Schachmatt für die Vorstellungskraft

Wissen Sie, was ein Googol ist? Das Wort Google ist daraus abgeleitet. Ein Googol ist eine Eins mit 100 Nullen, 10 hoch 100. Eine Wortschöpfung des Amerikaners Milton Sirotta aus den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhundert. Ein Googol ist eine natürliche Zahl, eine furchtbar große allerdings.Sie kennen die natürlichen Zahlen: 1, 2, 3, 4, 5,... wir zählen mit diesen Zahlen.

 Das Schachbrett-Paradoxon: Setzt man auf das erste der 64 Felder ein Reiskorn und verdoppelt dann jeweils die Körnerzahl, dann liegen auf dem letzten Feld 400 Milliarden Tonnen Reis. Kaum zu glauben, aber wahr und ein Beispiel für exponentielles Wachstum. Foto: dpa

Das Schachbrett-Paradoxon: Setzt man auf das erste der 64 Felder ein Reiskorn und verdoppelt dann jeweils die Körnerzahl, dann liegen auf dem letzten Feld 400 Milliarden Tonnen Reis. Kaum zu glauben, aber wahr und ein Beispiel für exponentielles Wachstum. Foto: dpa

Wissen Sie, was ein Googol ist? Das Wort Google ist daraus abgeleitet. Ein Googol ist eine Eins mit 100 Nullen, 10 hoch 100. Eine Wortschöpfung des Amerikaners Milton Sirotta aus den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhundert. Ein Googol ist eine natürliche Zahl, eine furchtbar große allerdings.Sie kennen die natürlichen Zahlen: 1, 2, 3, 4, 5,... wir zählen mit diesen Zahlen.. Die natürlichen Zahlen hören nie auf, zu jeder Zahl gibt es eine größere. Jede Wette auf eine größte natürliche Zahl wird verloren, denn wenn jemand behauptet, x sei die größte Zahl, so wird sein Gegner zu Recht sagen, x+1 sei größer. Es gibt also keine größte Zahl. Andererseits: Wir halten einige Zahlen für groß, ein Googol ist sicher eine große Zahl. Für mich ist schon eine Million, ausgeschrieben 1000000, eine große Zahl, ich kann mit dieser Zahl rechnen, vorstellen kann ich mir darunter nichts.Die Zahl fünf sagt mir etwas, ist mir präsent, ich kann sie sehen, fünf Dinge erfasse ich mit einem Blick, eine Million Dinge sagen mir nichts.Wenn ich diese große Zahl verstehen will, wenn dies überhaupt geht, muss ich sie mit mir bekannten Größen verbinden. Stellen Sie sich zum Beispiel einen Kubikmeter Erde vor, das scheint nicht viel. Wenn Sie einen Kubikmeter Erde ausheben müssen, werden Sie ins Schwitzen geraten, ich weiß dies aus eigener leidvoller Erfahrung.. Sie müssen eine Million Kubikzentimeter Erde bewegen, 100·100·100 Kubikzentimeter. Ganz schön anstrengend. Eine Million Kubikzentimeter Erde ist richtig viel. Probieren Sie es einfach aus. Nach der Arbeit haben Sie ein Gefühl für eine Million Kubikzentimeter Erde, sicher in Ihren Armen, vielleicht auch in Ihrem Kopf.Oder: Wenn Sie eine Million bei Jauch gewinnen, sich jeden Monat 10000 Euro zur freien Verfügung gestatten, 10000 Euro, also in die Luft blasen, dann können Sie dies 100 Monate tun, 1000000 / 10000 Monate = 100 Monate, das sind mehr als 8 Jahre. Oder reden wir von der Bürgschaft der Bundesregierung über 300 Milliarden Euro. Unvorstellbar viel. Gehen wir davon aus, dass die 3 Milliarden in 100-Euro-Scheinen bezahlt werden. Nimmt man an, dass zehn 100-Euro-Scheine aufeinander gelegt einen Millimeter ergeben, so ergibt die Gesamtsumme eine Säule von 300 Kilometer Höhe. Oder: 300 Milliarden Euro, das sind etwa 855000000 Hartz-4-Monatsauszahlungen. Große Zahlen entstehen häufig auf unscheinbare Art. Berühmt geworden ist das folgende Schachparadoxon: Das Schachspiel soll in Indien erfunden worden sein. Der Erfinder schenkte es seinem Fürsten, der von dem neuen Spiel begeistert war. Er ließ den Erfinder rufen, gab ihm einen Wunsch frei. Der Erfinder erbat sich von dem Herrscher das Folgende: "Nimm ein Schachbrett, lege auf das erste Feld ein Reiskorn, auf das zweite Feld zwei Körner, auf