Senioren singen zu Keyboardmusik

Merchweiler. Die Augen von Anneliese Kessler strahlen, leise singt sie den Text vom "Jungen mit der Mundharmonika" mit. Seit eineinhalb Stunden sitzt sie bereits in der Cafeteria der Seniorenresidenz St. Barbara und wartet darauf, dass Siegfried Beck endlich die ersten Töne auf seinem Keyboard anschlägt

 Siegfried Beck (rechts) musiziert im Altenheim St.Barbara in Merchweiler und bietet den Bewohnern Abwechslung vom Alltag. Foto: Andreas Engel

Siegfried Beck (rechts) musiziert im Altenheim St.Barbara in Merchweiler und bietet den Bewohnern Abwechslung vom Alltag. Foto: Andreas Engel

Merchweiler. Die Augen von Anneliese Kessler strahlen, leise singt sie den Text vom "Jungen mit der Mundharmonika" mit. Seit eineinhalb Stunden sitzt sie bereits in der Cafeteria der Seniorenresidenz St. Barbara und wartet darauf, dass Siegfried Beck endlich die ersten Töne auf seinem Keyboard anschlägt. "Früher habe ich im Kirchenchor gesungen", erzählt die 76-Jährige, heute ist die "Musikalische Unterhaltung" einmal im Monat eine willkommene Abwechslung vom Alltag. Sie ist nicht die Einzige, die sich auf die Musikstunden mit Siegfried Beck freut. "Gerammelt voll ist jedes Mal die Cafeteria", berichtet Melitta Schwingel beim SZ-Besuch. Die Leiterin der Sozialen Betreuung hatte Beck vor einem Jahr gefragt, ob er für die Bewohner des Heimes regelmäßig Musik machen wolle. Denn Beck, der jeden Sonntag mit Ehefrau Katja deren Mutter in St. Barbara besucht, brachte vor einem Jahr spontan sein Keyboard mit in den Speisesaal, um die Bewohner ein bisschen aufzumuntern. "Ich muss was tun für die Abwechslung der Menschen", sagte sich Siegfried Beck, der früher Schlagzeug in einer Band spielte und später auf die Hammondorgel umstieg. Das war das Lieblingsinstrument des heute 66-Jährigen, und vor allen Familienfesten hieß es: "Siggi, bring die Orgel mit." Die war natürlich viel sperriger und bot nicht so viele technische Raffinessen wie das moderne Keyboard, das Beck zu seinem 60. Geburtstag von der Familie geschenkt bekam. Das packen nun Katja und Siegfried Beck einmal im Monat samt Standmikrofon ins Auto und fahren in die Poststraße zur Seniorenresidenz der Awo. Dort werden sie schon sehnsüchtig erwartet, etwa von Regina Kuhn, die am gestrigen Mittwoch ihren 94. Geburtstag feierte. "Ich liebe Musik, auch wenn die Lieder nicht immer mein Geschmack sind", schmunzelt sie. Am besten kommen alte Volkslieder, Märsche oder bekannte Schlager bei den Heimbewohnern an. Viele singen mit, manche summen nur, und nach jedem Lied wird geklatscht. Viele haben ein Lächeln der Erinnerung auf den Lippen, manche verdrücken auch die ein oder andere Träne. Ein wenig traurig ist heute Elfriede Biehl, denn sie denkt an ihre alte Heimat Augsburg, die sie wegen ihrer Heirat verlassen hat und die sie immer noch sehr vermisst. Aber wenn Siggi Beck ein Lied von den "Flippers" anstimmt, geht es ihr gleich besser, weil sie von der Band viele Platten besitzt. Bei zünftigen Seemannsliedern prostet ein pensionierter Flussschifffahrts-Kapitän dem Musiker mit seinem Wasserglas zu und singt besonders laut mit. Spannende Geschichten hat er von seinem Leben an Bord zu erzählen, die Seemannslieder erinnern ihn an die schöne Zeit. Die "Musikalische Unterhaltung" ist aus dem Leben der Heimbewohner nicht mehr wegzudenken, und wenn Siegfried Beck, der seit zwei Jahren ehrenamtlich Heimfürsprecher ist, durchs Haus geht, wird er immer angesprochen: "Wann spielen Sie wieder, geht es nicht öfter?" Wer einmal miterleben möchte, wie sehr sich die älteren Menschen über die Musik freuen, kann dies am 21. August, wenn in der Seniorenresidenz St. Barbara Bauernmarkt ist, tun. Vielleicht spielt Siggi Beck dann auch extra für Anneliese Kessler Funiculi funicula, ihr absolutes Lieblingslied. "Ich muss was tun für die Abwechslung der Menschen."Siggi Beck, Musiker

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