Sinnlose Diäten

Die Auswahl an Diät- und Abspeckprogrammen ist unübersichtlich groß. Es gibt zum Beispiel verschiedene fettreduzierte Diäten, Schrothkuren, Appetitzügler, zuckerreduzierte Diäten, Kohlsuppen-Diät, Trennkost, Steinzeit-Diät, Pulver als Ersatzmahlzeit, Diätpillen, Ananas-Diät oder Ballaststoff-Präparate. Populär sind nach wie vor althergebrachte Methoden wie FdH und Kalorienzählen

Die Auswahl an Diät- und Abspeckprogrammen ist unübersichtlich groß. Es gibt zum Beispiel verschiedene fettreduzierte Diäten, Schrothkuren, Appetitzügler, zuckerreduzierte Diäten, Kohlsuppen-Diät, Trennkost, Steinzeit-Diät, Pulver als Ersatzmahlzeit, Diätpillen, Ananas-Diät oder Ballaststoff-Präparate. Populär sind nach wie vor althergebrachte Methoden wie FdH und Kalorienzählen."Zwar kann man mit all diesen ,Methoden' augenscheinlich Gewicht auf der Waage verlieren, was einen Erfolg suggeriert. Doch wenn man diese Diäten nicht dauerhaft durchhalten kann, lösen sie die Gewichts- und Figurprobleme nicht", sagt Dr. Martina Herget, Professorin an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement in Saarbrücken. Stattdessen tritt der berühmt-berüchtigte Jo-Jo-Effekt ein. Oft liegt das Gewicht gar nicht lange nach Beendigung der Diät sogar höher als zuvor.

Wer zu Beginn seiner Crash-Diät schnell abnimmt, hat keinen Grund zum übermäßigen Jubeln. "Denn Fettabbau geht sehr langsam vonstatten. Der Körper verliert bei einer Diät anfangs hauptsächlich Wasser", erklärt Martina Herget. "Reduziert man die Nährstoffzufuhr, leert der Körper seine Zuckerdepots. Der Zucker ist in Form von Glykogen in Leber und Muskeln gespeichert. Der Vorrat umfasst etwa 500 Gramm. Da Glykogen die dreifache Menge Wasser bindet, die dann ebenfalls schwindet, verliert man sehr schnell zirka zwei Kilogramm Gewicht."

Isst man weiterhin sehr wenig, baut der Körper zusätzlich Eiweiß und somit Muskulatur ab, um seinen Energiebedarf sicherzustellen.

So führt eine Reduktion der Kalorienzufuhr zunächst zu einem spürbaren Gewichtsverlust, weil der Körper seine Vorratsspeicher anzapft. Allerdings fährt er auch seinen Stoffwechsel herunter, um den Energiebedarf zu drosseln und seine Depots zu schonen. Weniger Energiebedarf heißt aber auch weniger Fettabbau, weshalb nach einigen Wochen Diät das Gewicht nur noch wenig und langsam sinkt.

Der Stoffwechsel schläft bei einer Diät allerdings nie total ein, wie vor allem Frauen gerne meinen. Mit dem Argument, den Stoffwechsel wieder ankurbeln zu müssen, essen sie erst mal wieder tüchtig. Damit beschummeln sie sich jedoch selbst. Auch bei strengster Diät schläft der Stoffwechsel nicht völlig ein, weil der Körper seinen sogenannten Grundumsatz aufrechterhalten muss. "Damit wird die Energiemenge bezeichnet, die der Mensch im Ruhezustand braucht, um seine Körperfunktionen am Laufen zu halten", erläutert Martina Herget. Rund 70 Prozent der Energie benötigen das Gehirn und die inneren Organe, um ihre lebenswichtigen Aufgaben erfüllen zu können. Weitere zehn Prozent braucht der Körper für die Wärmeproduktion, Thermogenese genannt.

Zusätzliche Wärme produziert der Körper nach einem guten Mahl, aber auch unter anderen Voraussetzungen. Das ist zum Beispiel bei verstärkter Hormonproduktion unter Stress der Fall, bei intensiver geistiger Arbeit oder bei Temperaturveränderungen. Man spricht von adaptiver Thermogenese. Dadurch erhöht sich zwar der Energieverbrauch, aber nicht in dem Maße, dass ein nennenswerter Gewichtsverlust zu erwarten wäre.

