"Sicherheits-Standards erhöhen""Insgesamt habe ich ein ungutes Gefühl"Betroffene informieren, evakuieren und untersuchen

Merzig-Wadern. "Cattenom: Zwei Arbeiter verstrahlt", "Störfälle im Kernkraftwerk Cattenom häufen sich". So lauteten zwei Überschriften von SZ-Berichten über das Kernkraftwerk im französischen Cattenom. Die ältere der beiden Schlagzeilen, die zweite, ist noch nicht einmal zwei Monate alt

 Im AKW Cattenom gab es mehrere Störfälle. Fotos: rup (1), ian (3)

Im AKW Cattenom gab es mehrere Störfälle. Fotos: rup (1), ian (3)

Merzig-Wadern. "Cattenom: Zwei Arbeiter verstrahlt", "Störfälle im Kernkraftwerk Cattenom häufen sich". So lauteten zwei Überschriften von SZ-Berichten über das Kernkraftwerk im französischen Cattenom. Die ältere der beiden Schlagzeilen, die zweite, ist noch nicht einmal zwei Monate alt. In den Tagen der nuklearen Katastrophe von Japan sind das Kernkraftwerk in Cattenom und die dortigen Störfälle wieder stärker ins Bewusstsein des Grünen Kreises gerückt.

Zäher Informationsfluss

Die Gemeinde Perl liegt nur wenige Kilometer Luftlinie entfernt vom französischen Kraftwerk. Entsprechend besorgt zeigt sich Bürgermeister Bruno Schmitt (SPD): "Nach den Vorfällen in Japan sollten die Sicherheits-Standards in Cattenom so schnell wie möglich erhöht werden", fordert Schmitt. "Bisher sind wir von Atom-Unfällen verschont geblieben. Die Frage ist: Wie lange noch?" Er sei eindeutig für den Ausstieg aus der Atomkraft, sagt Schmitt, "aber Cattenom werden wir nun mal nicht schließen können. Die Entscheidungsgewalt darüber liegt in Frankreich." Umso stärker müssten die Europäische Union, die Bundesregierung und das Land darauf drängen, die Sicherheits-Bestimmungen in Cattenom zu verbessern - und den Informationsfluss: "Von französischer Seite kommen die Informationen über Cattenom nur tröpfchenweise - wenn überhaupt", kritisiert Schmitt. Erschwerend komme hinzu, dass Perl und seine Ortsteile oft zuletzt informiert würden, obwohl sie am unmittelbarsten betroffen seien. Um seine Gemeinde besser vor Radioaktivität schützen zu können, fordert der Bürgermeister eine feste Mess-Station in Perl, die technisch auf dem neuesten Stand ist. Bereits vor Monaten habe Schmitt ein Schreiben an die Landesregierung und Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) geschickt, in dem er eine bessere Aufklärung im Fall Cattenom anmahne. Doch bislang habe Schmitt nur eine kurze Antwort des Bundesministeriums erhalten: Der Brief sei eingegangen.

Landrätin Daniela Schlegel-Friedrich (CDU) sagte, sie mache sich nach den Unfällen in Japan Gedanken und würde Atom-Kraftwerke "lieber heute als morgen abschalten". Allerdings gebe es einen riesigen Strombedarf, den alternative Energien nicht decken könnten, und schon gar nicht zu günstigen Preisen.

Gleichzeitig mahnte Schlegel-Friedrich zur Besonnenheit: "Unsere Sicherheitsvorkehrungen sind gut. Das Kraftwerk in Cattenom und die Strahlenwerte werden ständig kontrolliert."Merzig-Wadern. Wenn es im französischen Kraftwerk Cattenom zu einem schweren atomaren Unfall kommen sollte, würde im Kreis Merzig-Wadern ein bereits ausgearbeiteter und aktualisierter Notfallplan greifen. Darüber, welche Maßnahmen zu treffen sind, entscheidet und wacht das Landes-Innenministerium als oberste Behörde für den Katastrophenschutz. Nach einer Einschätzung der Situation befindet das Ministerium - je nach Schwere des Unfalls - darüber, ob nur ein Voralarm oder ein Alarm ausgelöst wird.

