Jahresrückblick 2023 Wolfspeed, Containerdorf und ein drohendes Verkehrschaos: Ein historisches Jahr für Ensdorf
Ensdorf · Die kleine Gemeinde am Saarpolygon stand im vergangenen Jahr mehrmals im Mittelpunkt der größten Nachrichten, die das ganze Saarland bewegten. Wirtschaftliche Transformation, Flüchtlingskrise und Finanznot der Kommunen: Alles war 2023 in Ensdorf deutlich spürbar.
Alle Großereignisse, die Ensdorf 2023 bewegt haben, in einem Zeitungsartikel zusammenzufassen, wirkt wie eine unmögliche Aufgabe. Zu oft ist die Gemeinde in diesem Jahr als zentraler Ort revolutionärer Veränderungen in Erscheinung getreten. Und angefangen hat es mit der größten Entwicklung von allen.
Mit der Ankündigung vom 1. Februar, dass der US-Konzern Wolfspeed und das Saar-Unternehmen ZF auf dem ehemaligen Kraftwerksgelände die weltweit größte Siliziumkarbid-Chipfabrik errichten wollen, wurde in Ensdorf Industrie-Geschichte geschrieben. Bundeskanzler Olaf Scholz höchstpersönlich kam zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck in eine der kleinsten Gemeinden des Saarlandes, um die frohe Botschaft zu verkünden. Am Fuße des Kraftwerkturms, umgeben von den Überbleibseln jahrzehntelanger Montanindustrie, trugen seine Worte noch mehr Gewicht: „Man kann ohne Übertreibung sagen: Mit dem Bau dieser Fabrik kehrt die industrielle Revolution nach Ensdorf zurück.“ Die Haushaltskrise in Berlin hatte die Vorfreude auf hunderte neue Arbeitsplätze in einer Zukunftsbranche kurz gedämpft. Doch Zusagen wurden bekräftigt und die Fläche für den Bau bereits hergestellt. Ein Start für das Projekt in 2024 ist in Aussicht.
Neben der Chipfabrik hat noch ein weiteres Projekt dazu geführt, dass Ensdorf in einen saarlandweiten Diskurs geraten ist: das Containerdorf für Geflüchtete. Vor allem durch den Krieg in der Ukraine hatte der Flüchtlingszulauf in Deutschland stark zugenommen. Die Kommunen riefen nach Hilfe, da sie nicht genügend Wohnraum anbieten konnten. Die Entscheidung fiel auf Containerunterkünfte, die in Ensdorf am Fuße der Bergehalde Duhamel aufgebaut wurden. Der saarländische Flüchtlingsrat und verschiedene Politiker kritisierten das Containerdorf nach seiner Errichtung stark – die Lage vor Ort sei den geflüchteten Menschen nicht würdig. Doch das Ministerium wies alle Vorwürfe zurück. Heute sind die „Puffer-Unterkünfte“ noch immer und schon länger als geplant im Einsatz. Der Diskurs ist mittlerweile abgekühlt, doch die Meinungen nicht weniger geteilt.
Eine andere wegweisende Entscheidung, die 2023 getroffen wurde, hat Ensdorf über Nacht zu einem der großen touristischen Highlights im kommenden Jahr gemacht. Vom Land als „Leuchtturmprojekt“ gefördert, bringt „Musik und Theater Saar“-Chef Joachim Arnold seine mobile Freiluftarena auf die Bergehalde Duhamel neben das Saarpolygon, um dort eine einmalige Pop-Up-Oper zu veranstalten. Die Vorverkäufe für acht Aufführungen von Mozarts „Zauberflöte“ laufen bereits und alle Verantwortlichen sind voller Vorfreude. Mehrmals sagte Gemeindebürgermeister Jörg Wilhelmy, die Opernfestspiele seien eine riesen Chance, die Halde fest als Veranstaltungsort der Extraklasse im Saarland zu etablieren.
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Doch nicht alle Entwicklungen im vergangenen Jahr waren positiv. Neben dem erneut ernüchternden Haushalt, der Ensdorf noch immer auf dem Pfad zur Überschuldung bis 2026 sieht, hat vor allem ein Bauprojekt aus der Nachbarkommune für Unruhe gesorgt. Die täglich von zehntausenden Autofahrern genutzte Fraulauterner Bahnbrücke ist abrissreif und soll über eine Bauzeit von drei Jahren komplett erneuert werden. Das Problem für Ensdorf: Durch die Gemeinde führt die wichtigste Umleitungsstrecke, sodass sie künftig eine extreme zusätzliche Verkehrsbelastung auffangen müsste. Der Landesbetrieb für Straßenbau hat im Frühling in Aussicht gestellt, den Rathauskreisel zu vergrößern und Ampeln zu installieren, um die Situation zu entschärfen. Doch die Angst vor einem Verkehrschaos ab dem geplanten Baustarttermin 2027 bleibt.
Neben allen erwähnten Großereignissen, gab es 2023 aber auch gravierende Veränderungen, die nicht unbedingt über die Gemeindegrenzen hinaus strahlten. Allen voran eine Entwicklung, die das Ortsbild maßgeblich geprägt hat: der Abriss der ehemaligen Kegelbahn auf dem Freibadgelände. Hinzu gewonnen hat Ensdorf dafür ein neues Baumbestattungsfeld auf dem Friedhof. Außerdem wurde als Ausgleichsmaßnahme der Lochbach im Ensdorfer Park renaturiert und für dort spazierende Familien deutlich besser erlebbar gemacht. Ein letzter Punkt, der 2023 für einigen Unmut gesorgt hat: Entgegen der Zusagen der Deutschen Bahn, dass der Ensdorfer Bahnhof 2024 saniert werden sollte, kommt der Umbau nun doch erst 2027. Erst sollte es sogar 2029 werden – doch Proteste von Bürgermeister, Gemeinderat und Saar-Verkehrsministerin haben zu dem aktuellen Kompromiss geführt.