Sorge über Gewalt gegen Polizisten

Türkismühle. Er ist für 50 Kollegen verantwortlich. 50 Beamte, die im Einzugsgebiet der Türkismühler Polizeiinspektion bei Notlagen in kurzer Zeit an der Unglücksstelle helfen sollen. Für 41 000 Einwohner in fünf Gemeinden, zwischen Baltersweiler kurz vor St. Wendel im Süden und Sitzerath im äußersten Nordwestzipfel

Türkismühle. Er ist für 50 Kollegen verantwortlich. 50 Beamte, die im Einzugsgebiet der Türkismühler Polizeiinspektion bei Notlagen in kurzer Zeit an der Unglücksstelle helfen sollen. Für 41 000 Einwohner in fünf Gemeinden, zwischen Baltersweiler kurz vor St. Wendel im Süden und Sitzerath im äußersten Nordwestzipfel. Doch immer öfter werden die Ermittler selbst Opfer. Für den stellvertretenden Inspektionsleiter Andreas Riemenschneider (Foto: hgn) eine Entwicklung, die ihm zu schaffen macht. "Es macht mir Kopfzerbrechen, wenn Kollegen im Dienst verletzt werden." Doch was er damit meint, sind nicht nur Unfälle während ihres Einsatzes. Es sind Übergriffe, denen sich Polizisten zunehmend ausgesetzt sehen. Riemenschneider beschreibt dies im sachlichen Beamtendeutsch: "Die Zahl der Widerstandhandlungen steigt an." Und das seit Jahren. Dabei meine er nicht nur Wutausdrücke bis hin zu Beleidigungen. Polizisten müssten Schläge, brutale Attacken über sich ergehen lassen.Der 46-Jährige zu den Gründen dafür: "Der Respekt vor der Uniform geht stets zurück." Doch dies sei nur die Folge einer allgemeinen sich veränderten Haltung. "Er hat mit dem Wertewandel in der Gesellschaft zu tun." Für Riemenschneider der Auslöser für eine allgemeine Respektlosigkeit. Und das bekämen auch immer stärker seine Berufskollegen zu spüren. Riemenschneider verlässt den sachlichen Beamtenton: "Das ist, was mir am meisten zu schaffen macht." Konkrete Zahlen für den Türkismühler Polizeibereich liegen ihm zwar nicht vor. Aber saarland- und bundesweite Statistiken belegten diese Tendenz.

Trotz alledem, die Arbeit macht dem eben erst in Türkismühle angetretenen Vize-Chef Spaß. Die Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen sei vorbildlich, unterstreicht der gebürtige Primstaler. "Ich schätze die Arbeit der Freiwilligen sehr hoch." Damit meint er unter anderem die Feuerwehren, das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und das Technische Hilfswerk (THW), mit denen die Polizei im Katastrophenschutzstab des Landkreises St. Wendel "sehr gut zusammenarbeitet". Während der Routinearbeit falle dies für die Türkismühler Inspektion besonders ins Gewicht. Denn in deren Gebiet liegen zwei stark befahrene Autobahnabschnitte: die A 1 zwischen Landesgrenze bis Primstal sowie die A 62, die von Türkismühle aus von Freisen bis zu den rheinland-pfälzischen Nachbarn in Hermeskeil betreut wird. Erst recht in den Wintermonaten müsse sich die Polizei auf zahlreiche Unfälle und Störungen insbesondere auf der A 62 gefasst machen: Riemenschneider: "Viele Fahrer unterschätzen die Wetterlage." Auf der rasch ansteigenden Autobahn werde häufig in den Höhenlagen nicht mit Schneeglätte gerechnet. Wie im Dezember, als ein Laster in einen Graben rutschte und bei Freisen in Richtung Trier die Strecke für Stunden blockierte. Und das ausgerechnet noch in einer Baustelle (wir berichteten). Damals versorgten DRK-Helfer die in ihren kalten Autos festsitzenden Fahrer, Feuerwehren sicherten die Unfallstelle ab. Übrigens: Engpässe an Autobahnbaustellen blieben sowohl den Fahrern als auch den Ordnungshütern erhalten.

"Das ist, was mir am meisten zu schaffen macht."

Andreas Riemenschneider zur zunehmenden Gewalt gegenüber Polizeikollegen

Meinung

Brutaler

Werteverfall

Von SZ-RedakteurMatthias Zimmermann

Ist es wirklich nur der fehlende Respekt vor der Uniform, der Polizisten immer öfter zu Opfern von Übergriffen werden lässt? Das allein reicht nicht. Aggressionen werden zunehmend brutaler ausgelassen. Beispielsweise wenn Menschen malträtiert werden, auch wenn sie längst wehrlos am Boden liegen. Doch es bedarf keiner solcher Horrorszenarien: Schon ein banaler Nachbarschaftszwist ufert immer wieder in übelste Beschimpfungen aus, bis sich Richter damit befassen müssen. Der gesellschaftlich vernünftige Umgang hat empfindliche Schrammen abbekommen. In diesem Zusammenhang sollten wir uns alle Gedanken machen, wie wir diesen Werteverfall wieder in den Griff bekommen.

Zur Person

Andreas Riemenschneider (46) stammt aus Primstal. Nach seiner Ausbildung von 1982 bis 1986 war er als Polizist zuerst in Wadern eingesetzt. Von 1993 bis 1996 studierte er an der Fachhochschule (FH) für Verwaltung in Dudweiler. Anschließend war er Dienstgruppenleiter in Bous (ab 2001), Türkismühle (ab 2003) und St. Wendel (ab 2006). Seit 14. Februar arbeitet Riemenschneider als stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion in Türkismühle. Offiziell erhielt er seine Ernennungsurkunde am 1. März. Die Stelle des Inspektionschefs ist zurzeit ausgeschrieben.

Der Polizeihauptkommissar lebt in Pfeffelbach/Landkreis Kusel mit seiner Lebensgefährtin. Er spricht von sich als "Wahl-Pfälzer". Er hat eine Tochter (12) aus erster Ehe. Seine Hobbys sind Blasmusik und Mountainbike-Sport. hgn

Auf einen Blick

Die Polizeiinspektion in Türkismühle hat zurzeit 50 Beamte, darunter zwei Frauen. Sie ist für rund 41 000 Menschen in der Nordhälfte des Landkreises St. Wendel zuständig.

Vier Polizeiposten gehören zum Einzugsbereich: Nonnweiler (mit drei Polizisten in der Volksbank untergebracht), Freisen (ebenfalls drei in der Sparkasse), Oberthal und Namborn (je zwei mit Büros in den Rathäusern).

Öffnungszeiten: Während die Posten in Oberthal und Namborn montags bis freitags nur während der Bürozeiten der Gemeindeverwaltungen besetzt sind, gelten für Nonnweiler und Freisen Öffnungszeiten zwischen sieben und 22 Uhr bis einschließlich Samstag. hgn

Kontakt: Telefon (0 68 52) 90 90.

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