Seelenstreichler für Senioren

Bosen. Tiere in einem Senioren- und Pflegeheim? Für Sabine Röhrig, Leiterin des "Haus Bostalsee" in Bosen, ist das selbstverständlich. Bereits seit Eröffnung der privat geführten Einrichtung 1987 sieht man auf den Gängen, in den Zimmern und Aufenthaltsräumen nicht nur Bewohner und Pflegepersonal, sondern auch so manchen Vierbeiner

 Ergotherapeutin Veronika Meier mit ihrer Hündin Kelly.Fotos: Evy

Ergotherapeutin Veronika Meier mit ihrer Hündin Kelly.Fotos: Evy

Bosen. Tiere in einem Senioren- und Pflegeheim? Für Sabine Röhrig, Leiterin des "Haus Bostalsee" in Bosen, ist das selbstverständlich. Bereits seit Eröffnung der privat geführten Einrichtung 1987 sieht man auf den Gängen, in den Zimmern und Aufenthaltsräumen nicht nur Bewohner und Pflegepersonal, sondern auch so manchen Vierbeiner. "Die Bewohner strahlen, wenn sie Kontakt zu Tieren haben. Eine größere Freude kann man ihnen kaum bereiten", sagt Röhrig.Mit der Möglichkeit zur Haustierhaltung in einem Seniorenheim war das "Haus Bostalsee" vor 25 Jahren Vorreiter. Bis die Genehmigung dazu erteilt wurde, war es allerdings ein Kampf. Rainer Hauck und Sabine Röhrig, die die Einrichtung gemeinsam ins Leben gerufen haben, mussten einige Vorbehalte aus dem Weg räumen. "Tiere in einem Pflegeheim sind unhygienisch", war einer der Sätze, die sie am häufigsten vom zuständigen Amtsarzt zu hören bekamen. "Aber wir sind hier kein Krankenhaus, sondern eine Einrichtung, in der die Menschen wohnen", sagt Röhrig. Es ist ihr Anliegen, dass sich die Bewohner wohlfühlen. Und zum Wohlfühlen gehöre für viele Menschen auch ihr Haustier. Manchmal ist der Hund, die Katze, das Kaninchen oder der Kanarienvogel die einzige Stütze im Leben, die noch geblieben ist. Sollten die Bewohner diese nach dem Verlust der eigenen vier Wände auch aufgeben?

Immer an der Seite eines Bewohners ist seine Collie-Hündin Lissy. Die beiden leben seit sechs Monaten im "Haus Bostalsee". "Ich war zur Besichtigung hier, habe die Atmosphäre gespürt und mich für das Haus entschieden", berichtet der Bewohner, der anonym bleiben möchte. Diese Entscheidung habe er bis heute nicht bereut. "Ich fühle mich, als hätte ich ein Apartment bezogen." Aber wenn er mal Hilfe brauche, sei immer jemand zur Stelle. Collie-Hündin Lissy war treu an der Seite ihres Herrchens, als es dem sehr schlecht ging. Deshalb hätte er den Vierbeiner niemals weggegeben. "Es ist mir wichtig, dass Lissy bei mir ist." Auch deshalb, weil die Hündin seine Trainingspartnerin ist. Anfangs habe er nur mit ihr in den Garten gehen können. Inzwischen dreht er große Runden mit ihr.

Meist ist bei den Spaziergängen noch ein zweiter Hund dabei: Diego. Der Australian Shepherd-Rüde lebt ebenfalls mit seinem Herrchen im Seniorenheim. "Ich bin froh, dass Diego bei mir sein kann", sagt der grauhaarige Rentner. "Er ist ein Teil von mir." Der zwölfjährige Rüde sei beliebt bei allen Bewohnern und bleibe auch mal alleine, wenn er sonntags zur Messe nach St. Wendel fährt. Sozialverträglichkeit, Gehorsam, ein freundliches Wesen und ein Gesundheitszeugnis müssen die Tiere, die im "Haus Bostalsee" einziehen, mitbringen. "Wir können nicht die Gefahr eingehen, dass ein Tier aggressiv reagiert", so Röhrig, die selbst Hundehalterin ist.