"Bezogen auf den Energiebedarf werden pro Kilogramm Gewichtsverlust zirka 20 Kilokalorien weniger verbrannt", erläutert Martina Herget. Würde man also 20 Kilogramm Gewicht weghungern, würde man am Tag 300 bis 400 Kilokalorien weniger verbrennen. Auch bei extremen Hungerkuren verschwinden die Fettzellen nicht ganz. Sie entleeren sich nur, wodurch sie schrumpfen. "Gibt es wieder reichlich Nahrung, füllen sie sich schnell wieder auf, weil die Zufuhr weit über dem Bedarf liegt und der Überschuss gespeichert wird", sagt Martina Herget. Der Jo-Jo-Effekt tritt ein. Da der Körper während der Diät gelernt hat, mit weniger Energie auszukommen, genügen sogar kleinere als die vor der Diät üblichen Portionen, um das Gewicht hochzutreiben.

Reicht bei einer strengen Diät die mit den Nahrungsmitteln zugeführte Energie nicht mehr aus, um den Grundumsatz aufrechtzuerhalten, geht der Körper an seine Substanz. Das hat eindrucksvoll das "Minnesota-Experiment" gezeigt. 32 Männer nahmen 1944 freiwillig an einer Studie an der amerikanischen Universität Minnesota teil. Sechs Monate lang bekamen sie nur sehr wenig zu essen. Weil über die Nahrung zu wenig Energie zugeführt wurde, um den Grundumsatz aufrechterhalten zu können, beschaffte sich der Körper die benötigte Energie durch den Abbau von Körpermasse, darunter auch Muskelmasse. Der Stoffwechsel schlief nicht ein; die Teilnehmer wurden immer dürrer.

Um in Rekordzeit ein paar Pfunde loszuwerden, unterziehen sich vor allem Frauen immer wieder irgendwelchen Crash-Diäten. "Doch nur wenig oder sehr einseitig zu essen, hält keiner lange aus", meint Martina Herget. "In der Regel werden deshalb solche Crash-Diäten bald wieder abgebrochen." Nicht selten verlieren Menschen, die sich zwingen, viele Tage lang sehr wenig zu verzehren, schließlich die Kontrolle über sich und stopfen sich dann unkontrolliert voll. "Da reicht schon eine kleine Abweichung vom vorgegebenen Plan aus, um danach nach dem Motto ,Jetzt ist es auch schon egal' hemmungslos alles zu verschlingen", erläutert die Expertin. "Nirgends wird so viel geschummelt wie bei der Ernährung."

Kleine Sünden zwischendurch wie Kaffeestückchen, zuckerreiche Softdrinks, Süßigkeiten und Snacks werden aus dem Bewusstsein verdrängt. "Die wenigsten machen sich bewusst, wie viele zusätzliche Kalorien sie dadurch Tag für Tag aufnehmen", sagt Martina Herget.

Nimmt man ständig mehr Kalorien auf, als der Körper verbraucht, wird ein Teil der überschüssigen Energie in den Fettdepots gespeichert. Eine Studie an der Universität im schwedischen Linköping hat gezeigt, dass der andere Teil nicht im Hüftspeck landet, sondern in Wärme umgewandelt wird. Das ist jedoch von Mensch zu Mensch sehr verschieden. Die Studie lässt zudem darauf schließen, dass eine übermäßige Prasserei bei einigen wenigen sogar zu einem beachtlichen Zuwachs an Muskelmasse führen kann.

Wie man Pfunde langfristig erfolgreich loswird, ist kein Geheimnis: Man muss weniger Kalorien aufnehmen, als man verbraucht.

Es geht hier allerdings nicht um stark übergewichtige Menschen. Diese sollten sich auf jeden Fall ärztliche und therapeutische Unterstützung suchen. Bei ihnen ist eine Gewichtsabnahme schon aus gesundheitlichen Gründen angeraten: Dadurch verbessern sich der Zuckerstoffwechsel und die Blutfettwerte, das Herz-Kreislauf-Risiko sinkt und die Fettdepots bilden sich zurück.

Hier geht es um nur leicht dickliche Menschen, die sich eine bessere Figur und mehr Wohlbefinden wünschen. Der sinkende Energieverbrauch des Körpers macht allerdings bei allen Diäten jede weitere Gewichtsreduktion schwieriger.

Wer ein Gewichts- und Figurproblem hat, findet die Lösung nicht in kurzzeitigen Diäten. Wer ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen hat und deshalb sein Gewicht verringern und danach halten will, muss seine Ernährung dauerhaft umstellen und zusätzlich Sport treiben. "Nirgends wird so viel geschummelt wie bei der Ernährung."

Dr. Martina Herget, Professorin an der

Deutschen Hochschule

für Prävention und Gesundheitsmanagement

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