"So einen Tag vergisst Du nicht"

Neunkirchen. Eigentlich hatte ihn sein Trainer Hennes Weisweiler im Konzept des Aufsteigers Borussia Mönchengladbach als linken Verteidiger eingeplant. Das war 1965, und Berti Vogts war gerade vom Heimatklub Büttgen aus der Kreisklasse an den Bökelberg gewechselt

Neunkirchen. Eigentlich hatte ihn sein Trainer Hennes Weisweiler im Konzept des Aufsteigers Borussia Mönchengladbach als linken Verteidiger eingeplant. Das war 1965, und Berti Vogts war gerade vom Heimatklub Büttgen aus der Kreisklasse an den Bökelberg gewechselt. Und jetzt in Neunkirchen sollte er im ersten Bundesligaspiel des Klubs gleich den gefährlichen Rechtsaußen Elmar May ungefährlich werden lassen. Das war ein großer Vertrauensvorschuss des Trainers Hennes Weisweiler für seinen Benjamin. Beim Gastgeber änderte sich kurz vor dem Anpfiff das personelle Konzept. "May hatte Knieprobleme und spielte nicht", kramt Vogts eine gegnerische Personalie aus ferner Zeit hervor. Weisweiler reagierte prompt. Bertis Arbeitsplatz war nun nicht auf der linken, sondern auf der rechten Abwehrseite, Gegenspieler der Routinier Günter Kuntz. "Ach ja, der Vater vom Stefan Kuntz", erinnert sich Vogts. Günter Kuntz/Berti Vogts - das ist ein Altersunterschied von neun Jahren. Der kleine Verteidiger hatte starke Nerven und kein Lampenfieber, er spielte forsch auf. Der Routinier Kuntz spielte nicht schlecht, aber Vogts praktizierte den Begriff "Manndeckung" schon zur Premiere knallhart. Und das stand im Spielbericht der Saarbrücker Zeitung am 16. August 1965: "Kuntz hatte das Pech, dass er mit dem erst 18-jährigen Vogts den besten aller Abwehrspieler gegen sich hatte." Der Jugendnationalspieler suchte den "Nahkampf", wich dem erprobten Stürmer nicht von den Füßen. Das Neunkircher Stadion als Startrampe in die (inter)nationale Fußball-Welt . . . Die "tolle Atmosphäre" im Ellenfeld hat Berti noch in bester Erinnerung, "nicht weil wir dort unser allererstes Bundesligaspiel nicht verloren haben", sondern weil dieser erste Tag in einem neuen sportlichen Umfeld "zum Wegweiser für mein weiteres Leben" geworden war. Selbstbewusst, zäh, zweikampfstark, keine Bange vor dem routinierten Widersacher. Vogts hat sich in der Hüttenstadt viele Details aus dem Bundesliga-Alltag gut gemerkt und sie in seiner Karriere sinnvoll verwertet. "Ich kam von einem Kreisklassenverein, war erst 18 und stand noch in der Berufsausbildung. Und dann solch ein Erlebnis - nein, das vergisst man nicht." Die später ruhmreiche Niederrhein-Borussia hatte ihrem Benjamin Vogts viel zu verdanken. Hennes Weisweiler, sportlicher Ziehvater des Vollwaisen Hans-Hubert Vogts, wusste dessen Charakter- und Fußballstärke zu würdigen. Im Neunkircher Stadion bestand der große Kämpfer die Bundesliga-Aufnahmeprüfung mit Bravour. Berti Vogts, 102 Länderspiele, 67 Siege, 23 Unentschieden, zwölf Niederlagen, von 1990 bis 1998 DFB-Bundestrainer, erinnert sich gern an den 14. August 1965: "Einen solchen Tag vergisst Du im Leben nicht."

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