Programmkritik Immer mehr Klagen über Fernsehen und Internet

Saarbrücken · Zu viel Sex und Gewalt, aber auch einseitige politische Berichterstattung ärgern TV-Zuschauer wie Internetnutzer. Nie zuvor ging eine solche Zahl an Beschwerden bei der Landesmedienanstalt ein. Die nervigste Sendung war das RTL-Dschungelcamp, aber auch die „heute-show“ bekam ihr Fett weg.

 Vielfach preisgekrönt, aber auch stark kritisiert: Der Spott der „heute-show“ über einen sprachbehinderten AfD-Abgeordneten führte zu etlichen Einsendungen beim Beschwerde-Portal der Landesmedienanstalt. Moderator Oliver Welke und das ZDF haben sich dafür aber entschuldigt.

Vielfach preisgekrönt, aber auch stark kritisiert: Der Spott der „heute-show“ über einen sprachbehinderten AfD-Abgeordneten führte zu etlichen Einsendungen beim Beschwerde-Portal der Landesmedienanstalt. Moderator Oliver Welke und das ZDF haben sich dafür aber entschuldigt.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Zu viel Sex und Gewalt auf der Mattscheibe, zu viel Diskriminierung und zu viel unausgewogene politische Berichterstattung: Noch nie haben Fernsehzuschauer, Radiohörer und Social-Media-Nutzer so oft über Sendungen, Programme und YouTube-Kanäle Beschwerde geführt wie dieses Jahr. Das Internet-Portal www.programmbeschwerde.de, das seit 2004 von der Landesmedienanstalt (LMS) Saarland deutschlandweit für die Gemeinschaft der Medienanstalten gemanagt wird, verzeichnet jedenfalls laut seinem dafür zuständigen Abteilungsleiter Werner J. Röhrig 2018 einen neuen Rekord.

Die gute Nachricht dabei: Allein mehr als zweitausend Bürgerbeschwerden, so weit sie nicht beleidigend oder völlig wirr formuliert waren, wurden von der Landesmedienanstalt, den zuständigen Sendern oder Aufsichtsbehörden nachgegangen. In einigen Einzelfällen gab es auch Verwarngelder ab 50 Euro (im Höchstfall sind sogar bis zu 50 000 Euro möglich) gegen die Sender-Verantwortlichen.

„Bis Mitte Dezember hatten wir in diesem Jahr schon 2030 meist per E-Mail eingereichte Beschwerden, gegenüber 1150 Anliegen im gesamten vergangenen Jahr“, berichtet Röhrig im Gespräch mit der Saarbrücker Zeitung. Die erhebliche Steigerung der Beschwerden ist nach seinen Angaben neben der insgesamt höheren Mediennutzung der Bevölkerung vor allem auf drei Ereignisse in den ersten Monaten 2018 zurückzuführen. Schwerpunkt im von der LMS beaufsichtigten privaten Fernsehen waren dabei 103 Beschwerden zur RTL-Sendung „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“ wegen Diskriminierung von Sinti- und Roma-Angehörigen. Einer der Kandidaten hatte dabei gesagt: „Hier sieht es ja aus wie bei den Zigeunern.“

Mehr als 90 Beschwerden erhielt aber auch der Kinderkanal KIKA für seine Sendung „Malvina, Diaa und die Liebe“, in der das Verhältnis eines Syrers mit einer 16-Jährigen Deutschen dargestellt wurde.

Und selbst preisgekrönte Fernsehformate sind nicht vor Beschwerden gefeit. 33 Klagen gab es über eine Ausgabe der Satire-Sendung „heute-show“ im ZDF wegen Diskriminierung eines sprachbehinderten AfD-Abgeordneten. „Für diesen Vorfall haben sich Oliver Welke und das ZDF mittlerweile entschuldigt“, sagt Röhrig.

Auch 2018 wieder weit oben auf der Kritik-Liste der TV-Beschwerdeführer stehen gewaltüberladene Programmtrailer in Vorabendsendungen sowie Werbungen für Erotik-Angebote im Tagesprogramm diverser privater Sender. „Aggressive Werbespots über Kondome und Orgasmus-Utensilien sollten vor 21 Uhr verboten werden“, fordert aus Gründen des Jugendschutzes ein Beschwerdeführer und fragt: „Wird es eigentlich immer schlimmer?“. Der Beschwerdeportal-Verantwortliche Röhrig verweist allerdings darauf, dass Erotik-Werbespots, so lange sie keine sexuellen Handlungen zeigen, nach dem Jugend-Medienschutzvertrag kaum medienrechtlich verfolgt werden können. Und er erläutert weiter: „Bis 20 Uhr dürfen TV-Sendungen, die ab 12 Jahre freigegeben sind, bis 22 Uhr frei ab 16 Jahre und erst ab 23 Uhr frei ab 18 Jahre gesendet werden.“

Eine Reihe von Beschwerden gab es in diesem Jahr auch wieder über angeblich einseitige Berichterstattung mit Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht, angefangen von der Fußball-WM bis zur Präsidenten-Wahl in Russland.

Im Bereich der neuen Medien – insbesondere bei YouTube und Instagram – gingen 140 Beschwerden ein, die vor allem die fehlende Kennzeichnung von Schleichwerbung und Produktplatzierungen beanstandeten, die insbesondere für Mode- und Kosmetikartikel ins Netz gestellt wurden.

Bei Radiosendungen richteten sich die meisten Beanstandungen gegen unangemessene Formulierungen von Moderatoren, gelegentlich wurden auch zu laute Hintergrundmusik, überzogene Gewinnspiele und Musiktitel mit destruktivem Rap moniert.

„Unser dieses Jahr neu überarbeitetes Internetportal www.programmbeschwerde.de bietet ein bewusst einfaches und auf wenige notwendige Angaben konzentriertes Beschwerde-Formular“, sagen Röhrig und LMS-Direktor Uwe Conradt: „Ein zentraler Service besteht darin, Bürgeranliegen an die richtige Stelle zu übermitteln, sei es eine zuständige Landesmedienanstalt, eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt oder eine dritte zuständige Stelle wie Presserat oder Werberat.“

Und wer einfach nur die Programmgestaltung oder die Programmauswahl eines Senders mies findet und das mal beanstanden möchte? „Diese Kritiken gehen direkt an die Zuschauer- und Hörerredaktionen der einzelnen Sender“, betonen die Programmbeschwerde-Verantwortlichen bei der LMS Saarland.

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