Sind wir nicht alle ein wenig rosa?

Es ist so eine Sache mit der Selbstreflexion. Vor allem reflektiert wohl die rosarote Brille. Ich würde von mir behaupten, modisch zu sein. Mein Freund meint oft, ich sei "farbenblind". Mir gefällt die Idee, ich sehe bei jedem zuerst das Gute. Meine Freunde sagen: "Du bist naiv." Ich widerspreche prompt

Es ist so eine Sache mit der Selbstreflexion. Vor allem reflektiert wohl die rosarote Brille. Ich würde von mir behaupten, modisch zu sein. Mein Freund meint oft, ich sei "farbenblind". Mir gefällt die Idee, ich sehe bei jedem zuerst das Gute. Meine Freunde sagen: "Du bist naiv." Ich widerspreche prompt. Kürzlich sollte ich mich bei den Lesern vorstellen, "damit man ein Bild bekommt, wer da schreibt", sagte meine Ressortleiterin. Und als wäre das nicht schwer genug, weil ich doch weiß, ich bin womöglich anders, als ich mich selbst sehe, schob sie nach: "Nur drei Sätze und mit Bezug auf Saarbrücken." Bei mir steht nun auch das Bekenntnis: "Ich mag die Menschen hier." Das stimmt, aber hätte ich mich nicht so knapp fassen müssen, stände da auch: "Aber, verdammt noch mal, leicht haben Sie es mir am Anfang nicht gemacht!" Warum? Auch Sie sind in Ihrer Selbsterkenntnis nicht ganz ehrlich. Gesellig ist der Saarbrücker? Ja, aber nur im vertrauten Kreis. Neuankömmlinge kommen nicht in den Genuss Ihres fröhlichen Beisammenseins, merkte ich als junge Studentin. Offen? Vergessen Sie es! Lange, einsame Monate verbrachte ich abseits Ihres Lachens. Genussfreudig? Wohl wahr, aber mit Fremden wird nicht geteilt...Kürzlich traf mein Freund einen Bekannten, den er lange nicht gesehen hatte. Er erzählte uns, dass er von Karlsruhe wieder nach Saarbrücken ziehen würde. "So richtig zuhause habe ich mich da nie gefühlt. Die Badener sind ein sehr verschlossenes Volk", resümierte er. "Bevor ich Saarbrückerin wurde, war ich 19 Jahre glückliche Badenerin", entgegnete ich schmunzelnd. "Dann gibt's du mir ja bestimmt Recht? Saarländer sind offener." Und plötzlich sah ich mich wieder als Studentin. Mein junges, ungeduldiges und farblich zusammengewürfeltes Spiegelbild reflektierte sich in seinen rosaroten Gläsern. Freundschaft braucht Zeit, eine Stadt auch.

Sie sehen schwarz? Dann schreiben Sie mir eine Mail an marija.herceg@gmx.de.

leben-in-saarbruecken.de

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