Schulgeschichte bringt Farbe ins Tapetenbuch

Als Bürgermeister Hans Schöneberger bei der Einweihung der St. Ingberter Ludwigschule zu den Honoratioren sprach, konnte er sich offensichtlich kaum vorstellen, wie nachfolgende Generationen bauen würden. Wie anders lässt sich erklären, dass der erste Bürger der Stadt damals, am 2. Mai 1910, bescheiden von der "Einfachheit des Baus" sprachs, der im "Etzelchen" entstanden war

 Die St. Ingberter Ludwigschule ist ein prachtvolles Gebäude. Regelschule ist sie seit zwei Jahren nicht mehr. ASW-Berufsakademie, der Tüv Südwest und die Musikschule sind heute Mieter. Foto: SZ

Die St. Ingberter Ludwigschule ist ein prachtvolles Gebäude. Regelschule ist sie seit zwei Jahren nicht mehr. ASW-Berufsakademie, der Tüv Südwest und die Musikschule sind heute Mieter. Foto: SZ

Als Bürgermeister Hans Schöneberger bei der Einweihung der St. Ingberter Ludwigschule zu den Honoratioren sprach, konnte er sich offensichtlich kaum vorstellen, wie nachfolgende Generationen bauen würden. Wie anders lässt sich erklären, dass der erste Bürger der Stadt damals, am 2. Mai 1910, bescheiden von der "Einfachheit des Baus" sprachs, der im "Etzelchen" entstanden war. Heute gehört das denkmalgeschützte Gebäude zu den schönsten historischen Bauten der Mittelstadt.

Zugleich war aber auch 1910 ein gewisser Stolz über den Neubau nicht zu überhören. Die Westpfälzische Zeitung zitierte Schöneberger damals mit diesen Worten: "Ich glaube nicht zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, daß bei aller Einfachheit des Baues unser neues Schulhaus eine Zierde der Stadt bildet, daß alle Räume praktisch ausgenutzt, daß es vollkommen auf der Höhe des modernen Schulhausbaus steht. Kurzum, daß es vollkommen einwandsfrei ist." Die hohe Aufgabe der Bildung und Erziehung junger Menschen besang der Bürgermeister in seiner Rede und hatte harte Fakten parat, warum der damals 300 000 Mark teure Bau mit seinen 17 Sälen notwendig war: Das "Josephthaler-Schulhaus" war wegen einer mangelhaften hygienischen Situation in Ungnade gefallen, zugleich erkannten die Stadtväter vor dem Hintergrund einer - ganz anders als heute - wachsenden Bevölkerung die Notwendigkeit von zusätzlichem Platz für Bildung.

Staat legte Wert auf Bildung

In der Zeit von 1850 bis 1900 wuchs St. Ingbert um das Dreifache. Je nach Quelle von etwa 4000 bis 5000 auf 14 000 bis 15 000 Menschen. Der bayerische Staat legte Wert auf Bildung, also entstanden Schulen. Zum Ausgang des 19. Jahrhunderts entstanden die Luitpoldschule (1884), die beiden Pfarrgass-Schulen (1887 und 1900), die Wiesentalschule (1902) und eben die Ludwigschule (1910). Heute werden nur noch in der Wiesentalschule Kinder unterrichtet. Die Luitpoldschule ist städtischer Kindergarten, die verbliebene Pfarrgass-Schule Jugendzentrum, die Ludwigschule beherbergt verschiedene Nutzer.

Bildungsstandort ist das Gebäude in Teilen geblieben mit den ausgelagerten Kursen der ASW-Berufsakademie, die ihren Hauptstandort ein paar Meter unterhalb in der Kohlenstraße hat. Der Regelschulbetrieb hat sich vor zwei Jahren verabschiedet. Die Erweiterte Realschule II ist heute komplett in Rohrbach angesiedelt. Der letzte Schulleiter an der Ludwigschule war Karl-Heinz Härdter. "Zeitweise hatten wir 600 Schüler", erinnert er sich. Es habe in der Phase des Umbaus von der Hauptschule zur Erweiterten Realschule auch Überlegungen gegeben, an der Ludwigschule anzubauen. Aber schließlich wurde dem Ausbau der Johannesschule in Rohrbach der Vorzug gegeben. Härdter sagt über das altehrwürdige St. Ingberter Gebäude: "Sie hatte eine gute Akustik. Es hat sich dort gut unterrichten lassen." Ein "Haus mit Charakter", erläutert er, das aber auch seine Schattenseiten hatte: Der Denkmalschutz habe lange verhindert, die Toiletten in einen vernünftigen Zustand zu bringen.

