Pilotprojekt „Schwitzen statt Sitzen“ – so will Saar-Justizministerium volle Gefängnisse entlasten

Saarland · Das saarländische Justizministerium startet ein Pilotprojekt, um „Ersatzfreiheitsstrafen“ zu vermeiden, um vor allem ärmeren Menschen den Gang ins Gefängnis zu ersparen.

„Schwitzen statt Sitzen“ – so will Saarland volle Gefängnisse entlasten​
Foto: dpa/Felix Kästle

Im Saarland sollen Menschen nicht mehr nur deshalb ins Gefängnis kommen, weil sie eine Geldstrafe gerade nicht zahlen können. Deshalb sollen nun Betroffene im persönlichen Gespräch über verschiedene Möglichkeiten aufgeklärt werden, wie die Haft vermieden werden kann. Das hat das saarländische Justizministerium mitgeteilt.

„Oftmals sind diese Menschen in der Situation überfordert, die rechtlichen Möglichkeiten zur Abwendung der Inhaftierung durch Ratenzahlung oder freie Arbeit zu beantragen“, erklärt Anja Würtz, Leiterin des Kompetenzzentrums der Justiz für ambulante Resozialisierung und Opferhilfe. Auch Sprachbarrieren oder das Ignorieren der Behördenpost würden dazu führen, dass den Betroffenen viele Möglichkeiten gar nicht bekannt sind.

Das Pilotprojekt des Saar-Justizministeriums soll bestimmte Haftstrafen verhindern

Derzeit sitzen deswegen in der JVA Ottweiler 24 von 214 Inhaftierten. Nach einem Moratorium für diese Strafen in der Corona-Zeit werden deshalb laut Justizministerium derzeit pro Monat rund 450 Haftladungen verschickt.

Schon im August warnte der Bund Saarländischer Justizvollzugsbediensteter (BSJ) vor einer Welle von Ersatzfreiheitsstrafen nach dem Corona-Aufschub, die die Haftanstalten überlasten könnten. BSJ-Vorsitzender Markus Wollscheid lobte am Dienstag die Pläne der Landesregierung. Sie komme Vorschlägen der Gewerkschaft nach.

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Konkret sollen Menschen, denen die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe droht, von Sozialarbeitern besucht und persönlich über die Möglichkeiten der Haftvermeidung informiert werden. Dazu gehören Ratenzahlungen oder freie Arbeit, etwa im Programm „Schwitzen statt Sitzen“. Eine Ersatzfreiheitsstrafe treffe vor allem Ärmere und könne zu Job- sowie Wohnungsverlust führen, sagte Justiz-Staatssekretär Jens Diener. Und: Jede Haft koste Steuergeld.

„Haftplatzmanagement“

BSJ-Vorsitzender Wollscheid forderte zudem, dass Ersatzfreiheitsstrafen im Saarland nicht mehr in der JVA Ottweiler gemeinsam mit anderen Verurteilten verbüßt werden, sondern in eigenen Einrichtungen. Laut Ministerium gibt es aber keine solchen Pläne.

Mit Blick auf die aufgelaufenen Fälle relativierte das Ministerium, dass viele seit August die Möglichkeiten der Haftvermeidung genutzt hätten. Bei den verbleibenden Fällen betreibe man ein „Haftplatzmanagement“. Wo die Ladung der Staatsanwaltschaft nicht zur Ratenzahlung oder Arbeitsleistung führe, würden Haftbefehle nach Kontingenten verschickt, die sich an der Belegung in Ottweiler orientierten. Und Sozialarbeiter würden tätig.

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