Der Landkreis beruft unter Führung der Landrätin einen zentralen Krisenstab ein und setzt die angeordneten Maßnahmen um - unter anderem in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr, der Polizei und dem Technischen Hilfswerk. Sämtliche Informationen laufen in einem Lagezentrum zusammen.

Die genauen Schritte, die der Landkreis unternimmt, hängen vom konkreten Einzelfall ab. Für einen Voralarm sieht der Notfallplan jedoch beispielsweise vor, die Bürger sofort zu informieren (über Radio, Fernsehen, Internet sowie Lautsprecher-Durchsagen) und sie dazu aufzufordern, ihre Häuser nicht zu verlassen und kein Gartenobst oder -gemüse zu essen. Darüber hinaus fahren Bedienstete die Stellen ab, an denen Strahlung gemessen wird und überprüfen die Werte.

Jodtabletten auf Vorrat

Im Falle eines Alarms reichen die Vorkehrungen deutlich weiter: Bürger aus den betroffenen Gebieten werden evakuiert, in freigeräumte öffentliche Gebäude gebracht, auf Strahlung untersucht und gegebenenfalls behandelt.

Darüber hinaus versorgt der Krisenstab des Landkreises die Bevölkerung mit Jodtabletten und kümmert sich um unbelastete Lebensmittel sowie Trinkwasser. Der Landkreis hat 64 Kartons mit jeweils 240 Packungen à 20 Tabletten vorrätig und diese bereits auf die einzelnen Gemeinden verteilt.

Zudem kann das Landes-Innenministerium im Notfall anordnen, den Straßen-, den Schienenverkehr und die Schifffahrt im betroffenen Gebiet einzuschränken oder sogar gänzlich zu untersagen. gha

Merzig-Wadern. "Atomkraft? - Nein danke!", das war der Tenor in der Merziger Fußgängerzone. "Hätte ich gewusst, dass hier ein Atomkraftwerk in der Nähe steht, wäre ich sicher nicht hier hingezogen", bedauert Anja Awischus. Die 44-jährige Merzigerin sorgt sich um Cattenom, "erst recht, wenn man Kinder hat". Bezüglich der Sicherheitsbekundungen seitens der Bundesregierung mache sie sich keine Illusionen: "Insgesamt habe ich ein ungutes Gefühl."

Auch Peter Gratz, 68, und Armin Siebenborn, 67, beide aus Merzig, finden: "Man sollte was unternehmen." Eine Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke kann Gratz "absolut nicht nachvollziehen". Weder Kraftwerksbetreiber noch Bundesregierung scheinen Siebenborn "vertrauenswürdig, was die Sicherheit der Meiler betrifft".

 Armin Siebenborn

Armin Siebenborn

 JörgNagel

JörgNagel

 Anja Awischus

Anja Awischus

Anika Leidinger zweifelt ebenfalls an der Sicherheit bei Atomstrom. "Das sollte man so schnell wie möglich beenden", findet die 25-Jährige. Allerdings komme die Debatte etwas spät. "Schon viel früher hätte dieses Thema diskutiert werden sollen." "Tschernobyl war schlimm", erinnert sich Jörg Nagel aus Reimsbach anlässlich der Ereignisse in Japan. Der 50-Jährige ist zwar gegen eine Fristverlängerung, aber er glaubt: "Geld regiert die Welt. Die Lobbyisten sind an Entscheidungsprozessen in der Politik zu massiv beteiligt." Darum würden die Atomkraftwerke bleiben. Schließlich reiche der Ökostrom für eine Umstellung nicht aus. Dass die alternative Energiegewinnung noch nicht ausgereift sei, findet auch Roland Leick. "Würde man die Atomkraftwerke jetzt abstellen, hätte keiner mehr Strom." Allerdings müssten seiner Meinung nach die Sicherheitsvorgaben international wesentlich strenger reguliert werden. Die Versprechungen der Bundesregierung reichen ihm bei Weitem nicht aus: "Das ist wie bei E 10 - sagen kann man viel."

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