Sie war die „Nitribitt von Tremmersdorf“

Saarbrücken · Die Schriftstellerin Marietta Schröder ist am vergangenen Freitag gestorben. Rainer Petto, der sie als ehemaliger SR-Kollege und Freund gut kannte, erinnert an eine Persönlichkeit, die in der Saarbrücker Kulturszene fehlen wird.

 Archivfoto von Marietta Schröder in ihrem Atelier. Foto: Iris Maurer

Archivfoto von Marietta Schröder in ihrem Atelier. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Ihr Lachen war so eruptiv, dass in ihrer SR-Zeit Vorgesetzte sie ermahnten, sich doch bitte zu mäßigen. Es war kein hysterisches, kein nervöses, auch kein kindisches Lachen, sondern die vitale Lebensäußerung einer erwachsenen Frau. So wie ihr Lachen die gedämpfte Atmosphäre einer Hörfunkredaktion aufsprengte, so sprengte Marietta alle bürgerlichen Konventionen. Dabei wollte sie gar nicht provozieren, nicht die Lebensweise anderer in Frage stellen. Sie war einfach so.

Marietta war eine Schriftstellerin. Sie schrieb meistens Autobiografisches, und ihr Leben gab weißgott viel her. 1957 in Erlangen geboren, aufgewachsen unter schwierigen Verhältnissen in der Oberpfalz. Versuch, mit dem Vater ihres Sohnes in dessen afrikanischer Heimat zu leben. Alleinerziehende Mutter. Kam mit unglaublich wenig materiellen Gütern aus, ohne unglücklich zu sein. War mutig, ließ sich nicht unterkriegen, probierte viel aus. Doch was immer sie machte, sie bewahrte sich eine schöne Portion Unschuld, manche würden sagen: Naivität. Lebte ein paar Jahre in einem Wohnwagen, wurde am Ende Hausbesitzerin in Saarbrücken. Aber was für ein Haus! Ein richtiges Marietta-Haus. Verborgen, verwinkelt, schwer heizbar, aber innen total freundlich in den Marietta-Farben.

Marietta schrieb, wie sie war. Sie war die "Nitribitt von Tremmersdorf" (ein Buchtitel von ihr, 1993), und sie war, zum größten Teil jedenfalls, all die Frauen in ihren Hörspielen und Anthologiebeiträgen. Sie hatte ein Diplom als Übersetzerin für Englisch und Russisch, schlug sich in den letzten Jahren durch mit der Übersetzung englischer Liebesromane. Für den Saarbrücker Kulturkalender "kakadu" betreute sie die Literaturrubrik und gab dort vielen Autoren eine Chance.

Als sie es nicht mehr ertrug, sich ihren Lebensunterhalt als Sekretärin in einem Büro zu verdienen, baute sie sich eine neue Existenz auf, als Reiki-Meisterin, am Ende sogar als Reiki-Lehrerin. Das passte gut zu ihr: Kontakt mit Menschen, anderen helfen. Mit Handauflegen. Sie glaubte fest daran, dass sie die Kraft hatte, ihre positiven Schwingungen auf andere zu übertragen.

Man könnte viele Dinge aufzählen, die sie gemacht hat, aber das beschreibt sie nur unvollkommen. Sie war nicht, was sie machte, sie war, was sie war, sie war eine Persönlichkeit.

Wenn man mit ihr irgendwo hinging, drehten sich die Köpfe nach ihr um: wegen ihres flammend roten Haarschopfs, ihrer bunten weiten Gewänder, und, wie gesagt, wegen ihres Lachens. Sie fiel auf, ohne es auch nur zu merken. Malern war sie ein begehrtes Modell. Dabei war sie nicht schrill, sondern eine sehr ernsthafte Frau, die viel verstand vom Seelenleben der Menschen. Sie war darin geschult, hatte Gestalttherapie gemacht, bei der Telefonseelsorge gearbeitet; vor allem aber hatte sie keine Vorurteile im Kopf und besaß ein weites Herz.

Dass eine Blutung im Gehirn sie nun von einem Tag auf den anderen aus dem Leben gerissen hat, ist unfassbar. Sie war der Inbegriff von Lebendigkeit, nichts in Mariettas Gegenwart war ferner als der Gedanke an den Tod.

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