Sperriger Gedenktag für die Saar

Saarbrücken. Auch nach 75 Jahren gibt das Ergebnis der Volksabstimmung vom 13. Januar 1935 noch Rätsel auf. Unerklärlich aus heutiger Sicht bleibt die Tatsache, warum sich damals über 90 Prozent der Saarländer für die Rückkehr "heim ins Reich" entschieden haben

Saarbrücken. Auch nach 75 Jahren gibt das Ergebnis der Volksabstimmung vom 13. Januar 1935 noch Rätsel auf. Unerklärlich aus heutiger Sicht bleibt die Tatsache, warum sich damals über 90 Prozent der Saarländer für die Rückkehr "heim ins Reich" entschieden haben. Wo doch der Nationalsozialismus mit der Verfolgung von Sozialisten und Kommunisten sowie mit dem Röhm-Putsch bereits nachgewiesen hatte, dass er in der Durchsetzung seiner Ziele auch auf Gewalt und Terror setzte.

Diese Fragen nach dem überwältigenden Ergebnis der Volksabstimmung warf auch der Historiker Joachim Heinz auf, als er am Mittwoch, wie kurz gemeldet, die Ausstellung "Nie zu Hitler" in der Saarbrücker Stadtbibliothek eröffnete.

Heinz zeigt sich wissbegierig: "War es eine national motivierte Abstimmung trotz Hitler, also für Deutschland, ohne Beachtung der damaligen politischen Situation - oder doch wesentlich für Hitlerdeutschland? Oder gar in größerem Umfang wegen Hitler?"

Um diese Problematik näher zu erschließen, stellt Heinz den Widerstand gegen die Rückkehr der Saar ins Deutsche Reich in den Mittelpunkt seiner Überlegungen. Er geht auf Figuren des Widerstands ein, wie auf den Sozialdemokraten Max Braun, den Kommunisten Fritz Pfordt oder auf Pater Hugolinus Dörr oder Johannes Hoffmann, die sich auf katholischer Seite querlegten. Die entscheidende Wertung von Joachim Heinz, der auch häufig für die Stiftung Demokratie Saarland geschichtliche Themen bearbeitet: "Ich glaube, dass der Patriotismus der großen Mehrheit damals nicht demokratisch fundiert war, sondern fundiert war auf dem historisch-politischen Mainstream der Nachkriegsjahre, der gerade auch im Saargebiet mehrheitlich von Schlagworten wie Schandfrieden, Erbfeind Frankreich und französischem Imperialismus sowie kultureller Verwelschung geprägt war." Entsprechend folgert er, dass die Befürworter des Status quo an der Saar, der Fortführung der Völkerbunds-Verwaltung, "einen mutigen Beitrag zum antifaschistischen Widerstand in Deutschland geleistet" hätten. Nicht ausgeleuchtet wird in dieser Ausstellung, die bis zum 13. Februar zu besichtigen ist, jedoch die Ablehnung der Völkerbund-Verwaltung durch die Saar-Bevölkerung. Im Mittelpunkt steht die Kundgebung der antifaschistischen Einheitsfront, die am 26. August 1934 geschätzte 80 000 Sozialisten und Kommunisten in Sulzbach versammelte. Damit gerät etwas außer Acht, dass die "Rückkehr der Saar zu Deutschland bis 1933 unstrittig" war, wie Heinz selbst sagt; dass also bis zur Machtergreifung von Hitler nie jemand irgendeinen Zweifel daran gehegt hätte, dass bei der Abstimmung nur eine Rückkehr "heim ins Reich" herauskäme.

Doch dies lag nicht nur daran, dass die Menschen an der Saar sich auf Begriffe wie Schandfrieden oder Erbfeind fixierten. Vielmehr war es die Kommission des Völkerbunds, die der Saar-Bevölkerung sämtliche Alternativen zur Heimkehr ins Reich innerhalb von 15 Jahren gründlich vergällt hatte. Es gab zahlreiche Streiks, Widerstand und zivilen Ungehorsam.

Vor allem Journalisten, die nicht so berichteten, wie die Kommission es sich vorstellte, wurden in Gefängnisse gesteckt oder ausgewiesen. Und diese Meinungsführer arbeiteten lange Zeit auf die zuletzt umstrittene Heimkehr hin.

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