Shutdown im Saarland Nichts ist mehr, wie es war

Saarbrücken · Der Shutdown verändert das Leben der Saarländer entscheidend. Am ersten Tag herrschte viel Unsicherheit und Ratlosigkeit – aber auch Unvernunft.

Shutdown im Saarland
Foto: SZ/Müller, Astrid

Überall im Land bricht sich an diesem Mittwoch der helle Frühling Bahn. Es wäre ein Tag der Superlative. Zeit, um Natur zu genießen, wären da nicht die Auswirkungen des unheilvollen Coronavirus. Über den sonnigen Tag legt sich der von der Landesregierung erlassene Shutdown, der dieser sonst so beschwingten Jahreszeit alle Leichtigkeit raubt. Eine gefühlte Mischung von Unwirklichkeit und Unsicherheit scheint sich am ersten Tag der ungewohnten Einschränkungen bei den Menschen im Saarland breit zu machen. Was ist noch erlaubt, was nicht? Man begegnet sich auf Abstand, wenn auch der Sonnenschein manche zum Bummeln in die Fußgängerzonen und die (Eis-)Cafés lockt. Auch dort herrscht offensichtlich weitgehend Disziplin. Passanten schütteln sich nicht mehr die Hände zur Begrüßung, zum Abschied heißt es häufig nicht mehr „bis bald“, sondern „bleib gesund“. Noch mal einen Kaffee im Freien, wer weiß, ob sich die Situation nicht morgen schon verschärft, nicht nur in der Landeshauptstadt Saarbrücken. Wenig Betrieb in der sonst so belebten Bahnhofstraße, in der Diskonto-Passage herrscht an diesem Tag Ladenschluss-Atmosphäre.

Nichts ist mehr wie es war in den Frühlingen zuvor. Getrübtes Flanieren – wenn überhaupt, denn auch in den anderen Innenstädten sind die meisten Geschäfte seit Mittwoch dicht. Manche nur teilweise. Pieper in Saarlouis etwa hält Lebensmittel­abteilung und Restaurant für seine Kunden geöffnet. Auch eine Frage der Logistik für so manches Geschäft. Auch für Buchhandlungen, die zusätzlich Zeitschriften verkaufen: So werden – wie etwa bei Bock & Seip in Merzig beobachtet – mit rot-weißen Absperrbändern Bücher- von Zeitschriftenabteilungen abgetrennt.

Andere Händler indes, wie etwa Buch und Papier Klein in St. Wendel, machen von der Erlaubnis, Zeitschriften weiter zu verkaufen, gar nicht erst Gebrauch – um Kunden und Mitarbeiter zu schützen. Eine bittere Zeit für viele Einzelhändler. „Wir waren gezwungen, zu schließen, und ich halte diese Entscheidung unserer Regierung für richtig“, sagt beispielsweise Ekkehart Houy, Inhaber der Textilhaus Houy GmbH in St. Wendel. In Neunkirchen zählt Center-Managerin Nicole Keller an diesem ersten Shutdown-Tag 250 Besucher in einer Stunde. An einem normalen Wochentag, erklärt sie, liege der Wert zwischen 1700 und 2300 Menschen im Saarpark-Center. Aushänge mit der Bitte an Kunden, in dieser Zeit nicht online zu kaufen, sind keine Seltenheit. Wie etwa in einem Schaufenster in St. Ingbert: „Wenn Ihr die nächsten Wochen zu Hause bleibt, wartet, bis alle Einzelhändler, alle regionalen Geschäfte wieder öffnen! Vermeidet Online-Käufe! Helft dem Einzelhandel danach, durch Eure Einkäufe diese Krise gemeinsam zu bewältigen. Danke!“

Doch nicht überall ist am Mittwoch das Verständnis für den Shutdown selbstverständlich. Dutzendfach müssen Ordnungsämter Inhaber von Geschäften erst dazu auffordern, viele Inhaber bangen um ihre Existenzen. In Neunkirchen schritt die Polizei ein, weil sich der Inhaber eines Einrichtungsgeschäfts zunächst weigerte, seinen Laden dichtzumachen. Die Situation konnte geklärt werden, ebenso wie in Saarbrücken, wo die Polizei gerufen wurde, weil auf einem Fußballplatz munter gekickt wurde, obwohl der Platz seit Mitternacht gesperrt war.

Der Präsident des Saarländischen Städte- und Gemeindetages, Hermann Josef Schmidt (CDU), beobachtete, dass viele Menschen die Einschränkungen zwar für richtig halten, sie in ihrem privaten Umfeld aber nicht umsetzen. In einer Video-Botschaft wandte sich Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) am Abend mit einem dringlichen Appell an die Saarländer: „Wenn ich sehe, dass teilweise trotz dieser Vorkehrungen Party gemacht wird, dass sich Leute draußen zusammensetzen und feiern (…), dann muss ich sagen: Das ist unverantwortlich, das geht nicht. So können wir dieses Virus nicht anpacken und nicht besiegen.“ Und er appellierte: „Bleiben Sie am besten zu Hause!“ Der St. Wendeler Landrat Udo Recktenwald (CDU) forderte eine Ausgangssperre.

Zahlreiche Betriebe reagierten verunsichert bis ratlos. Alle Geschäfte mit Waren des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel dürfen geöffnet bleiben. Was aber ist mit Kaufhäusern, die neben Lebensmitteln auch Spielzeug, Schreibwaren oder Bekleidung anbieten? Das wird im Saarland unterschiedlich gehandhabt. Die Warenhauskette Globus erklärte, man verhalte sich an den Standorten „entsprechend der jeweiligen behördlichen Entscheidungen“. Eine andere Frage lautete am Mittwoch: Was ist mit den Schuhmachern, Blumenläden oder Boutiquen in den Ladenzeilen der Warenhäuser? „Aufgrund der behördlichen Vorgaben kommt es nun gehäuft vor, dass Geschäfte in unsere Mall geschlossen werden müssen“, erklärte Globus.

Um die zahlreichen Zweifelsfälle zu klären, stand bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) das Telefon am Mittwoch nicht mehr still. Eine Sprecherin berichtete von hochemotionalen Anrufen, denn es gehe um die Existenz. Fragen bezogen sich auch auf das Kurzarbeitergeld, Liquiditätshilfen, Bürgschaften, Zuschüsse des Staates oder die Situation der Pendler.

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