Bundeswehr-Tradition „Soldaten waren wirklich gekränkt“

Saarlouis · Der ehemalige Kommandeur der Saarland-Brigade, Hans-Werner Fritz, will die Diskussion über Ursula von der Leyens Aussagen dennoch beenden.

 Der frühere Kommandeur der Saarland-Brigade, Hans-Werner Fritz, hier 2013 in seiner späteren Funktion als Befehlshaber des Einsatzführungskommandos.

Der frühere Kommandeur der Saarland-Brigade, Hans-Werner Fritz, hier 2013 in seiner späteren Funktion als Befehlshaber des Einsatzführungskommandos.

Foto: dpa/Marc Tirl

In der Diskussion über das Traditionsverständnis der Bundeswehr hat der ehemalige Kommandeur der Saarland-Brigade, Hans-Werner Fritz, für mehr Vertrauen in die Angehörigen der Streitkräfte geworben. „Wir können den Soldaten, auch den jungen, heute so viel Mündigkeit und Verstand zutrauen, dass sie beurteilen können, ob etwas unserem Traditionsverständnis entspricht oder nicht“, sagte der pensionierte Generalleutnant und aktuelle Präsident des Bundes Deutscher Fallschirmjäger in einem SZ-Gespräch. Die Bundeswehr habe zum Beispiel noch nie ein so gut ausgebildetes Offizierskorps gehabt wie heute.

Die Äußerungen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) von Ende April über ein angebliches Haltungsproblem und eine Führungsschwäche in der Bundeswehr könne er sich nur so erklären, dass es damals einen gewissen Druck aus der Öffentlichkeit und aus den Medien gegeben habe. „Ich persönlich habe mich über diese Äußerung wirklich geärgert und war erschrocken, weil das gar nicht zur Ministerin gepasst hat“, so Fritz. Die Soldaten seien „zum Teil wirklich gekränkt“ gewesen und hätten ihr das übel genommen.

Von der Leyen habe sich mittlerweile jedoch mehrfach entschuldigt, sie habe eine Ehrenerklärung für die Bundeswehr abgegeben und verstanden, dass die Armee „eine Seele hat“, so Fritz. „Ich denke, wir sollten diese Diskussion jetzt ad acta legen.“ Sie sei aber ein Einschnitt gewesen, möglicherweise bleibe eine Narbe zurück, darüber müsse man sich im Klaren sein.

Fritz war von 2003 bis 2005 Kommandeur der damaligen Luftlandebrigade 26 mit Standorten in Saarlouis, Merzig, Lebach und Zweibrücken. Später war er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2015 Befehlshaber des für die Auslandseinsätze zuständigen Einsatzführungskommandos bei Potsdam und damit einer der bedeutendsten Generäle der Bundeswehr.

Zu den Durchsuchungen der Kasernen auf Wehrmachts-Devotionalien sagte Fritz: „Wenn man sich das Ergebnis anschaut, ist das gar kein richtiges Problem.“ Er sei sich nicht sicher, ob alle gefundenen Gegenstände tatsächlich Devotionalien seien. „Nicht ganz ernst gemeint“ fügte er hinzu: „Schauen Sie sich mal die Freiwilligen Feuerwehren an, dort sehen die Helme zum Teil aus wie die Stahlhelme der Wehrmacht.“

Fritz sagte, er könne sich nicht daran erinnern, dass es in seiner Zeit als Brigadekommandeur Verstöße gegen den Traditionserlass gegeben habe, der unter anderem den Umgang mit historischen Waffen, Abzeichen und Urkunden regelt. „Wenn etwas gewesen wäre, hätte ich eingegriffen“, sagte Fritz. „Wo ich nicht eingegriffen habe: Wenn ich in einem Büro in meinem Stab oder sonst wo Fotos gesehen habe, die Großväter in Wehrmachtsuniform gezeigt haben. So viel persönliche Freiheit sollte man den Soldaten lassen.“ Der ehemalige Drei-Sterne-General, der heute in Meckenheim bei Bonn lebt, gab zu bedenken, dass es beim Aufbau der Bundeswehr „keine Stunde null“ gegeben habe. Sie sei von Offizieren und Unteroffizieren aufgebaut worden, die bereits in der Wehrmacht und einige wenige auch in der Waffen-SS gedient hätten. Gründungsväter der Bundeswehr mit Wehrmachts-Erfahrung hätten das Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“ und die „Innere Führung“ entworfen. Bis zu Beginn der Auslandseinsätze vor gut 20 Jahren sei die Bezugsgröße soldatischer Erfahrung immer nur der Zweite Weltkrieg gewesen.

Fritz äußerte sich auch zum Traditionsverständnis der Luftlandetruppen. Die Fallschirmjäger seien im Dritten Reich gegründet und im Zweiten Weltkrieg für ein Unrechtsregime eingesetzt worden. Die Eroberung Kretas durch 10 000 deutsche Fallschirmjäger sei eine hochkomplexe Operation gewesen, die laut Fritz selbst mit heutigen Mitteln sehr anspruchsvoll zu planen wäre: „Die Operation damals war aus meiner Sicht mangelhaft geplant und hätte eigentlich gar nicht so durchgeführt werden dürfen.“

Das ausführliche Interview mit Hans-Werner Fritz lesen Sie hier.

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