Im Senioren- und Pflegeheim gilt der Slogan "Haustiere willkommen" nicht nur für die Bewohner. Auch der ein oder andere Mitarbeiter kommt mit tierischer Unterstützung. Pflegerin Barbara Metzgers wird von Mischlingsdame Emma begleitet. Sie ist Stationshund und sich dieser Aufgabe durchaus bewusst. "Sie ist ein Hütehund und passt auf die Bewohner auf", sagt Metzger. Auch die Besucher hat die Hündin immer im Auge und mag es nicht, wenn sich Fremde auf den Stammsessel eines Bewohners setzen. Emma kuschelt gerne mit den Senioren, setzt sich auf ihren Schoß und fordert Streicheleinheiten ein. Das zaubert nicht nur ein Lächeln auf das Gesicht der Menschen, sondern wirkt sich auch positiv auf die Gesundheit aus. "Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass der Körper beim Streicheln eines Tieres Glückshormone ausschüttet", erklärt Ergotherapeutin Veronika Meier. Und diese wiederum sorgen dafür, dass das Herz-Kreislauf-System angeregt wird. Veronika Meier wird bei der Therapie von Golden Retriever Kelly unterstützt. Manchmal genüge die bloße Anwesenheit der vierjährigen Hündin. Manchmal wird Kelly aber auch zum Motivator für die Senioren, etwas zu tun. So gebe es Bewohner, die am liebsten den ganzen Tag nur im Sessel sitzen würden. "Bitte ich sie aber, mit Kelly nach draußen zu gehen, sind sie sofort dabei", sagt Meier. Die Ergotherapeutin hat immer ein Glas mit Leckerlis dabei. Daraus dürfen die Bewohner die Hündin füttern. Allein das Öffnen des Glases, das Herausfischen des Leckerlis sind Motorik-Übungen für die Senioren. "Sie haben das Gefühl, aktiv etwas für ein Lebewesen tun zu können. Sie sind endlich wieder in der Rolle des Gebenden", erklärt Meier. Ein Gefühl, das sehr wichtig sei, um das Selbstbewusstsein zu stärken.

Tiere als Anreiz zum Gespräch

Wenn Ergotherapeutin Veronika Meier mit ihrer Hündin Kelly durch die Gänge läuft, ist der Vierbeiner oft Anreiz zur Kommunikation. "Bewohner zeigen mir Bilder von ihren Tieren und fangen an zu erzählen." Aber nicht alle Bewohner im "Haus Bostalsee" sind Tierliebhaber. Deshalb ist die Hündin so erzogen, dass sie nur Kontakt zu den Senioren aufnimmt, wenn Frauchen ihr das Zeichen dazu gibt. Die offene Art der Tiere, die Möglichkeit für Senioren, auch ohne Worte mit ihnen in Kontakt zu treten, macht sie so wertvoll in der Therapie und zum Gewinn für die Atmosphäre im Haus.

Neben Hunden haben auch schon Katzen und Kaninchen in der Einrichtung gelebt. Momentan erfreut auch ein Kanarienvogel die Bewohner mit seinem Gesang. "Als mein Mann gestorben ist, war ich so einsam, dass ich den Vogel bekommen habe", erzählt die Bewohnerin. Jogi turnt vergnügt in seinem Käfig umher, der am Fußende des Bettes steht. So kann die Seniorin, die viel liegen muss, Jogi den ganzen Tag beobachten. Er sei wie ein Zimmergenosse für sie.

AUF EINEN BLICK

 Pflegerin Barbara Metzger kuschelt mit Emma.

Pflegerin Barbara Metzger kuschelt mit Emma.

 Collie Lissy wohnt mit ihrem Herrchen im Seniorenheim.

Collie Lissy wohnt mit ihrem Herrchen im Seniorenheim.

Das privat geführte Senioren- und Pflegeheim "Haus Bostalsee" in Bosen ist 1987 in einer ehemaligen Grundschule eingerichtet worden. 2002/03 wurde die Einrichtung durch einen Neubau erweitert. Es besteht die Möglichkeit zur Haustierhaltung. Infos unter www.haus-bostalsee.de. evy

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