränkische, die beiden Hauptmundarten hierzulande, die das Saarland vom Nordosten zum Südwesten hin teilen, auch aus wissenschaftlicher Perspektive besonders sind, untersuchen seit einigen Jahren Germanisten an der Saarbrücker Universität

 Seit 2006 erforscht der Germanist Christian Ramelli mit Hilfe von Mundart-Sprechern die saarländischen Dialekte. Diese unterliegen einem permanenten Wandel. Foto: Oliver Dietze

Seit 2006 erforscht der Germanist Christian Ramelli mit Hilfe von Mundart-Sprechern die saarländischen Dialekte. Diese unterliegen einem permanenten Wandel. Foto: Oliver Dietze

Saarbrücken. Graad selääds, grimmelwiedisch oder grammätschele: Im Saarland gibt es viele kuriose Wörter. Dass das Rheinfränkische und das Moselfränkische, die beiden Hauptmundarten hierzulande, die das Saarland vom Nordosten zum Südwesten hin teilen, auch aus wissenschaftlicher Perspektive besonders sind, untersuchen seit einigen Jahren Germanisten an der Saarbrücker Universität. "Beide Dialekte haben trotz ihrer Unterschiede ältere Sprachformen bewahrt", erklärt der Linguist Christian Ramelli. So offenbart etwa der viel zitierte Satz "Hauptsach gudd gess" nicht nur das Wesen des Saarländers, sondern auch seine sprachliche Eigenart. "Die Silbe 'ge' wird bei der Partizip-Bildung oft weggelassen, vor allem bei Verben mit 'g' oder 'k' im Anlaut", erklärt Ramelli. So heißt es oft "kaaf" für "gekauft" oder "gebb" für "gegeben". Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass sich der Saarländer bei diesen Verben das fehlende "ge" noch herleiten kann, anders bei den Verben finden oder bringen. "Die Formen 'brung' und 'funn' beziehungsweise 'fonn' sind Relikte, die langsam verschwinden, weil die Sprecher das Fehlen von 'ge' bei diesen Verben weder lautlich noch inhaltlich herleiten können", mutmaßt Ramelli.

Weniger Ortsdialekte

Warum im Saarland die Partizipien anders als in anderen deutschen Regionen verkürzt werden, könne auch an einer gewissen Sprachfaulheit liegen. "Aus kommunikativer Sicht ist das Kürzen von häufig gebrauchten Wörtern aber zweckmäßig und clever", verteidigt der 34 Jahre alte Rheinfranke seine Landsleute. Aber auch die Randlage könne zum sprachlichen Sonderweg beigetragen haben. Vom Westen her habe es praktisch keine sprachliche Beeinflussung gegeben und der Hunsrück sei früher eine erheblich größere Barriere gewesen als heute. Die größere Mobilität sowie der Einfluss der Medien habe sich auch auf die Sprache ausgewirkt. "Früher waren die Dialektunterschiede auch zwischen Orten, die nur fünf Kilometer auseinander liegen, größer als heute. Das nimmt zunehmend ab, die Mundart wird einheitlicher und gleicht sich an das Standarddeutsche an", hat Ramelli beobachtet. Dabei gibt es jedoch Unterschiede: "Unsere Forschungen zeigen, dass das Moselfränkische das alte Vokabular und die Verbformen stärker bewahrt als das Rheinfränkische. Das kann daran liegen, dass die Gegend, in der es gesprochen wird, ländlicher ist."

Viele junge Dialektsprecher

Die saarländischen Dialekte seien zudem etwas stabiler als andere deutsche Mundarten. "Viele sind in dem Ort geblieben, in dem sie geboren sind, anders als in Ballungszentren wie etwa dem Rhein-Main-Gebiet, wird die Sprache hier nicht durch Zugezogene beeinflusst." Das zeige sich auch am Selbstbewusstsein der Saarländer zu ihrer Sprache. "In einer Studie des Instituts für Deutsche Sprache haben sich die Saarländer deutschlandweit am kompetentesten im Sprechen eines Dialekts eingestuft", sagt Ramelli. Anders als andernorts halten sich hier auch viele jüngere Menschen für Dialektsprecher.

In einer neuen Untersuchung wollen die Wissenschaftler nun unter anderem der Frage nachgehen, inwiefern sich die Dialekte im Saarland von den in Luxemburg und Rheinland-Pfalz gesprochenen Varianten unterscheiden. Dafür haben sie einen Online-Fragebogen mit 18 Fragen entwickelt. Mitmachen kann jeder saarländische Dialektsprecher. "Es müssen dabei Sätze aus dem Standarddeutschen in den jeweiligen Ortsdialekt übersetzt werden", erklärt Ramelli.

Allen Veränderungen zum Trotz werden sich die Dialekte im Saarland halten, ist sich Christian Ramelli sicher: "Ich beobachte gerade bei Jüngeren, dass sie in der Kommunikation in den Neuen Medien häufiger im Dialekt schreiben."

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