Sieben Tage lebte Matthias in Quarantäne"Ich meide Menschenmassen"

Kleinblittersdorf. Sieben junge Männer aus der Gemeinde Kleinblittersdorf feierten im Sommer ein verlängertes Wochenende auf Mallorca. Doch nach der Rückkehr klagte der 21-jährige Matthias Brocker abends über Halsschmerzen, am nächsten Tag kam Fieber hinzu. Im Krankenhaus bestätigte sich die Befürchtung: Schweinegrippe. "Das war eigentlich witzig

Kleinblittersdorf. Sieben junge Männer aus der Gemeinde Kleinblittersdorf feierten im Sommer ein verlängertes Wochenende auf Mallorca. Doch nach der Rückkehr klagte der 21-jährige Matthias Brocker abends über Halsschmerzen, am nächsten Tag kam Fieber hinzu. Im Krankenhaus bestätigte sich die Befürchtung: Schweinegrippe. "Das war eigentlich witzig. Ich saß im Wartezimmer des Winterberg-Krankenhauses mit anderen Patienten, dann wurde ein Abstrich von Nase und Mund gemacht", erzählt Brocker. "Dann ging der Arzt aus dem Zimmer, kam fünf Minuten später wieder völlig vermummt zurück und sagte mir, dass ich mich mit dem Schweinegrippe-Virus infiziert habe."Nach zweitägigem Krankenhausaufenthalt zur Kontrolle durfte der 21-Jährige wieder nach Hause, musste wegen der Ansteckungsgefahr aber sieben Tage lang in den eigenen vier Wänden in Quarantäne leben. "Ich war nach drei Tagen wieder fit, durfte aber mein Zimmer nur mit Mundschutz verlassen", berichtet Brocker, der die Mahlzeiten von seiner Mutter vor die Zimmertür gestellt bekam und dann per Klopfzeichen informiert wurde. "Das war total bescheuert. Nach sieben Tagen durfte ich wieder unter Menschen", erzählt Brocker. Aber die sieben Tage haben einen Grund. "Nach sieben Tagen hat der Mensch das Virus wieder komplett ausgeschieden und kann keine anderen Menschen mehr anstecken", erklärt Professorin Sigrun Smola von der Virologie der Uniklinik Homburg. Noch harmloser verlief die Krankheit bei Alexander Brandstetter. Während bei fünf der sieben Urlauber der Test negativ war, trug Brandstetter das Virus in sich. "Symptome hatte ich nie, es wurde nur festgestellt, dass ich den Virus habe. Ich hatte zwei Wochen Krankenschein und hatte im Prinzip gar nichts, außer dass mir die Decke auf den Kopf fiel, weil ich zu Hause bleiben musste", berichtet der 23-Jährige. Doch so harmlos wie bei den beiden Männern ist die Grippe nicht immer. "Vor allem bei älteren Menschen kann die Krankheit schlimmer verlaufen. Das ist aber bei allen Grippe-Erkrankungen so. 8000 bis 11 000 Menschen sterben deutschlandweit jedes Jahr an einer Grippe", sagt Sigrun Smola. Ein Schreckensszenario, bei dem das Virus mutiert und Grund für ein Massensterben ist, hält Smola für sehr unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. "Ein Mensch müsste sich gleichzeitig mit dem Schweinegrippe-Virus und einem Virus einer menschlichen Grippe infizieren. Und zwar über das gleiche Organ. Beide Viren müssen sich dann in einer Zelle verbinden. Wenn man Schweinegrippe über die Nase und menschliche Grippe über den Mund bekommt, ist eine Verbindung schon ausgeschlossen", sagt Smola. "Sollte so eine Verbindung in einer Zelle doch zustande kommen, ist noch nicht klar, ob das neue Virus überhaupt gefährlich ist und ob es gut von Mensch zu Mensch übertragbar ist", erklärt die Virologin. Je mehr Menschen mit dem Schweinegrippe-Virus infiziert sind, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass es zu solch einem Szenario kommt. Und ganz ausgeschlossen ist es nicht, dass sich zwei Viren in einer Zelle verbinden. "Das H1N1-Schweinegrippe-Virus ist bereits eine solche Verbindung. Und zwar aus Schweine-, Vogel-, und Menschengrippe-Viren", sagt Sigrun Smola.Saarbrücken. Der Kleinblittersdorfer Schüler Frederik Seewald (15) lässt die Schweinegrippe kalt. "Ich denke, dass andere Länder eher betroffen sind. Mein Verhalten im Alltag hat sich durch die Ansteckungsgefahr nicht verändert. Auch vorher habe ich nur ins Tempo geniest oder mir häufig die Hände gewaschen. Trotzdem würde ich nicht unbedingt nach Mallorca in Urlaub fahren und mich auch impfen lassen. Immerhin kann man zumindest vorbeugen."Bernadette Hiery-Spaniol (48), Diplom-Sozialarbeiterin aus Walpershofen, hat ebenfalls keine Angst, sich anzustecken. Sie hat sich bereits bei Behörden umgehört. "Beim Ministerium und Robert-Koch-Institut konnte man sich gut über vorbeugende Maßnahmen gegen das Virus informieren und daran halte ich mich. Ich würde zwar noch nach Mallorca in Urlaub fahren, allerdings nicht an den Ballermann, denn dort ist die Ansteckungsgefahr nachgewiesen höher." Die 85-Jährige Brigitte Reiter aus Saarbrücken fühlt sich sogar immun gegen die Schweinegrippe. "Mein ganzes Leben habe ich Sport getrieben und mich immer an Hygienevorschriften gehalten. Somit fühle ich mich abgehärtet und glaube nicht, dass ich mich anstecken könnte. Dennoch möchte ich es nicht drauf anlegen und meide beispielsweise größere Menschenansammlungen."Michele Parlagreco (36), Kinderbetreuer aus Saarbrücken, ist dagegen beunruhigt. "Man hört zwar im Umkreis von Saarbrücken wenig von der Schweinegrippe, trotzdem ist die Ansteckungsgefahr groß. Somit halte ich mich an die Empfehlungen von Ärzten und Behörden, größere Menschenmassen zu meiden. Weil ich ein kleines Kind habe, ist das häufige Händewaschen sowieso Pflicht. Die am meisten betroffenen Länder, wie zum Beispiel Spanien oder Mexiko, sind allerdings tabu. Sobald der Stoff auf dem Markt ist, werde ich mich impfen lassen." bub "Ich war nach drei Tagen wieder fit, durfte aber mein Zimmer nur mit Mundschutz verlassen."Matthias Brocker

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