Seniorenhilfe im großen Stil

Saarwellingen. Die Saarwellinger wollen im Alter so lange es geht in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Aber was brauchen sie dazu? Mit diesem Kernthema hatte die Gemeinde Saarwellingen als Fortsetzung zu ihrer großen Seniorenbefragung (wir berichteten) Einwohner zum "Dialog Zukunft" eingeladen. Insgesamt 15 Menschen sind der Einladung gefolgt

 Saarwellingen stellt sich auf eine alternde Bevölkerung ein. Foto: dpa

Saarwellingen stellt sich auf eine alternde Bevölkerung ein. Foto: dpa

Saarwellingen. Die Saarwellinger wollen im Alter so lange es geht in ihren eigenen vier Wänden bleiben. Aber was brauchen sie dazu? Mit diesem Kernthema hatte die Gemeinde Saarwellingen als Fortsetzung zu ihrer großen Seniorenbefragung (wir berichteten) Einwohner zum "Dialog Zukunft" eingeladen. Insgesamt 15 Menschen sind der Einladung gefolgt."Vor dem Hintergrund einer sich ändernden Gesellschaft", sagt Roland Steffen, Leiter des Amtes für Jugend, Senioren und Soziales, stünden alle vor großen Herausforderungen: "Es gibt immer weniger Kinder. Immer weniger Kinder bleiben im Ort. Es arbeiten zunehmend Mann und Frau. Da wird die Vereinbarkeit von Familie und Pflege immer mehr ein Thema."

Und wenn man bedenke, dass mehr als 70 Prozent derer, die Hilfe im Alltag brauchen, die Unterstützung der Familie nutzen, aber nur 0,8 Prozent ehrenamtliche Dienste, müssten sich die Strukturen beim zu erwartenden Rückgang des familiären Einsatzes ändern.

Die herausragendste Idee der Teilnehmer des "Dialogs Zukunft" dazu ist wohl die Gründung eines gemeinnützigen Vereins, der im Prinzip all die kleinen Familien-, Nachbarschafts- und Freundschaftsdienste ersetzt, die es einem insgesamt fitten Senior ermöglichen, zu Hause wohnen zu bleiben, auch wenn nicht mehr alles so leicht von der Hand geht.

Vereinsmitglieder könnten alten Menschen daheim die Glühbirne wechseln, wenn sie nicht mehr auf die Leiter steigen können. Sie könnten der verwitweten Seniorin die Heizungsanlage anstellen, wenn sie nicht weiß, wie das geht, weil das immer ihr Mann getan hat. Sie könnten das Altglas in den Container bringen oder Ähnliches erledigen. Dieser Verein soll aber ganz klar keine Konkurrenz zu Pflegediensten oder Handwerksbetrieben sein, betont Steffen. Sondern er soll nur die kleinen Dinge übernehmen, die wegen schwindender Familienstrukturen bald kein Angehöriger mehr erledigt.

Die Einwohner, die zum "Dialog Zukunft" kamen, wünschen sich auch einen Seniorenbus, der nach dem Vorbild der Altenhilfe in Merzig Senioren zum Supermarkt bringt - die Fahrt wäre kostenlos. Steffen: "Das könnte ein Neun-Sitzer-Bus sein. Die Senioren würden bei jeder Fahrt zwei Geschäfte auswählen, die könnte man dann ansteuern." Denn oftmals seien die alten Menschen zwar in der Lage, selbst einzukaufen und genössen den Einkauf sogar als soziale Einbindung, aber mit einem Rollator beispielsweise und den Einkaufstüten sei ein langer Weg zu Fuß oder mit dem Bus nicht zu bewältigen.