das dritte 4 Körner, auf das vierte 8, auf jedes weitere Feld jeweils das doppelte des Vorangehenden. Was dann zusammenkommt, schenke mir" Der Fürst war erstaunt über die Bescheidenheit des Erfinders, ermunterte ihn, sich etwas Kostbareres zu wünschen, vielleicht einen Sack voll Gold. Der Erfinder blieb bei seinem Wunsch. War er wirklich bescheiden? Ein Schachbrett hat 64 Felder. Man kann die Gesamtzahl der Körner berechnen: Dazu sei S(n) die Summe der Körner auf den ersten n Feldern:S(1) = 1 = 2 - 1 = 2 - 1S(2) = 1 + 2 = 4 - 1 = 2x2 - 1S(3) = 1 + 2 + 4= 8 - 1 = 2x2x2 - 1 S(4) = 1 + 2 + 4 + 8= 16 - 1 = 2x2x2x2 - 1Und so geht es weiter: Für S(64), die Gesamtsumme, ergibt sich dann: S(64) = 2x2x2x2 (vierundsechzig mal) - 1 oder in der Fachsprache: S(64) = 2 hoch 64 minus 1.Man kann dies mit einem Taschenrechner ausrechnen: Man erhält etwa 1,8 mal 10 hoch 19, also etwa 18000000000000000000 000 Körner. Ist dies viel?Geht man davon aus, dass ein Reiskorn 25 Milligramm wiegt, so wiegt die Gesamtzahl mehr als 400 Milliarden Tonnen. 2005 wurden etwa 618 Millionen Tonnen Reis weltweit geerntet. Die Körnerzahl entspricht daher knapp 750 Weltjahresreisernten. Mit dieser Menge könnte man Indien mit einer 20 Zentimeter hohen Reisschicht überdecken. Unglaublich. Es liegt am exponentiellen Wachstum: S(64) = 2 hoch 64 minus 1. Die 64 steht im Exponenten.Ähnlich verblüffend ist das folgende Beispiel: Nehmen wir einmal an, Zeitungspapier ist 0,1 Millimeter dick. Faltet man ein solches Blatt, so erhält eine Lage von 0,2 mm. Faltet man diese Lage, so entstehen 0,4 mm, in einem weiteren Schritt 0,8 mm und so fort. Probieren Sie es einmal aus, Sie stoßen schnell an physikalische Grenzen. Ginge es beliebig oft, so erhielte man nach 42-maligem Falten eine Lage von 0,1 mal 2 hoch 42 mm, das sind knapp 440000 Kilometer. Der Mond ist etwa 380000 Kilometer von der Erde entfernt: Die Papiersäule endete jenseits der Mondbahn. Exponentielles Wachstum!Viele Künstler sind der Faszination großer Zahlen erlegen. Vielleicht kennen Sie den französischen Dichter Raymond Queneau; er ist mit der köstlichen Geschichte "Zazie in der Metro" bekannt geworden. Queneau hat einen Gedichtgenerator erfunden, das Werk heißt "Hundert Tausend Milliarden Gedichte". Es wurde von dem Saarländer Ludwig Harig genial ins Deutsche übertragen. Zur Zeit ist die deutsche Ausgabe leider vergriffen, die französische Ausgabe ist lieferbar. In dem Werk geht es um Sonette. Ein Sonett ist ein Gedicht mit vierzehn Zeilen, zwei Vierzeiler, Quartette, und zwei Dreizeiler, Terzette. Die einzelnen Zeilen sind Jamben, elfsilbig oder zehnsilbig. Sie besitzen einen bestimmten Rhythmus. Queneau hat jede Zeile zehnfach angelegt, aus jeder Zeile kann man ein Exemplar auswählen. So entstehen 10 x 10 x 10 x 10 , vierzehnmal, also 10 hoch 14 Möglichkeiten. Eine Eins mit vierzehn Nullen. Das sind Hundert Tausend Milliarden Sonette, eine Riesenzahl. Oder?Wenn man ein Sonett mit Sinn und Verstand vorträgt, braucht man etwa eine Minute. Der Vortrag aller Sonette dauert also Hunderttausend Milliarden Minuten, das sind etwa 190 Millionen Jahre. Hätte man in der Kreidezeit mit dem Vortrag begonnen, wäre man heute noch mittendrin. Unvorstellbar. Als Mathematiker habe ich ein kleines Problem mit großen Zahlen: Offensichtlich gibt es große Zahlen, Googol ist ein Beispiel. Um es in der Fachsprache zu sagen: Die Menge der großen Zahlen ist nicht leer. Nun ist bekannt: Jede nicht leere Teilmenge der natürlichen Zahlen besitzt ein kleinstes Element. Die Menge der großen Zahlen besitzt also ein kleinstes Element: Die kleinste große Zahl. Ich bin auf der Suche nach dieser Zahl. Wie heißt die kleinste große Zahl? Können Sie mir helfen?

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