Stadt saniert Gebäude

Neben der ASW sind heute der Tüv Saarland und die St. Ingberter Musikschule Mieter in dem alten Gemäuer in der Theresienstraße. Die Stadt hat das Gebäude wieder vom Saarpfalz-Kreis übernommen, nachdem es keine weiterführende Schule mehr war. Im vergangenen Jahr investierte die Verwaltung 250 000 Euro, um den Mietern im Haus ein ansprechendes Ambiente zu bieten. Streng abgesprochen natürlich mit dem Denkmalschutz.

Wer in den Tiefen des St. Ingberter Stadtarchives nach Material zu 100 Jahren Ludwigschule sucht, stößt auf einen kuriosen Band. Vor 25 Jahren stellte der ehemalige Rektor Albert Bauer Material zusammen zum 75. Geburtstag - vor allem eine Vielzahl von Bildern, die Schüler und Lehrer im Wandel der Zeit zeigen. Auf der Suche nach einem geeigneten Buch für die Dokumente gab er einer unkonventionellen Lösung den Vorzug: Einen Musterkatalog für Tapeten funktionierte er für die zeitgeschichtlichen Dokumente um. Auf den Mustern im 80er-Jahre-Stil finden sich Zeitungsausschnitte wie jenem der Eröffnungsfeier mit all den hoffnungsfrohen Ansprachen zur Einweihung der neuen Bildungsstätte.

Aber auch Würdigungen zum 75. Geburtstags wie der des Architekten Norbert Köhl: "Der Stil des Hauses ist aus der schöpferischen Verschmelzung weiterentwickelter historischer Elemente mit neuen Formen entstanden. Dieser Mischstil gehört unverwechselbar in diese Epoche und stellt eine für die Kunstlandschaft Deutschland typische Variante des Jugendstils dar."

Dem Musterbuch ist auch zu entnehmen, dass die Ludwigschule als 18-klassige Volksschule gegründet wurde. Mädchen und Knaben mussten das Gebäude von verschiedenen Seiten betreten und hatten ihre eigenen Schulhöfe. Unterrichtet wurde der St. Ingberter Nachwuchs von Schulschwestern und Lehrern. Die Ludwigschule folgte in ihrer Bezeichnung den jeweiligen bildungspolitischen Vorgaben: Sie war katholische Volksschule, Grund- und Hauptschule, Hauptschule und schließlich Erweiterte Realschule. In den Kriegsjahren ruhte der Unterricht.

Gebäude war Lazarett

Sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg diente sie als Militärlazarett. Nach dem Ersten Weltkrieg, berichten die Quellen weiter, diente sie französischen Truppen als Kaserne. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie zeitweise Quartier für französische und amerikanische Truppen.

Aber nicht nur das Musterbuch sammelt Informationen zu einem Schuljahrhundert. Im Besitz der Johannesschule sind ein weiterer Din-A-4-Erinnerungsband und ein Ordner aus der jüngeren Vergangenheit zur Geschichte der Schule. Konrad Bauer, seinerzeit stellvertretender Schulleiter, hatte den kleineren Band in weiten Teilen handschriftlich geführt und alles rund um die Schule eingetragen aus der Zeit von 1987 bis 2003. Der folgende Ordner trug schließlich in Klarsichtfolien zusammen, was im Zusammenhang mit der Ludwigschule bemerkenswert schien. Und führt nahtlos hinüber in die Zeit, als die letzten Ludwigschüler nach Rohrbach wechselten.

Im Kuppelsaal des Rathauses macht dieser Tage auch eine kleine Foto-Ausstellung auf die Geschichte der Ludwigschule aufmerksam. Sie ist bis Samstag, 11. Dezember, zu sehen während der Rathausöffnungszeiten.

 Dieter Wirth vom Stadtarchiv mit dem Musterbuch. Foto: SZ/Stadt

Dieter Wirth vom Stadtarchiv mit dem Musterbuch. Foto: SZ/Stadt

 Ein Flur der Schule. Eine Aufnahme von 1912. Foto: SZ/Stadtarchiv

Ein Flur der Schule. Eine Aufnahme von 1912. Foto: SZ/Stadtarchiv

 Die Lehrküche der Schule um 1912. Foto: SZ/Stadtarchiv

Die Lehrküche der Schule um 1912. Foto: SZ/Stadtarchiv

Beendet wird sie am 11. Dezember mit einem Festakt im Kuppelsaal ab zehn Uhr. Dazu laden Stadt und ASW-Berufsakademie Saarland ein. Unter den Gastrednern ist auch der saarländische Innenminister Stephan Toscani.

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