Dieser Seniorenbus schließe auch passgenau Lücken des öffentlichen Personennahverkehrs, "die dieser aber wegen der Kosten nicht schließen kann. Auch kann er niemals das bieten, was die Menschen tatsächlich brauchen." Also den günstigen, bestenfalls kostenlosen Abholservice direkt an der Haustür. Auch das ist ein Ergebnis der großen Saarwellinger Seniorenbefragung (wir berichteten). Dass der Seniorenbus auch zu Ausflugsfahrten dienen soll, ist selbstredend.

Roland Steffen stellt sich die Schaltzentrale dieses Vereins in einer hauptamtlichen Teilzeitstelle vor - "vielleicht über Spenden oder Zuschüsse finanziert?" Steffen weiter: "Auf jeden Fall aber bringt sich die Gemeinde bei der Gründung eines solchen Vereins ein." Wichtig für ihn sei, dass die zu findenden Ehrenamtlichen "darin qualifiziert werden, wie sie mit Älteren arbeiten müssen".

Die Ergebnisse des "Dialogs Zukunft" fließen in den Abschlussbericht zur großen Seniorenbefragung ein. Dieser wird im Januar erwartet und soll der Gemeinde Handlungsempfehlungen geben. "Wir stehen vor großen Heraus-

forderungen."

Roland Steffen, Leiter Seniorenamt

Das Vorhaben kann gelingen

Von SZ-RedakteurinMichaela Heinze

Auf den ersten Blick sind es nur Kleinigkeiten, die der "Dialog Zukunft" als Voraussetzungen für das Leben alter Menschen in den eigenen vier Wänden zusammengetragen hat. Aber für den Betroffenen sind es eben die entscheidenden Dinge, die es ihm ermöglichen, überhaupt zu Hause wohnen zu bleiben, und es dabei so angenehm wie möglich zu haben.

Damit der Zug, den die Gemeinde Saarwellingen hier ins Rollen bringt, auch sein Ziel erreicht, müssen mindestens drei Voraussetzungen erfüllt sein: Junge Menschen müssen in ihrem Denken und Tun berücksichtigen lernen, dass die familiären Strukturen andere sein werden, wenn sie im Alter ihrer Großeltern sind. Es müssen sich viele Ehrenamtler finden, die die Aufgaben von wegfallenden Familienmitgliedern übernehmen. Und die Betroffenen müssen deren guten Dienste auch nutzen. Wenn dies öffentlich so gut begleitet wird wie in Saarwellingen, kann dieser Plan in ein paar Jahren aufgehen.

Auf einen Blick

Barrierefreiheit ist eine Voraussetzung für das Leben alter Menschen in der eigenen Wohnung - schiefe Ebenen statt Treppen, eine ebenerdige Dusche, breite Türen und so weiter. "Wer umbauen muss, erhält bei Pflegestufe I maximal 2557 Euro je nach Volumen der Maßnahme und je nach Einkommen", sagt Roland Steffen, Leiter des Amtes für Jugend, Senioren und Soziales. Für den, der neu baut, erarbeiten das Bauamt, der Behindertenbeauftragte und der Behindertenbeirat ein Merkblatt mit Tipps, was jungen Menschen spätere Umbauten erspart. Für die Barrierefreiheit draußen im Ort sorge die Gemeinde. Bei anstehenden Bauarbeiten würden Bürgersteige mit abgesenkt und Querungshilfen für Behinderte eingerichtet.

Einen "Sonderfonds Barrierefreiheit" regt der Behindertenbeirat an. Aus diesem sollen kleine Projekte bezahlt werden, wenn diese nicht zeitnah bei ohnehin anstehenden Bauarbeiten mit erledigt würden.

Weitere Ergebnisse des "Dialogs Zukunft": Alte Menschen brauchen mehr Ruhebänke (gemeindeeigene oder von Paten gestiftet) und mehr öffentliche Toiletten. Die Gemeinde könnte Gaststätten und Geschäften die Reinigung ihrer Klos zahlen, wenn sie jeder nutzen darf, und bei eigenen Neubauten öffentliche WC einplanen. mcs

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