"Scheen, dass de do bischd"

Ich blicke in die verständnislosen Augen meiner Freunde. Betretenes Schweigen. "Wo genau ist das?", will schließlich einer wissen, nachdem ich der Runde offenbart habe, dass es mich beruflich ins Saarland verschlägt. "Grüß mir den Oskar", kommt es nach einer ganzen Weile von einer anderen. Das ist noch das Intelligenteste, was ich aus meinem Freundeskreis zu hören bekomme

Ich blicke in die verständnislosen Augen meiner Freunde. Betretenes Schweigen. "Wo genau ist das?", will schließlich einer wissen, nachdem ich der Runde offenbart habe, dass es mich beruflich ins Saarland verschlägt. "Grüß mir den Oskar", kommt es nach einer ganzen Weile von einer anderen. Das ist noch das Intelligenteste, was ich aus meinem Freundeskreis zu hören bekomme.Eine Frage hängt mir jedoch noch lange nach: "Wie ist es denn da so?" Jetzt schweige ich und gestehe: Ich habe keinen Schimmer. Ich kannte nur eine Hand voll Saarländer - aus dem Fernsehen und Geschichtsbüchern. Direkter Kontakt: Fehlanzeige.

Meine unerklärliche Sehnsucht, die mich mit Macht ins kleinste Bundesland zerrte, kam mir plötzlich schrecklich naiv vor! Wo waren sie denn bloß, die Saarländer? Doch ich fand sie - viele Tausend Kilometer entfernt in den USA, wo ich vergangenes Jahr vier Monate verbracht habe. Mir leuchtete schnell ein: Die Saarländer sind so weltoffen, aber dennoch heimatverbunden, dass sie entweder an der Saar oder im Ausland leben. In der US-Hauptstadt Washington hatten sie sich einflussreiche Positionen gesichert. Ein junger, aufstrebender Jurist aus Ottweiler lud mich zum Essen in die Deutsche Botschaft ein, eine Saarbrückerin forschte am Deutschen Historischen Institut. Sie und einige weitere, so scheint es mir im Rückblick, haben ein geheimes Netzwerk geschmiedet, um den Einfluss des Saarlandes bis ins Weiße Haus geltend zu machen. Für den Fall, dass sich das Reich erdreisten sollte, das schönste Bundesland der Welt mit der Pfalz zu vereinen.

Auf dem Hollywood Boulevard in Los Angeles weihten mich zwei Abiturienten aus Bous in die Kunst des Saarvoir-Vivre ein: Ihre Lektionen reichten von Doppelweck bis Olek, vom Lyoner bis zum Gruweturm. Nach gefühlten zwei Stunden, einem vor dem Kodak Theater - in dem ansonsten die Oscars verliehen werden - geschmetterten Steiger-Lied war ich mit Erkenntnis gesegnet: Das Saarland ist wie das Ruhrgebiet, bloß grüner, mit netteren Menschen und Frankreich um die Ecke.

Doch nach zwei Wochen als Neu-Saarländerin mit aufrichtigem Integrationswillen die erste Eskalation: Im Supermarkt greifen ein Mann und ich gleichzeitig nach dem letzten Lyoner-Ring. Eine hitzige Diskussion entbrennt, wem das gute Stück nun zusteht. In einen anderen Supermarkt gehen? Keine Alternative. Es war kurz vor 20 Uhr. Unflätig schnauzt er, ich als Hessin wisse den Geschmack doch eh nicht zu schätzen. Was tun? Ich erinnerte mich an einen Satz der Bouser Jünglinge und schnoddere wacker zurück: "Dei Vadder konnt' aa schon ned schwenge!" Der Mann hält inne, nickt anerkennend, überlässt mir den Kringel und sagt: "Scheen, dass de do bischd."

Ute Klockner wurde in Rüsselsheim geboren und studierte in Mainz. Zurzeit führt sie ihr Volontariat täglich nach Merzig. An dieser Stelle schildert sie Eindrücke aus ihrer Wahlheimat.

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