Schmetterschlag aus dem gesellschaftlichen Abseits

Saarbrücken. Die Gummisohlen quietschen auf dem Boden der kleinen Sporthalle, hart prallen die Bälle auf den Boden und bisweilen auch an die mit Holz verkleideten Wände. Die Spieler in den neonfarbenen Trikots flachsen miteinander, klatschen ab, es wird viel gelacht. Es sieht alles aus wie bei einem normalen Volleyballspiel der Hobbyrunde

 Immer Heimspiel: Die JVA-Mannschaft (in Gelb) tritt gegen den LC Altenkessel an. Foto: Wieck

Immer Heimspiel: Die JVA-Mannschaft (in Gelb) tritt gegen den LC Altenkessel an. Foto: Wieck

Saarbrücken. Die Gummisohlen quietschen auf dem Boden der kleinen Sporthalle, hart prallen die Bälle auf den Boden und bisweilen auch an die mit Holz verkleideten Wände. Die Spieler in den neonfarbenen Trikots flachsen miteinander, klatschen ab, es wird viel gelacht. Es sieht alles aus wie bei einem normalen Volleyballspiel der Hobbyrunde. Nur mit einem kleinen Unterschied - das Spiel findet hinter Gittern in der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken statt.

Dort, auf der Lerchesflur, leben rund 700 Häftlinge, 200 davon mit Migrationshintergrund. Und die sind für Abwechslung dankbar. "Es ist wichtig, körperlich aktiv zu sein, dann fühlt man sich ausgeglichener. Ich würde gern noch mehr machen", sagt der 22-jährige Manuel, dessen Körper mehrere großflächige Tattoos zieren. Der 38-jährige Franzose Laurent meint: "Volleyball ist ein schöner Sport, ich spiele bei uns auch samstags immer in der Fußballmannschaft, stehe da im Tor."

Gegner der LSG Lerchesflur 88 sind an diesem Tag der FSV Eschberg und der LC Altenkessel, die Partien finden immer als Doppelspieltag statt. Die Häftlinge spielen in einer ganz normal Hobbyrunde des Saarländischen Volleyball-Verbandes. "Wir haben halt nur Heimspiele", meint Sportlehrer Dieter Keßler schmunzelnd. In jedem Hobbyteam müssen zwei Frauen mitspielen, die "leihen" sich die Gefangenen sozusagen von den anderen Teams aus.

Große Schwellenangst oder Vorbehalte gibt es für die Gegner nicht. Martin Rupp vom LC Altenkessel sagt: "Es ist ganz interessant, eine neue Erfahrung." Gut, das gemeinsame Bier mit dem Gegner entfällt. Und das Ein- und Auschecken in der JVA braucht etwas Zeit.

Manfred Lallemand vom FSV Eschberg war schon ein paarmal im Gefängnis dabei. "Vorgefallen ist noch nie was." Das bestätigt auch Dieter Keßler: "Es gibt nie ein böses Wort. Unsere Erfahrungen sind nur positiv. Wir haben Deutsche, Russen, Albaner, einen Türken in der Mannschaft. Sport verbindet über alle Grenzen hinweg. Wichtig ist auch der soziale Kontakt zu den anderen Teams."

Sportlehrer Thomas Zimmer, außerhalb des Gefängnisses A-Trainer-Lizenzinhaber, kümmert sich um die Mannschaft. "Das Wichtigste ist, dass alles fair ist. Resultate sind nicht so wichtig", sagt er. Ältester Spieler der Truppe ist Andreas, 51. "In Russland habe ich früher Eishockey gespielt. Da wir nur einmal die Woche trainieren, sind die meisten Schulteams in Russland besser als wir", sagt Andreas und gibt beim Lachen fehlende Schneidezähne preis.

Im Schnitt fünf Jahre hat jeder der Spieler in den neonfarbenen Trikots noch zu verbüßen. Das meiste seien Raub, Diebstahl und Einbruchsdelikte, verrät ein Justizvollzugsbeamter. Der Teamgeist bei ihnen stimmt jedenfalls. Trotz des knapp verlorenen ersten Satzes feuern sich alle gegenseitig an. Krachend fliegt ein Aufschlag übers Netz, mit einem beherzten Hechtsprung rettet ein Häftling den Ball. Am Ende des Spielzugs sorgt ein harter Schmetterschlag für den nächsten Punkt der Gefangenen. Und am Ende, da waren eigentlich alle in der Sporthalle Gewinner. . .

Hintergrund

Das Programm Integration durch Sport setzt sich dafür ein, dass Menschen mit Migrationshintergrund sich durch Sport besser in die Gesellschaft integrieren. Aron Reimann, beim Landessportverband (LSVS) für das Programm zuständig, sagt: "Viele bleiben dabei und spielen auch nach ihrer Gefängniszeit Volleyball. Das zeigt, dass unsere Entscheidung, dies anzubieten, richtig war." Das Programm, das vom Bundes-Innenministerium gefördert wird, stößt auf großes Interesse. So besteht der Freizeitsportverein Eschberg (FSV), bei dem es unter anderem vier Volleyballteams und eine Gruppe für rhythmische Sportgymnastik gibt, größtenteils aus Deutschen mit russischen Wurzeln. Peter Merkel, Sportlehrer beim FSV, erklärt das damit, dass die Hemmschwelle, in bereits bestehende, also deutsche Vereine einzutreten, "unheimlich groß" sei. raps

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