Sabine Nowaczyk will in 33 Saar-Kommunen antreten Bürgermeisterinnen gesucht

Saarbrücken · Sabine Nowaczyk tritt 2019 in 33 Saar-Gemeinden als Kandidatin auf das Bürgermeister-Amt an. Ist das ernst zu nehmen? Ein Blick auf die Initiative „Lust auf Bürgermeisterinnen Saarland“.

 Sabine Nowaczyk aus Schwalbach-Hülzweiler will in 33 Saar-Komunen als Bürgermeister-Kandidatin antreten.

Sabine Nowaczyk aus Schwalbach-Hülzweiler will in 33 Saar-Komunen als Bürgermeister-Kandidatin antreten.

Foto: Ruppenthal

Die „Ahnengalerie“ der Bürgermeister im St. Ingberter Rathaus hat sie fotografiert, die 17 Männer seit 1838, eine ungebrochene Reihe. Festgeschnürte Schlipse, steife Kragen und ernste Gesichter. Genau so sehe es immer noch aus, unser inneres, unser kollektives Bild von kommunaler Führung, sagt Sabine Nowaczyk (55) und strahlt von einem Ohr zum anderen, während sie sagt: „Gegen dieses Gedankengut trete ich an.“ Sie habe als frühere Organisationsentwicklerin im Metro-Konzern einen schnellen Zugang zu Veränderungsprozessen. Der Beginn des Interviews verläuft wie ein Bewerbungsgespräch ihrerseits, sogar ihre beeindruckend dicke Bewerbungsmappe, die sie nach eigenem Bekunden bereits in acht Saar-Kommunen abgab, hat sie mitgebracht. Denn Nowaczyk hat viel vor. Sie möchte 2019 Bürgermeisterin werden. Egal wo, Hauptsache Amt. Weil es nicht um sie gehe, wie sie erläutert, sondern um die Sache. Nowaczyk möchte Frauen in kommunalen Führungsämtern „sichtbar“ machen. Nur vier der 52 Saar-Kommunen führen derzeit Frauen: Saarbrücken, Blieskastel, Völklingen und Eppelborn. Doch im Mai 2019, bei den Kommunalwahlen, werden auf einen Schlag 34 Plätze frei, also rund 65 Prozent der Bürgermeisterämter. Für Nowaczyk ist das „die historische Chance“ für einen Systemwechsel. Deshalb hat sie die Initiative „Lust auf Bürgermeisterinnen Saar“ (LaBS) gegründet, die Frauen dazu ermuntern will, sich zu bewerben. Parteilose, freie Frauen, die sich ganz bewusst nicht der von Männern bestimmten Kandidaten-Aufstellung in den Parteien unterwerfen wollen. Jede EU-Bürgerin hat Zugang zum Bürgermeister-Amt, unabhängig von der Qualifikation. Ein Guerilla-Angriff auf ein bestens trainiertes, tradiertes System der Ämtervergabe?

Die Hülzweilerin hält sich für top-qualifiziert, dank breit gespreizter Kompetenzen. Ihre Berufslaufbahn sah so aus: Buchhändlerin, Wirtschaftsingenieurin mit Schwerpunkt Solarenergie und IT, Touristikreferentin, Maltherapeutin, seit 15 Jahren Unternehmerin. Ihre Einpersonen-Firma BINILI bietet Dienstleistungen und Coaching an. Rein frauenpolitisch lässt sich das Engagement Nowaczyks nicht erklären. Feministische Verbiestertheit ist ihr fremd, denn sie habe sich immer schon als Frau in Männerdomänen behauptet. Aber Systeme sind ihr Ding, vor allem Systemveränderungen. Und genau mit dieser Kompetenz will Nowaczyk 2019 für eine Art Change-Management bei den Bürgermeisterwahlen sorgen. Dafür braucht sie Mitstreiterinnen. Nach eigenem Bekunden sucht die Unternehmerin seit Sommer über Anzeigen in Amtsblättern und über Facebook Kandidatinnen, die ihr, der „Pionierin“, wie sie sich nennt, nachfolgen wollen. Weitgehend erfolglos. Deshalb entschloss sich Nowaczyk, selbst anzutreten, und zwar in 33 von 34 möglichen Kommunen.

Das klingt so kurios, wie es gar nicht ist. Denn das Kommunalselbstverwaltungsgesetz lässt dies zu. In Schwalbach, Bous, Dillingen, Wallerfangen, Riegelsberg, Lebach und St. Ingbert liegen laut Nowaczyk bereits ihre Bewerbungsunterlagen. Im zweiten Schritt muss sie dann dafür sorgen, dass 99 Bürger im Rathaus für sie unterschreiben, damit sie überhaupt auf den Stimmzettel kommt. Für eine im Ort unbekannte Person ist dies erfahrungsgemäß kaum zu schaffen. Doch einmal ist Nowaczyk das bereits gelungen, 2016 bei der Bürgermeisterwahl in Marpingen. Das war ihr Einstieg ins Thema, ein Referent bei der Stiftung Demokratie Saarland, wo sie Seminare belegt hatte, hatte sie darauf gebracht. Nowaczyk konnte tatsächlich antreten und holte 7,11 Prozent der Stimmen. Niederschmetternd wenig? Welch’ eine Ermutigung! „Mich kannte niemand, ich habe nur drei Monate Wahlkampf gemacht, es war ein Riesenerfolg.“ Auch in Rehlingen-Siersburg hat sie es probiert, kam gar nicht erst auf den Stimmzettel. Die 22 Unterschriften, die Bürger für sie leisteten, beflügeln sie.

Visionäre Energie ist ihr politisches Kapital, das Vermitteln einer ansteckenden Zuversicht, dass ein erster Stein im Wasser ungeahnte Prozesse in Gang setzen wird: „Ich marschiere voran, und ich kann andere Frauen beraten und begleiten.“ Ausdrücklich nur ehrenamtlich. Mit dem Verdacht, sie wolle über das Coaching potenzieller Kandidatinnen Geld verdienen, wurde sie bereits konfrontiert und widerspricht vehement: „Mich kann man in dieser Angelegenheit nicht buchen.“ Zudem kennt Nowaczyk den Vorwurf, ihre Initiative sei unseriös. „Für unseriös halte ich, für weitere acht Jahre die Gelegenheit zu verpassen, dass Frauen 20,8 Millionen Euro verdienen könnten.“ Denn das hat sie ausgerechnet: In einer 10 000-Einwohner-Gemeinde verdiene eine Bürgermeisterin rund 60 000 Euro, das Ganze dann acht Jahre lang, in 34 Kommunen.

Ist das alles nur der Spleen einer Frau, die, wie die SZ in Erfahrung brachte, mit Initiativen und Engagement in ihrer eigenen Gemeinde Hülzweiler eher auf Skepsis stößt? Ganz so skurril scheint das Ganze nicht zu sein. Die Landespolitik hat Nowaczyk bereits wahrgenommen. Nicht jeden bringt sie „zum Schmunzeln“, wie es etwa der Vize-Fraktionschef der SPD, Magnus Jung, letzthin vor Medienvertretern formulierte. Lutz Hecker (AfD) hält das „Lust auf Bürgermeisterinnen“-Projekt für einen „schönen Weg“, um auf ein Problem aufmerksam zu machen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort